Le Puy-en-Velay (dpa) - Chris Froome nahm das Gelbe Trikot erleichtert entgegen und strahlte bei der Siegerehrung wie selten zuvor. Erst nach einer packenden Aufholjagd im Finale der 15. Tour-Etappe hatte der britische Titelverteidiger seine Spitzenposition gerettet.
«Das war ein Stressmoment. Ich hatte gedacht, ich komme vielleicht nicht zur Spitze zurück», schilderte Froome die brenzlige Szene am Sonntag auf dem Anstieg zum Col de Peyra Taillade.
Auf den Rampen des selben Berges waren wenige Minuten vor dem Froome-Malheur Tony Martins Hoffungen auf einen Etappensieg geplatzt. Nach gut vier Stunden Schwerstarbeit als Ausreißer, darunter fast 30 Kilometer im Alleingang, war der Zeitfahr-Weltmeister kaum mehr von der Stelle gekommen. Martin musste die Rivalen passieren lassen und erreichte mit über fünf Minuten Rückstand auf den überglücklichen Tagessieger Bauke Mollema (Niederlande) als 20. das Ziel.
Ein platter Reifen am Hinterrad hatte Froome rund 35 Kilometer vor dem Ziel gut eine Minute ins Hintertreffen gebracht. Sein Teamkollege Michal Kwiatkowski war seine Rettung, der Ex-Weltmeister überließ seinem Kapitän das Hinterrad. «Der Teamwagen war weit hinten, ich hatte keine andere Chance», ergänzte Froome, der dank seiner superstarken Sky-Mannschaft nach 20 Minuten Schinderei zurück in die Favoritengruppe kam.
Damit liegt Froome vor dem Ruhetag am Montag in der Gesamtwertung wieder 18 Sekunden vor dem Italiener Fabio Aru und 23 Sekunden vor dem französischen Hoffnungsträger Romain Bardet. Auch der kolumbianische Außenseiter Rigoberto Uran ist mit einem Rückstand von 29 Sekunden noch gut im Rennen. «Die anderen müssen in den Alpen attackieren, um bis Marseille Zeit auf mich rauszuholen. Ich bin glücklich, dass ich das Trikot noch habe», sagte Froome.
Durch die Unachtsamkeit von Aru am Samstag auf dem knackigen, aber kurzen Schlussanstieg nach Rodez ist dem dreimaligen Champion das Gelbe Trikot quasi zugeflogen. Der Astana-Kapitän hatte sich in der entscheidenden Rennphase viel zu weit hinten im Feld aufgehalten und damit im Etappenfinale, das Michael Matthews vom deutschen Sunweb-Team für sich entschied, nicht mehr reagieren können.
Ähnlich erging es Martin am Sonntag, als er mit offenem Mund und schwerem Schritt am vorletzten Berg ein- und überholt wurde. «Enttäuscht bin ich nicht. Das war die einzige Etappe, die vom Profil gepasst hat. Ich habe es versucht und bin weggekommen, aber der vorletzte Berg war zu steil für mich», sagte Martin.
Damit entwickelt sich die diesjährige Frankreich-Rundfahrt für den Katusha-Profi zu einer Tour zum Vergessen. Schon zum Tour-Auftakt war Martins Traum vom Gelben Trikot im Regen von Düsseldorf geplatzt. Es folgte ein schmerzhafter Sturz in Belgien und eine empfindliche Erkältung. Auf der 15. Etappe war er wieder bei Kräften, kurz nach dem Beginn in Laissac-Sévérac-L'Église startete Martin in einer größeren Gruppe einen Ausreißversuch, 66 Kilometer vor Schluss suchte der 32-Jährige dann sein Glück in einer Soloflucht. Erinnerungen an seine Triumphfahrt von Mülhausen vor drei Jahren wurden wach. Diesmal allerdings ohne Erfolg. Was ihm bleibt, ist das Zeitfahren am vorletzten Tag in Marseille.
Spannend wird es allmählich auch im Kampf um das Grüne Trikot. Der Vorsprung von Marcel Kittel auf Matthews schmolz auf 79 Punkte. Am Sonntag gewann der Australier in der Ausreißergruppe den Zwischensprint und sicherte sich 20 Zähler. Kittel quälte sich dagegen am Ende des Feldes über die vier Bergwertungen des Tages. «Ich habe immer gesagt, es wird ein harter Kampf. Vielleicht wird er erst auf den Champs Élysées entschieden», sagte Kittel.
Matthews hatte am Samstag bereits für den zweiten Etappensieg des Sunweb-Teams innerhalb von 24 Stunden gesorgt, nachdem sein Zimmerkollege Warren Barguil am Nationalfeiertag zum Sieg gefahren war. Barguil ist auch weiter im gepunkteten Trikot des Bergkönigs unterwegs.