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Bernhard Kohl hat mit seiner Leistung Rekordsieger Lance Armstrong verblüfft.
22.07.2008 12:58
Kohl vor Mythos L'Alpe d'Huez cool

Jausiers (dpa) - Der Tour-Sieg 2008 wird auf 1850 Meter Höhe Form annehmen. Der Schlussanstieg hinauf zum «mythischen Berg» L'Alpe d'Huez sorgt für eine Vorentscheidung im Kampf ums Gelbe Trikot, das drei Tage später beim Zeitfahren nach Saint-Amand-Montrond endgültig vergeben wird.

«Wir werden versuchen, Cadel Evans, Denis Mentschow und natürlich Bernhard Kohl, der ein ernsthafter Kandidat geworden ist, Zeit abzunehmen», sagte der Luxemburger Frank Schleck vor der diesjährigen Königsetappe über 210,5 Kilometer. Der Radprofi vom CSC-Saxo-Team, der die 16. Etappe nach Jausiers in Gelb in Angriff nahm, ist der einzige des Pelotons, der das Gefühl des Sieges in L'Alpe d'Huez kennt: Schleck hatte 2006 die gefürchteten 21 Spitzkehren als Erster hinter sich gebracht.

Bereits zum 26. Mal ist der Klassiker Bestandteil der Tour de France, doch nicht oft kam dem 13,8 Kilometer langen und durchschnittlich 7,9 Prozent steilen Anstieg so enorme Bedeutung zu wie in diesem Jahr. Wegen der Ausgeglichenheit an der Spitze müssen schwächere Zeitfahrer wie Schleck und Kohl hier die entscheidenden Minuten herausfahren, um sich am 27. Juli in die Siegerlisten eintragen zu können. Vor dem Showdown hinauf zur Skistation bleibt Kohl aber cool. «Das war nix Besonderes, da waren nur ein paar Kühe», sagte der Österreicher über seine L'Alpe d'Huez-Trainingsfahrt im Juni. Der Gerolsteiner-Profi könnte als erster Österreicher das gepunktete Bergtrikot nach Paris tragen und dürfte mit einem neuerlichen Alpen-Coup sogar auf das «Maillot Jaune» spekulieren.

Nicht jeder Fahrer blickt dem dritten Gipfel des Tages so gelassen entgegen wie der 26-Jährige. Denn die Geschichte der Frankreich-Rundfahrt ist eng verknüpft mit den Leiden und Legenden am Tour-Giganten, der 1952 erstmals ins Programm genommen wurde. 2001 demütigte hier Tour-Rekordsieger Lance Armstrong seinen Dauerrivalen Jan Ullrich, als er den erschöpften Deutschen provozierend anschaute, dann attackierte und ihn wie einen Anfänger stehen ließ. Es war der erste von zwei Armstrong-Erfolgen in L'Alpe d'Huez. 2004 gewann der siebenfache Champion das einzige Bergzeitfahren in 37:36 Minuten und war dabei nur eine Sekunde langsamer als der 2004 gestorbene Italiener Marco Pantani 1997 bei seinem L'Alpe d'Huez-Rekord.

Lance Armstrong selbst zeigte sich verblüfft über den unerwarteten Höhenflug von Gerolsteiner-Radprofi Bernhard Kohl. «Um ehrlich zu sein, bin ich von Kohl überrascht worden. Ich hatte vor dem Rennen von diesem Kerl einfach noch nie etwas gehört. Wer ist er», sagte Armstrong dem Internetportal «cyclingnews». Der Amerikaner hat zwischen 1999 und 2005 die Frankreich-Rundfahrt siebenmal in Serie gewonnen. In diesem Jahr verfolgt er die Tour von Chicago aus als TV-Zuschauer. Trotz der starken Vorstellungen des Österreicher Kohl bleibt für Armstrong der Australier Cadel Evans erster Anwärter auf den Gesamtsieg bei der 95. Tour. «Er ist meiner Meinung nach immer noch der Favorit», sagte der langjährige Rivale von Jan Ullrich.

In den 70er und 80er Jahren nannte man den Anstieg, bei dem rund eine Million Zuschauer für eine Party-Stimmung wie bei der Love Parade sorgen, auch «Berg der Holländer». Zwischen 1976 und 1989 siegte achtmal ein Niederländer, was die radsportbegeisterte Nation dazu brachte, den Gipfel als «höchsten Berg Hollands» zu annektieren.

1990 leitete dann Gianni Bugno italienische Zeiten ein, die mit Giuseppe Guerinis Sieg neun Jahre später ihren dramaturgischen Höhepunkt erlebten. Der damalige Telekom-Profi wurde in Führung liegend kurz vor dem Ziel von einem Zuschauer, der ein Foto von ihm machen wollte, zu Fall gebracht. Als sich Guerini wieder aufrappelte und doch noch als Erster unter dem tosenden Applaus der Zuschauer das Ziel erreichte, hatte er dem Mythos L'Alpe d'Huez ein weiteres Kapitel hinzugefügt.


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