Stuttgart (dpa) - Stefan Schumacher ist als erster Radprofi von einer deutschen Staatsanwaltschaft angeklagt worden, obwohl sein Doping-Fall längst geklärt ist. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat den 29-Jährigen wegen Betrugs zum Nachteil seines früheren Rennstalls Gerolsteiner angeklagt.
Das bestätigte Schumacher-Anwalt Michael Lehner der Nachrichtenagentur dpa und bestätigte damit einen Bericht der «Stuttgarter Nachrichten». Durch den Dopingfall bei der Tour de France 2008, als in nachträglichen Analysen das Blutdoping-Präparat CERA gefunden worden war, habe der WM-Dritte von 2007 seinen damaligen Teamchef Hans- Michael Holczer hintergangen. Dabei sei «aus unserer Sicht ein strafrechtlich relevanter Schaden» entstanden, wird eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft zitiert. Nach der Tour vor zwei Jahren war Schumacher auch bei den Olympischen Spielen in Peking positiv auf CERA getestet worden, stritt aber Doping immer ab.
Insgesamt gehe es in der Klage um 150 000 Euro, was Schumachers Gehälter für die Monate Juli, August und September 2008 entsprochen habe, so Holczer. Schumacher hatte vor der damaligen Tour de France, bei der er zwei Etappen gewann und zwei Tage das Gelbe Trikot getragen hatte, wie alle Profis in Frankreich schriftlich erklärt, nicht zu dopen. Allerdings ist fraglich, ob solch eine Erklärung rechtsgültig ist. Auch in den Fahrer-Verträgen, die die Staatsanwaltschaft einsah, war ein Anti-Doping-Passus obligatorisch.
Der Heidelberger Anwalt Lehner äußerte sich «irritiert» über das Vorgehen der Behörde, vor allem nachdem sein Mandat die Dopingsperre abgesessen und im September beim drittklassigen italienischen Rennstall Miche ein Comeback gefeiert hatte. «Ich frage mich, ob ein Exempel statuiert werden soll oder ob es Profilierungsgründe gibt. Er hat seine Strafe abgesessen und jetzt soll noch mal nachgekartet werden», erklärte der Anwalt, der auf einer Nicht-Zulassung der Klage hofft, die vor der fünften Strafkammer des Landgerichts Stuttgart verhandelt werden soll.
Der inzwischen in den Schuldienst zurückgekehrte Holczer habe Schumacher nach eigenen Aussagen nicht angezeigt. Vor dem Arbeitsgericht habe er ursprünglich das Gehalt für drei Monate zurückfordern wollen, in einem Vergleich aber darauf verzichtet, weil auch Schumacher seine Klage gegen die Kündigung zurückgezogen hatte. Dass es jetzt zur Anklage gekommen sei, überraschte auch ihn: «Ich bin erstaunt, ich hatte nicht mehr damit gerechnet». Möglicher Profiteur der Klage wäre Holczer wohl kaum. «Ich gehe davon aus, dass das Geld an die Staatskasse ginge, wenn es zu einer Verurteilung käme», sagte der Mathematik- und Geschichtslehrer am Sonntag.
Schumacher war nach seiner um vier Monate verkürzten Dopingsperre Anfang September wieder in den Rennzirkus zurückgekehrt. Beim Giro della Romagna in Italien bestritt er sein erstes Rennen. Der Profi aus dem schwäbischen Nürtingen schrieb am Wochenende auf seiner Homepage: «Ich kann nur soviel sagen: Ich habe meine sportrechtliche Strafe abgesessen und will mich jetzt auf die Fortsetzung meiner Karriere konzentrieren. Ich habe mich nicht strafbar gemacht und ich bin definitiv kein Betrüger. Es ist mir daher unerklärlich, was die Staatsanwaltschaft jetzt von mir will.»