Meerbeke (dpa/rad-net) - Der König von Flandern kommt wieder aus Belgien - heißt aber weder Tom Boonen noch Philippe Gilbert. Nick Nuyens vom Team Saxo Bank Sungard hat bei der diesjährigen Flandern-Rundfahrt den großen Favoriten ein Schnippchen geschlagen und den größten Erfolg seiner Karriere gefeiert.
In einem an Dramatik kaum zu überbietenden Rennen hatten sich Boonen, Gilbert und allen voran Vorjahressieger Fabian Cancellara völlig verpokert. Der Schweizer Zeitfahrspezialist kam hinter Lokalmatador Nuyens und dem Franzosen Sylvain Chavanel als Dritter ins Ziel - bitter enttäuscht schüttelte der Schweizer den Kopf.
«Ich war so tot», meinte Cancellara schwer schnaufend kurz nach dem Zieleinlauf. «Ich hatte so viele Krämpfe.» Sieger Nuyens fand kaum Worte für seine Freude. Auch Chavanel blieb wortkarg - die bittere Enttäuschung war ihm ins Gesicht geschrieben. Cancellara und Chavanel hatten lange eine zweiköpfige Spitzengruppe gebildet und alles schien sich nur noch zwischen den beiden zu entscheiden.
In einer verrückten Schlussphase überschlugen sich in Meerbeke die Ereignisse: Cancellara misslangen gleich mehrere Attacken. Auch Gilbert verschoss sein Pulver zu früh. Boonen hatte mit dem Ausgang des 258 Kilometer langen Rennens nie etwas zu tun. Dagegen trug sich Saxo-Bank-Fahrer Nuyens in die illustre Siegerliste der «Ronde» ein und ließ seinen Teamchef Bjarne Riis - im Vorjahr noch Vorgesetzter von Cancellara - wieder einmal jubeln.
Dabei sah es lange nach einer erneute Demonstration der Stärke des Zeitfahr-Olympiasiegers Cancellara aus: Vor einem Jahr hatte sich der vierfache Weltmeister an der berüchtigten Mauer von Geraardsbergen von Boonen lösen können - diesmal fuhr Cancellara der Konkurrenz nach 40 Kilometern davon. Am Leberg, dem fünftletzten von insgesamt 18 Anstiegen, setzte er die Attacke. Boonen, der nur Sekunden zuvor einen eigenen Angriff versucht hatte, musste Cancellara ziehen lassen.
Rund 35 Kilometer vor dem Ziel schloss der Schweizer auf Chavanel auf. Der französische Teamkollege von Boonen hatte sich mit einer Fluchtgruppe abgesetzt und war seinen drei Mitstreitern schließlich enteilt. Dann klemmte sich der Quick-Step-Fahrer aber an das Hinterrad von Cancellara, ließ sich nicht abschütteln - und dachte gar nicht daran, auch nur eine Sekunde Führungsarbeit zu leisten.
Voll im Wind, Chavanel im Nacken und eine starke Verfolgergruppe - das war selbst für Cancellara zu viel. Der Vorsprung schmolz und ausgerechnet am Einstieg der Mauer von Geraardsbergen war das Duo eingeholt. Am Ende der giftigen Steigung hatte sich eine fünfköpfige Spitzengruppe gefunden. Cancellara war sichtlich angefressen, wild gestikulierend forderte er die anderen auf, nach vorne zu fahren.
Gilbert, der noch 65 Kilometer vor dem Ziel einen Defekt erlitten hatte, ging aus dem Sattel und zog davon. Auch der Angriff war nicht erfolgreich, rund zehn Kilometer vor Meerbeke war der Fahrer vom Team Omega Pharma-Lotto eingeholt - und seine Siegchance war dahin.
Kurz nach dem Start der 95. Auflage des belgischen Klassikers in Brügge hatte ausgerechnet der deutsche Flandern-Neulinge Roger Kluge zu einer der ersten Attacken angesetzt. Doch der Cottbuser vom Team Skil-Shimano wurde sofort wieder vom Feld «geschluckt». Überhaupt spielten die deutschen Radprofis keine herausragende Rolle in Flandern.
Das Rennen der Frauen gewann nach 3:36:03 Stunden die Niederländerin Annemiek van Vleuten als Solistin vor Tatiana Antoshina aus Russland und der mehrfachen Weltmeisterin Marianne Vos. Beste Deutsche war Judith Arndt vom HTC-Highroaod-Team auf Rang fünf, Sarah Düster wurde Zwölfte, Ina-Yoko Teutenberg gewann auf Platz 13 den Spurt der ersten Verfolgergruppe.