Brügge (dpa) - Die Radsport-Welt fiebert vor der Flandern-Rundfahrt dem Duell Cancellara gegen Boonen entgegen. Im Schatten der beiden Stars will sich Roger Kluge weiter an die Spitze heranpirschen. Für seine Premiere beim Klassiker ließ der Cottbuser sogar eine mögliche WM-Medaille sausen.
Aber was ist schon Edelmetall auf der Bahn gegen einen Auftritt in Flandern und in der «Hölle des Nordens»? «Das ist eines der Monumente im Radsport», sagt der Cottbuser vor der Flandern-Rundfahrt am 3. April. Respekt und Ehrfurcht kann Kluge nicht verbergen, und dass er wegen der Traditionsrennen auch die Bahnrad-WM als Goldkandidat sausenließ, hatte einen Grund. Der 25-Jährige will auf der Straße durchstarten. Im Schatten des großen Duells Fabian Cancellara gegen Tom Boonen bastelt Kluge an seiner Zukunft - auch wenn er vor der Flandern-Premiere bescheiden bleibt.
«Ich freue mich, hier weiter Erfahrung zu sammeln», meint Kluge, der zuletzt bei den «Drei Tagen von De Panne» Teile des Terrains in Flandern testen konnte. Das hat es mit 258 Kilometern von Brügge nach Meerbeke, 18 zum Teil giftigen Steigungen und einigen Pflastersteinpassagen in sich. Vor allem «die Berge sind noch zu heftig», sagt Kluge, «aber das kann sich in den Jahren noch ändern».
Bei seiner ersten Flandern-Rundfahrt will der Cottbuser brav Helfer-Aufgaben für sein Team Skil-Shimano erfüllen. Außerdem nutzt er die «Ronde» in Belgien, bei der mehr als 800 000 Zuschauer an der Strecke erwartet werden, zur Testfahrt für Paris-Roubaix. «Ich werde schon mit einem speziellen Rad fahren», erklärt Kluge. Das Gefährt ist für den holprigen Pflasterstein-Untergrund konstruiert, der die Flandern-Rundfahrt auf 20 Kilometern zur Tortur, vor allem aber Paris-Roubaix sieben Tage später zur «Hölle des Nordens» macht.
In Nordfrankreich rechnet sich Kluge besser Chancen aus, zumal es dort wesentlich flacher ist. «Das liegt mir mehr», sagt der Ex- Fahrer vom Team Milram, der 2010 mit gewaltigem Abstand auf Sieger Cancellara ins Ziel kam. «In diesem Jahr wären die Top 30 eine super Entwicklung», meint Kluge, ein Platz unter den Top 10 «wie ein Sieg».
Ganz nach vorne hätte Kluge bei der Bahn-WM fahren können, als Omnium-Europameister war er bei den Titelkämpfen in den Niederlanden aber nicht am Start. Die meisten Rennen verfolgte er in der Vorwoche im Fernsehen, einmal war er in der Halle in Apeldoorn dabei. «Da hat es schon gejuckt und gekribbelt», räumt der Silbermedaillengewinner von Olympia in Peking ein, der im Februar mit dem Sieg beim Berliner Sechstagerennen seine Klasse auf der Bahn unter Beweis stellte. Ganz Abschied nehmen vom Oval will Kluge nicht: Falls er in der Olympia- Qualifikation für London gebraucht wird, «werde ich wieder starten».
Zunächst gilt seine Konzentration aber den Straßen-Rennen, die in Belgien und Nordfrankreich immer für Volksfeststimmung sorgen. Die Hauptattraktion dürfte auch an diesem Sonntag wieder der Zweikampf zwischen dem Schweizer Klassikerjäger Cancellara und Lokalmatador Boonen sein. 2010 hatten sich die Kraftpakete ein packendes Duell geliefert, erst an der vorletzten Steigung - der berüchtigten Mauer von Geraardsbergen - schüttelte Cancellara seinen Widersacher ab.