Annecy (dpa) - Normalerweise genießt Georg Zimmermann die Nähe zu den Fans, bei der Abfahrt vom Grand Colombier aber hätte er lieber einen anderen Weg genommen.
«Bei uns ist das normal, dass wir 18 Kilometer durch das Chaos müssen, vorbei an ziemlich betrunkenen Fans. Ich will denen keinen Vorwurf machen, die haben ihren Spaß, aber das ist schon gefährlich und unangenehm», sagte der Kletterer nach seinem 13. Platz bei der 13. Etappe der Tour de France.
Der Anstieg auf große Berge bei der Frankreich-Rundfahrt mit euphorisierten Fans sorgt für elektrisierende Bilder, manchmal fühlt es sich für die erschöpften Profis jedoch wie ein Spießrutenlauf an. «Lass mal eine Fußballmannschaft nach 120 Minuten Vollgas im Spiel eine Runde durch die Tribünen des Stadions laufen. Das würden sie wahrscheinlich nicht nochmal machen wollen», fügte der 25-Jährige hinzu. Der Augsburger gehörte am Nationalfeiertag lange einer Fluchtgruppe an, verlor im Schlussanstieg aber früh den Anschluss.
Zielankünfte auf Bergen
Die Radsportler müssen oft den gleichen Weg herunterfahren, wie sie ihn vorher hoch gestrampelt sind. Sie werden dann mit einer Trillerpfeife ausgerüstet, um sich bemerkbar zu machen. Für den Colombier hätte sich Zimmermann einen anderen Evakuierungsplan von den Tour-Organisatoren gewünscht. «Dass wir auf einer anderen Seite herunterfahren und dort die Busse stehen», schlug er vor. «Das war heute der unangenehmste Teil des Tages, dort herunterzufahren.»
So läuft es aktuell
Am Mittwoch wäre Sprinter Jordi Meeus vom deutschen Team Bora-hansgrohe beinahe in einen Sturz verwickelt worden. Ein Fan hatte seinen Arm über das Absperrgitter gehalten. Der belgische Radprofi Steff Cras hatte einen Fan für sein Aus bei der Tour verantwortlich gemacht, nachdem er auf der achten Etappe gestürzt war. Einen Tag später kam Zimmermann-Kollege Lilian Calmajane zu Fall. Der Franzose verhedderte sich in einer Wäscheleine, die vor einem Campingwagen am Streckenrand hing.
«Wir sind froh, dass wir die Zuschauer haben», sagte Nikias Arndt der Deutschen Presse-Agentur, doch merkte auch er an: «Aber die Zuschauer müssen sich auch ihrer Verantwortung bewusst sein. Viele stehen mit ihrem Rücken und dem Handy zu uns, machen Selfies und stehen einen halben Meter weiter auf der Straße als die anderen. Wir kommen mit 60, 70 Kilometer pro Stunde an, da ist Ausweichen schwierig.»
Einerseits lebt die Tour von der Fan-Nähe, andererseits kam es schon zu gefährlichen Situationen. 2021 war es zu einem schweren Sturz gekommen, als der Deutsche Tony Martin in das auf die Straße gehaltene Pappschild einer Zuschauerin raste. Ein Jahr später musste der Fahrer Daniel Oss wegen eines Halswirbelbruchs bei der Frankreich-Rundfahrt aufgeben, nachdem er einen unachtsamen Fan mit dem Kopf touchiert hatte.