Bad Goisern (rad-net) - An der Beschilderung kann es nicht liegen, wenn Mountainbiker im Salzkammergut länger unterwegs sind als geplant. Höchstens den an Holzarbeitern, die Nachschub für Österreichs Möbel- und Bauindustrie aus den Bergwäldern holen. Das Salzkammergut, Heimat des größten Mountainbikerennens der Alpenrepublik, wirbt jedoch mit 1450 Kilometern Mountainbikewegen, damit sollte sich immer eine Alternative finden. Also geht‘s heute zur Testfahrt auf der so genannten Plassen-Runde im Schatten des Dachsteins.
Die Tour beginnt gemütlich und flach. Am Ostufer des Hallstätter Sees zwingen Waldarbeiter zwar erstmals zur Routenänderung, der alternative Fußweg ist dafür um so idyllischer. Stellenweise ist es allerdings so eng, dass bei Gegenverkehr die Bikes nur schiebend aneinander vorbei dirigiert werden können. In der Regel folgt die Mountainbike-Strecke in diesem Abschnitt einem Fahrweg, der es überhaupt erst möglich macht, dass das Ostufer des Sees auch für Biker geöffnet ist. «Bis vor zwei Jahren bot die andere Uferseite entlang der Straße die einzige Verbindung nach Hallstatt», erklärt Lisa Eckel von der Ferienregion Dachstein Salzkammergut. «Entsprechend glücklich sind wir, dass wir jetzt auch den Ostuferweg haben.» Und die Wanderer scheinen sich ohnehin längst an die Biker gewöhnt zu haben, Begegnungen selbst auf dem engen Weg verlaufen problemlos, der gegenseitige Umgang ist rücksichtsvoll, im Salzkammergut haben Mountainbiker offenbar wirklich Heimspiel.
Das gilt vor allem Mitte Juli, wenn die Region zur «Salzkammergut-Trophy» fest in Bikerhand ist. Nach einem Boom in den vergangenen Jahren waren bei der Großveranstaltung, die in diesem Jahr am 17. Juli stattfindet, zuletzt 4500 Teilnehmer am Start. «Insgesamt kommen gut 13.000 Menschen allein zur Trophy zu uns», sagt Eckel. «Zum Teil sind die Hotels für die Zeit um die Veranstaltung ein Jahr im Voraus ausgebucht.» Auch die Stars sind dann immer wieder gerne dabei. Im Landhotel «Agatha-Wirt», einem von 40 auf Biker und ihre Bedürfnisse spezialisierten Häusern der Region, erinnert der Siegerpokal von Bulls-Biker Thomas Dietsch aus dem Jahr 2008 an den prominenten Gast.
Auch die Plassen-Runde folgt in großen Teilen der Trophy-Route. In Lahn ist die Einrollphase am Seeufer vorbei. Ins Echerntal führt zwar noch ein gut ausgebauter Fahrweg, der nach wenigen Kilometern aber nur noch ein Prädikat verdient: Steil. Fast ohne Kehren und mit nur wenigen Flachpassagen geht‘s vom Seeufer auf 502 Metern über dem Meer bis auf 1502 Meter. Die Streckenkarte kann während der gesamten Kletterpartie in der Trikottasche bleiben, an allen Abzweigen weist eine umfangreiche Beschilderung den Weg. Einzig Kilometerangaben fehlen, also gilt der Blick sicherheitshalber doch hin und wieder der Tourenkarte. Kürzer wird der Anstieg dadurch nicht, aber man weiß wenigstens so ungefähr, was noch kommt.
Gleich 16 dieser Tourenkarten gibt es im Set. So kann die große Karte im Tal bleiben, einzig ein handliches Faltblatt geht mit auf die Strecke. Einziges Manko: Dem Mikroklima schweißnasser Trikottaschen haben die Unterlagen bei regelmäßigem Gebrauch nur wenig entgegen zu setzen und bald erste Löcher an den Falträndern. Auf unserer Fahrt Richtung Gosausee geben die normalen Routenschilder ebenso wie das auffällige Blau der «Trans-Salzkammergut»-Beschilderung und das Orange von «Kellys Dachsteinrunde» die Richtung vor. Welcher Weg richtig ist? Im Zweifel alle. In den Routenkarten, deren Set für Gäste der Bike-Hotels inklusive ist, sind allerdings nur die normalen Routen eingezeichnet.
