Berlin (dpa) - Die Enttarnung eines möglichen deutschen Komplizen im spanischen Doping-Ring um den Mediziner Eufemiano Fuentes ist offenbar erst der Anfang.
Nach Informationen spanischer Ermittler könnte es sich in Deutschland um ein ähnliches Doping-Netzwerk wie auf der iberischen Halbinsel handeln. «Wir haben Hinweise erhalten, dass der beschuldigte Arzt den Spanier Fuentes mit Doping-Präparaten versorgt haben soll. Wir prüfen nach der Sicherstellung der Unterlagen nun, was geliefert wurde, ob und wie viel Geld geflossen ist. Wir können nicht ausschließen, dass dabei noch andere Helfer beteiligt waren», erklärte Hans-Dieter Apel, leitender Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft Göttingen der dpa.
«Ich bin ziemlich sicher, dass in den nächsten Tagen noch einiges auf den Tisch kommt, was uns dann wieder entsetzen wird. Ich kann da noch keine Einzelheiten sagen. Das muss ja alles auch handfest recherchiert werden», erklärte Peter Danckert, der Vorsitzende des Sportausschusses des Deutschen Bundestages dem Nachrichtensender N24.
Am Vortag waren sowohl am Wohnort des beschuldigten Arztes in Niedersachsen sowie in der 20 Kilometer entfernten Helios-Klinik im thüringischen Bleicherode kistenweise Dokumente, Computer-Dateien und Konto-Auszüge sichergestellt worden. «Ich bestätige nichts, aber es gehört zum Standard solcher Ermittlungen, dass Liefer-Papiere, Konto-Bewegungen und EDV-Dokumente gesichert werden», sagte Apel nach den Razzien. In den kommenden Wochen werden die beschlagnahmten Gegenstände nun einer eingehenden Prüfung unterzogen, auch will man den Beschuldigten voraussichtlich noch zu weiteren Tatbeständen befragen, fügte der Oberstaatsanwalt hinzu.
Apels Kollege Hans-Hugo Heimgärtner bestätigte, dass sich der Beschuldigte selbst zur Sache noch nicht geäußert hat. Der Oberstaatsanwalt bekräftigte, dass es einen Anfangsverdacht gegen den Arzt gegeben habe, auf Grund dessen man das Verfahren eingeleitet habe. Der des Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz beschuldigte Arzt war noch am Abend der Durchsuchungen von der Klinik beurlaubt worden. «Sollten sich die Verdachtsmomente im Verlauf der Untersuchungen weiter erhärten, behalten wir uns arbeitsrechtliche Schritte vor», heißt es in einer Erklärung der Klinik-Leitung.
Die spanische Zeitung «El Pais» hatte schon vor mehreren Tagen berichtet, dass der des Dopings überführte Tour-de-France-Sieger Floyd Landis aus den USA auch Kontakte zu einem deutschen Arzt gehabt haben soll. Wie Hans-Dieter Apel erklärte, lägen der Staatsanwaltschaft dazu noch keine näheren Erkenntnisse vor.
Nach dem Überschwappen des spanischen Doping-Skandals nach Deutschland ist zwischen Peter Danckert und Thomas Bach, dem Präsidenten des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), ein Disput um die Schaffung eines Anti-Doping-Gesetzes entbrannt. Bach forderte im Kampf gegen Doping die Möglichkeit von Abhörmaßnahmen und härtere Strafen. Der DOSB verlange, «dass solche Ermittlungen weiter erleichtert werden, dass sie ausgedehnt werden können, gegebenenfalls auch auf Abhörmaßnahmen und dergleichen», sagte Bach dem Sender N24.
Außerdem setze sich der Verband für «eine Erhöhung des Strafmaßes durch den Bundesgesetzgeber» ein. Die Bundesländer sollten «nunmehr endlich Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften einrichten, um solche Aktionen gegen die Hintermänner des Dopings noch zielgerichteter und noch effektiver durchzuführen», betonte Bach.
Hingegen will Danckert ein Anti-Doping-Gesetz auch gegen Widerstände aus den Reihen von Sportfunktionären durchsetzen. Im Inforadio von RBB kritisierte er die Haltung von Bach, der ein solches Gesetz für überflüssig hält. Er stelle fest, sagte Danckert, dass es im deutschen Sport ganz unterschiedliche Auffassungen gebe. Er erinnere an den Präsidenten des Deutschen Leichtathletik- Verbandes, Clemens Prokop, an den Präsidenten des Bundes Deutscher Radfahrer, Rudolf Scharping, und andere, die seiner Meinung seien und ebenfalls ein Anti-Doping-Gesetz forderten.
«Ich versuche Herrn Bach davon zu überzeugen, dass das der falsche Weg ist, die Sportler zu schützen und sich nur darauf zu verlassen, dass wir durch zufällige Aktionen an die Hintermänner herankommen», sagte Danckert. Jan Ullrich empfiehlt Danckert, endlich reinen Tisch zu machen. «Ich glaube, es wäre ein echter Befreiungsschlag, wenn er sagen würde, ich bin es gewesen, ich habe gefehlt und so und so ist es gelaufen. Sonst wird er, glaube ich, diesen Makel überhaupt nicht mehr los. (...) Deshalb würde ich empfehlen, leg' die Karten auf den Tisch!»