Gelsenkirchen (rad-net) Am kommenden Wochenende findet in Gelsenkirchen die
Hauptversammlung des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) statt. Die
Verantwortlichen des BDR tagen vom 25. bis zum 27. März bereits zum vierten Mal
in Gelsenkirchen. Stefan Schwenke sprach im Vorfeld mit Sylvia Schenk, der Präsidentin
des Bundes Deutscher Radfahrer, über ihre Ziele für die Versammlung sowie ihre
persönlichen Erinnerungen an Gelsenkirchen.
Frage: „Frau Schenk, am Wochenende ist der Bund
Deutscher Radfahrer zum vierten Mal in Gelsenkirchen zu Gast. Was sind ihre
Erwartungen für diese Bundeshauptversammlung?“
Sylvia Schenk: „Zuerst rechne ich in Gelsenkirchen mit einer hervorragenden
Bundeshauptversammlung - die Vorbereitung liegt vor Ort bei Vater und Sohn
Rosiejak in besten Händen. Inhaltlich haben wir ein volles Programm, im
Olympiajahr steht natürlich der Spitzensport noch mehr im Vordergrund als
sowieso schon. Außerdem stehen mehrere Präsidiumsmitglieder zur Wahl und es
sollen weitreichende Satzungsänderungen beschlossen werden. Künftig wird die
Bundeshauptversammlung nur noch alle zwei Jahre stattfinden - damit wird
Gelsenkirchen einen wichtigen Schritt in der Geschichte des BDR markieren.“
Frage:
„Bei den Olympischen Spielen von Sydney war der BDR mit zehn Medaillen der
erfolgreichste deutsche Sportverband. Wird sich ein solcher Erfolg bei den
kommenden Spielen wiederholen lassen? Was erwarten Sie von Athen?“
Schenk: „Das Ergebnis in Sydney war herausragend, da stehen wir natürlich
unter einem hohen Erwartungsdruck. Auch wenn nicht ohne weiteres damit zu
rechnen ist, wieder so gut abzuschneiden, haben wir uns ein Ergebnis wie in
Sydney zum Ziel gesetzt. Die Resultate des vergangenen Jahres lassen darauf
hoffen: Zum Beispiel im Mountainbike mit Weltmeisterin Sabine Spitz oder mit
Lado Fumic, auf der Bahn mit den herausragenden Sprintern insbesondere bei den Männern,
aber auch im Ausdauerbereich. Und auf der Straße haben wir bei Frauen und Männern
gleich mehrere Leistungsträgerinnen und Leistungsträger. In jeder Disziplin
sind dem BDR alle bislang möglichen Startplätze bereits gesichert.
Frage:
„Zuletzt tauchte das Präsidium des Bund Deutscher Radfahrer in den Medien außerhalb
des Radsportes nur im Zusammenhang mit dem Eklat um den deutschen Bahnvierer bei
den Weltmeisterschaften in Stuttgart auf und musste dabei einige Kritik
einstecken. Ist die Problematik um die erfolgreichen Bahnfahrer inzwischen geklärt?“
Schenk: „Zur Zeit läuft die Mediation und die Situation hat sich beruhigt.
Aber völlig erledigt sind die Probleme sicher noch nicht, dazu gingen sie zu
tief. Leider ist es in allen Sportarten so, dass Nominierungsentscheidungen
immer hitziger umstritten sind. Wir hoffen für die Zukunft aber, mehr Ruhe in
diese Entscheidungen zu bekommen.“
Frage:
„Sie stehen als Frau an der Spitze eines Verbandes, in dessen Sportart die
Frauen zumindest in den Massenmedien keine Rolle spielen. Warum fehlt dem
Frauen-Radsport die öffentliche Wahrnehmung und welche Möglichkeiten sehen Sie
für die Zukunft?“
Schenk: „Der Radsport ist für Frauen erst sehr spät olympisch geworden. Die
Frauen sind bei den Olympischen Spielen erst seit 1984 auf der Straße und erst
seit 1988 auf der Bahn dabei. Deshalb gibt es hier grundsätzlich noch
Nachholbedarf. Dazu muss die überragende öffentliche Wahrnehmung des
Profiradsports der Männer durch die lange Geschichte und damit verbundene
Legendenbildung berücksichtigt werden. In Deutschland kommt hinzu, dass mit Jan
Ullrich und Erik Zabel bei den Männern seit rund acht Jahren zwei absolute
Weltstars einen großen Teil der Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Darunter leiden
auch andere männliche Radsportler, deren Leistungen nicht genug gewürdigt
werden. Der Bund Deutscher Radfahrer hat in den vergangenen Jahren bei seiner Öffentlichkeitsarbeit
den Frauen einen besonderen Stellenwert eingeräumt und die Medien auch immer
wieder auf Versäumnisse hingewiesen. Auf Initiative der Radsportjugend wird im
Moment die Durchführung eines „Jahr des Mädchenradsports“ diskutiert,
durch das gebündelt für den Radsport der Mädchen und Frauen geworben werden
soll.“
Frage:
„Sie waren schon als aktive Leichtathletin und sind heute als Funktionärin
viel unterwegs. Welche persönlichen Erinnerungen verbinden Sie mit
Gelsenkirchen?“
Schenk: „Zuerst denke ich an die Deutschen
Leichtathletikmeisterschaften 1975 in Gelsenkirchen. Damals steckte ich gerade
im ersten juristischen Staatsexamen, habe Freitagmorgen noch eine Klausur
geschrieben, bin dann nach Gelsenkirchen gedüst und dort am Sonntag Dritte über
1500 Meter geworden. Am Montagmorgen stand die nächste Klausur auf dem Programm
und eine Kommilitonin brachte mir einen Blumenstrauß mit in die Prüfung, weil
sie es so irre fand, zwischen den Klausuren auch noch Leistungssport zu treiben.
Später hatte ich als Frankfurter Sportdezernentin im Zuge der Diskussionen um
Deutschlands Bewerbung für die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 und die
notwendigen neuen Stadien Kontakte nach Gelsenkirchen und habe die Entwicklung
der Arena auf Schalke intensiv beobachtet.“
Zur
Person: Sylvia Schenk ist 51 Jahre alt. In ihrer aktiven Laufbahn war sie als
Leichtathletin erfolgreich. 1972 wurde sie bei den Olympischen Spielen in München
Neunte über die 800 Meter. Parallel zum Leistungssport engagierte sie sich
bereits früh auch als Funktionärin für ihren Sport. Die Arbeitsrichterin war
Stadträtin für Recht, Sport und Frauen in Frankfurt. Seit 2001 ist Schenk Präsidentin
des Bundes Deutscher Radfahrer. Außerdem sitzt die Juristin im Präsidium des
internationalen Radsportverbandes (UCI).