«Die Dachsteinrunde ist nochmals extra», sagt Lisa Eckel. Auf inzwischen vier Strecken kann man das knapp 3000 Meter hohe Massiv auf der Grenze zwischen Oberösterreich und Steiermark inzwischen umrunden - Gepäcktransport auf Wunsch inklusive. «Am Anfang gab es die blaue Runde», erklärt die 30-jährige Tourismus-Expertin. «Aber die konnte man natürlich auch in die andere Richtung fahren, dann war sie schwerer, das ist dann die rote Route geworden.» Und ganz wie in der Unterteilung des Schwierigkeitsgrades von Skipisten kam dann bald die Route schwarz dazu. «Das war die blaue Route mit weiteren Umwegen», so Eckel. «In Gegenrichtung war dann für diese Runde eigentlich keine Farbe mehr frei, das ist dann die orangene Route geworden, die als «Kellys Dachsteinrunde» markiert ist.» Ganz nach Wunsch und Wetter können die Runden in der Regel in zwei bis drei Tagen gefahren werden.
Heute ist das Wetter weniger gut, nur einmal gibt‘s auf unserem Abschnitt von «Trans-Salzkammergut» und «Kellys Dachsteinrunde» Gegenverkehr: Über die Hochebene unterhalb der Plankensteinalm rollen zwei Biker zügig Richtung Echerntal. Am 17. Juli wird‘s hier oben ganz anders aussehen. Die drei längsten der insgesamt sechs Trophy-Strecken passieren das Gebiet, zur Roßalm gibt es eigens einen Hubschrauber-Shuttle. Die Veranstaltung, die mit rund 200 Teilnehmern begonnen hat, ist längst zu einem Markenzeichen der Region geworden. «Und zum Ganzjahresprojekt», sagt Eckel. «Unser Streckenchef Bernhard Höll macht ohnehin das ganze Jahr nichts anderes, als die Trophy zu organisieren.» Dabei kann sich der 47-Jährige, für die Organisation eines Mountainbike-Marathons standesgemäß mit einem geländegängigen Pick-Up unterwegs, auf die Erfahrungen seiner eigenen leistungssportlichen Karriere verlassen. Höll war als Triathlet unter anderem beim Ironman auf Hawaii dabei.
Im obersten Abschnitt Plassen-Runde wechseln sich offenes Gelände und Waldpassagen ab. Der letzte Abzweig hier oben, Richtung Seekar-Rücken geht‘s ein letztes Stück bergauf, die Vorfreude auf die Abfahrt und Gosausee wächst. Zumindest so lange, bis ein großer Berg von Holzstämmen, übereinander geworfen wie die Stäbe eines Mikadospiels, eine Weiterfahrt unmöglich machen. Hier geht für Mountainbiker heute gar nichts: Auf der anderen Seite des Holzberges wird daran gearbeitet, den Vorrat zu vergrößern und der Einsatz von schwerem Gerät, fliegende Späne und per Seilbahn heranrauschende Bäume lassen es nicht ratsam erscheinen, die Baustelle mit geschultertem Bike zu umklettern. Also zurück bis zur Grubenalm, die alternative Abfahrt bis Hintertal ist zwar in umgekehrter Richtung Teil der Trophy, Spaß macht‘s aber auch in diese.
Das Finale der heutigen Testrunde dagegen unspektakulär. Von Gosau zurück Richtung See folgt die Strecke immer wieder der Bundesstraße, nur abschnittsweise geht‘s nochmals durch den Wald. Aber selbst auf der Straße bergab saugt der Gegenwind auf den letzten der rund 70 Kilometer nochmals die Kraft aus den Beinen. Was soll‘s, dafür sind wir hier. Und um so besser schmecken die Holzknecht-Nocken am Abend auf der Halleralm. Die Härtesten der Harten fahren bei der «Salzkammergut-Trophy» übrigens 211 Kilometer mit über 7000 Höhenmetern. So viele Nocken könnten wir gar nicht essen.
Lisa Eckel von der Ferienregion Dachstein Salzkammergut zu den Mountainbike-Routen der Region
Testfahrt im Salzkammergut: Mit dem E-Bike im Gelände
Audio: Helmut Simonlehner über das Mountainbiken im Salzkammergut
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