Apeldoorn (rad-net) - Robert Förstemann hat in der vergangenen Woche im niederländischen sein Debüt bei der Bahn-Weltmeisterschaft der Para-Cycler als Pilot des sehbehinderten Kai Kruse gegeben. Eine Eintagsfliege war das nicht. Das Duo will längerfristig zusammenarbeiten – und eine Medaille bei den Paralympics 2020 in Tokio gewinnen.
Ein siebter Platz im Zeitfahren über 1000 Meter, ein deutscher Rekord in der Qualifikation über 200 Meter – Robert Förstemann und Kai Kruse sind zufrieden von ihrem ersten gemeinsamen Auftritt zurückgekehrt. «Das war trotz aller Umstände ein solider Auftakt. Vor drei Wochen hatte ich noch nicht mit einem Start gerechnet», so Förstemann. Im Januar stürzte er beim Bremer Sechstagerennen schwer und brach sich die Schulter, das Schlüsselbein und zwei Rippen. Dass er in Apeldoorn überhaupt wieder auf dem Rad sitzen und Vollgas geben konnte, ist schon ein kleines medizinisches Wunder, das er vor allem seinem kräftigen Muskelkorsett zu verdanken hat.
«Wir haben einige andere Tandems hinter uns gelassen. Mit besserer Vorbereitung und Abstimmung werden wir auch noch weiter vorne angreifen können», kündigt Förstemann an. Das große Potenzial hat das neu formierte Tandem schon unter Beweis gestellt. Bei der ersten Zwischenzeit nach 250 Metern lag das Duo sogar auf Platz drei, am Ende fuhren sie die siebtschnellste Zeit. «Anfangs haben wir uns selbst überrascht, zum Schluss fehlte uns dann die Tempohärte», resümierte Förstemann. «Danke an den Bundestrainer und den Verband, dass uns trotz der Unsicherheiten im Vorfeld das Vertrauen ausgesprochen wurde. Ich denke, wir haben es mit Leistung bestätigen können und haben wichtige Punkte für die Paralympics-Qualifikation gesammelt.»
Bundestrainer Tobias Bachsteffel freut sich über das bekannte Gesicht in seinen Reihen: «Robert ist ein Vollblut-Profi, der die anderen direkt motiviert und für das gesamte Team mit seiner Erfahrung Gold wert ist.» Förstemanns Schritt in den Para-Sport blieb auch bei den größeren Medien nicht unbeachtet und schenkte den Para-Cyclern dadurch auch größere Aufmerksamkeit
Auch für Robert Förstemann war sein erster Einsatz im Para-Sport eine tolle Erfahrung: «Ich bin beeindruckt von der Professionalität, die an den Tag gelegt wird», betonte «Mister Oberschenkel» und fügte an: «Das ist richtig toller Sport, da geht auch die Post ab.» Er nehme viel mit von diesen Tagen in Apeldoorn. «Das sollten so viele Menschen wie möglich live erleben, das ist mit Worten kaum zu beschreiben, was da für Leistungen gebracht werden. Die Para-Sportler haben viel mehr Aufmerksamkeit verdient», ist Förstemann überzeugt. Auch deswegen wolle er ein Zeichen setzen und mit seiner Präsenz zusätzliche öffentliche Wahrnehmung schaffen. «Ein Anfang ist gemacht.»
Seine Entscheidung fürs Para-Cycling ist aber nicht nur darauf zurückzuführen, sondern hat vor allem auch sportliche Gründe. «Für mich ist es nach so vielen Jahren als Einzelsportler ein kleiner Wendepunkt und eine neue Motivation, jetzt als Team anzugreifen. Das ist richtig cool und eine tolle Herausforderung.» Leicht gemacht hat sich der 33-Jährige diesen Entschluss allerdings nicht. «Es war keine Entscheidung von heute auf morgen, ich habe mich intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt, zumal ich mich noch sehr fit und leistungsfähig fühle.» Kai Kruse, den er aus dem Training kenne, hätte ihn vor einigen Monaten angerufen und einfach gefragt, ob er sich das vorstellen könne. «Ich habe viele Gespräche geführt und mich mit dem Gedanken immer mehr angefreundet», erklärte Förstemann.
Als dann auch noch sein Arbeitgeber, die Bundespolizei, zustimmte und Unterstützung zusicherte, stand der Wechsel in den Para-Sport fest. So lautet das Ziel: Paralympics statt Olympia. Viele seiner künftigen Teamkollegen kennt Robert Förstemann schon aus dem Training oder von gemeinsamen Begegnungen. «Ich beobachte den Para-Sport schon lange interessiert und habe auch die Paralympics im Fernsehen verfolgt», berichtet er.
2020 in Tokio möchte der 33-Jährige selbst ein Teil davon sein. Das Ziel des Duos: eine paralympische Medaille. «Die ist mit genauso viel Schweiß und Aufwand verbunden wie eine olympische. Das ist kein Selbstläufer und man bekommt nichts geschenkt.» Das hat Robert Förstemann bei der Para Bahnrad-WM in Apeldoorn selbst gesehen. Die Konkurrenz aus Großbritannien, den Niederlanden, Polen oder Australien ist enorm schnell unterwegs. Doch das deutsche Tandem kann sich noch deutlich steigern. «Kai und ich können in Berlin täglich miteinander arbeiten, haben denselben Trainer. Das sind sehr gute Voraussetzungen», so Förstemann. Zunächst geht der Blick voll fokussiert Richtung Tokio – doch Robert Förstemann und Kai Kruse schielen darüber hinaus auch nach Paris, wo die Spiele 2024 stattfinden. «Wir wollen gerne längerfristig zusammenarbeiten.»