Rom (rad-net) - Mit seinem neuerlichen Sieg im Zeitfahren des Étoile de Bessèges hat Filippo Ganna einmal mehr bestätigt, dass er auch für die Olympischen Spiele zu den Favoriten auf die Goldmedaille im Einzelzeitfahren gehört. Doch der Weltmeister im Kampf gegen die Uhr und auf der Bahn könnte künftig auch bei den Klassikern zuschlagen.
Der Profi von Ineos Grenadiers hat seit der Teilnahme an der italienischen Meisterschaft im vergangenen August kein Zeitfahren mehr verloren. Zuletzt war Ganna aber nicht nur im Zeitfahren erfolgreich, sondern er gewann am Wochenende auch die vorletzte Etappe des Étoile de Bessèges nach einem starken Soloauftritt. Dabei sei er noch weit von seiner besten Form entfernt, verriet der Italiener nach der französischen Rundfahrt gegenüber «La Gazzetta dello Sport». «Ich spüre, dass ich mit meiner Fitness immer noch im Rückstand bin und Raum für Verbesserungen habe. Das macht mich hoffnungsvoll für die nächsten Ziele», so Ganna, der sich Anfang November mit dem Coronavirus infiziert hatte.
Er erholte sich jedoch schnell und verbrachte einen Großteil des Trainings im Winter auf Gran Canaria mit seinen italienischen Kollegen Gianni Moscon und Leonardo Basso. «Ich bin kein Roboter und mache auch Fehler. Ich mache wie jeder Spezialist ein spezielles Zeitfahrtraining und trainiere auf meinem Zeitfahrrad, wenn es nicht zu kalt ist. Das habe ich diesen Winter auf Gran Canaria gemacht und das hat mir vielleicht in Frankreich geholfen.»
Ganna, der derzeit wieder auf der Bahn mit dem italienischen Vierter trainiert, wird als nächstes die UAE-Tour (21. bis 27. Februar) bestreiten, gefolgt von Tirreno-Adriatico (10. bis 16. März) und Mailand-Sanremo (20. März). Er wird auch zum Giro d'Italia zurückkehren, wo er beste Chancen hat, mit einem Sieg im Zeitfahren zum Auftakt der dreiwöchigen Rundfahrt die Maglia Rosa zu übernehmen.
In diesem Jahr wird Ganna, dessen Fahrstil mit Fahrern wie Fabian Cancellara verglichen wird, da er Zeitfahren dominiert, aber auch Straßenrennen mit Soloangriffen gewinnen kann, zwar auf die Klassiker zugunsten der Olympischen Spiele verzichten, aber auch dort konnte er bereits sein Talent beweisen. 2016 gewann Ganna gewann die U23-Ausgabe in Paris-Roubaix. Und künftig dürfte er auch auf WorldTour-Ebene bei den Klassikern zu den Favoriten gehören. «Ja, er kann die Klassiker gewinnen. Ich kann mir vorstellen, dass er auf den letzten Kilometern angreift und wenn sie ihn 20 Meter weit entkommen lassen, werden sie ihn nie mehr einfangen», sagte der italienische Bahn-Nationaltrainer Marco Villa über seinen Schützling. Der Ex-Profi sei davon überzeugt, dass Ganna die Klassiker ähnlich aggressiv wie die Etappe des Étoile de Bessèges fahren kann, die er als Solist gewann.
Zunächst einmal steht aber Tokio für den 24-Jährigen im Fokus. Villa betrachtet Ganna als Anker und Motor des italienischen Bahnvierers, nachdem er schon viermal den Weltmeistertitel in der Einerverfolgung gewinnen konnte. «Er war immer super stark, hatte aber ein Problem: Er hatte Mühe, mit seinen Kräften zu haushalten. Er war immer bereit, hart zu arbeiten und ist ein netter Kerl. Jetzt ist er auf der Straße genauso stark wie auf der Bahn», sagte Villa gegenüber «La Gazzetta dello Sport». So wird Filippo Ganna auch das Einzelzeitfahren auf der Straße in Tokio fahren, wobei der italienische Straßencoach Davide Cassani überzeugt ist, dass er auch den hügeligen Zeitfahrkurs in der Nähe des Fuji gut bewältigen kann.
Ein möglicher Versuch, den Stundenweltrekord auf der Bahn zu brechen, wurde ebenfalls nicht ausgeschlossen. Es wird allgemein erwartet, dass Ganna die erste Fahrer ist, der die Vier-Minuten-Marke in der Einerverfolgung durchbrechen kann.