Frankfurt (rad-net) - Heute tritt Jan van Eijden die Nachfolge von Detlef Uibel als BDR-Bundestrainer im Kurzzeitbereich an.
Einerseits tritt er in große Fußstapfen, denn Uibel konnte in drei Jahrzehnten 14 Olympiamedaillen, 92 WM-Medaillen und über 100 EM-Medaillen mit seinen Athletinnen und Athleten feiern. Das schaffte kein anderer BDR-Trainer. Anderseits ist Jan van Eijden selbst überaus erfolgreich gewesen in seinen 15 Jahren als Trainer in Großbritannien. Seine Sportler gewannen in seiner Ära 20 Mal Olympisches Edelmetall, davon waren zwölf aus Gold. Allein Jason Kenny führte van Eijden zu sieben Olympischen Goldmedaillen, Chris Hoy zu fünf, und Victoria Pendleton gewann unter seiner Führung zwei Mal Olympisches Gold und wurde acht Mal Weltmeisterin.
In der ersten Woche seiner neuen Tätigkeit wird Van Eijden, der mit seiner Familie in Kaiserslautern lebt, die Olympia-Stützpunkte bereisen. Erfurt, Chemnitz, Cottbus, Schwerin werden seine Stationen sein, wo er sich einen Überblick verschaffen will, wie seine künftige Arbeit aussehen wird. Großen Wert legt der 45-Jährige auf eine gute Zusammenarbeit mit den Landesverbands- und Stützpunkttrainern im BDR. Das ist der große Unterschied zu seiner früheren Arbeit. Das Sportfördersystem in Deutschland ist dezentral. Die Sportler trainieren an den Olympiastützpunkten nahe ihres Wohnortes und bei ihren Heimtrainern, werden dann punktuell zu Lehrgängen mit der Nationalmannschaft geladen. In Großbritannien trainiert die Elite zentral in Manchester. Dort laufen alle Fäden zusammen. «Beides hat Vor- und Nachteile», weiß van Eijden. «Die Struktur in Deutschland bietet eine größere Breite, letztlich können mehr Sportler an unterschiedlichen Standorten trainieren.»
Im ersten Lehrgang im Februar in Frankfurt/Oder will er mit jedem Sportler und jeder Sportlerin intensive Einzelgespräche führen, um sich ein genaueres Bild von den Spitzenathleten im BDR zu verschaffen. Und darüber hinaus mit den Heim- und Landestrainern ein gutes Verhältnis aufbauen. «Sie verfügen über ein großes Wissen», sagt Van Eijden und will das nutzen.
Mit seinem Vorgänger Detlef Uibel und auch mit U23-Trainer Carsten Bergemann hat sich Van Eijden bereits ausgetauscht. «Ich bin sehr offen für ihre Ratschläge und werde sie sicher in Anspruch nehmen», sagt Van Eijden.
Weil bereits im Herbst der nächste Olympiazyklus beginnt, gibt es keine Schonfrist für den neuen Coach. Doch Druck spürt Van Eijden nicht. «Die deutschen Sprinter waren und sind erfolgreich. Das System funktioniert. Man muss nichts neu erfinden, nicht groß etwas verändern, aber das eine oder andere optimieren», so Van Eijden, für den die Qualifikation für die nächsten Olympischen Spiele oberste Priorität hat.
Den zuletzt modifizierten Rennkalender auf der Bahn sieht Van Eijden nicht als Hindernis bei der Vorbereitung auf die Top-Ereignisse. «Die Weltmeisterschaft wird immer unser Höhepunkt sein, egal, ob sie wie in diesem Jahr im Oktober oder wie 2023 im August stattfinden wird. Darauf werden wir uns gezielt vorbereiten.» Aber auch die Europameisterschaften genießen einen hohen Stellenwert, insbesondere die diesjährige, die im August in München stattfindet. Und weil die nächste bereits im Februar 2023 ansteht, muss man flexibel sein und individuell planen. «Generell sind wir Trainer über jeden Wettkampf froh», weiß der erfahrene Coach, dass internationale Wettbewerbe die Sportler mehr voranbringen, als große Trainingseinheiten.
Das Leistungsniveau der deutschen Elite-Sprinter bewertet Van Eijden als sehr hoch, nicht nur im Frauenbereich, wo mit Emma Hinze, Lea Sophie Friedrich und Pauline Grabosch im letzten Jahr bei allen internationalen Top-Events Titel und Medaillen gefeiert wurden. «Auch bei den Männern sind wir nicht so weit weg von der absoluten Weltspitze, wie es auf dem Papier scheint», findet Van Eijden und nennt Stefan Bötticher, der im letzten Jahr international ganz vorn mitfuhr. Im Teamsprint gäbe es noch einiges zu tun. «An der Position eins werden wir arbeiten», sagt Jan van Eijden.
In Großbritannien hat der neue Bundestrainer auch vielfach mit Psychologen zusammengearbeitet. Ähnliches könne er sich auch in Deutschland vorstellen, denn man wisse um die positive Wirkung mentaler Arbeit in der direkten Wettkampfvorbereitung. Außerdem will er neue technische Entwicklungen nutzen, was in Großbritannien ein wichtiger Bestandteil seiner Arbeit war. «Aber da muss ich mir erst einmal anschauen, was im BDR schon gemacht wurde und wo man vielleicht noch ansetzen kann.»
Van Eijden sieht sich selbst als Menschen, der auf Harmonie eingestellt ist. «Wenn man Spaß an der Sache hat, kommt man viel weiter», ist er überzeugt und will künftig auch Gelassenheit zeigen, wenn zum Beispiel ein Sportler einen Sprintlauf durch einen Fehler verliert. «Das macht er ja nicht mit Absicht.» Sein Führungsstil ist also liberal. «Aber es gibt bestimmte Dinge, bei denen ich streng bin, zum Beispiel in Sachen Pünktlichkeit. Und jeder sollte schon ordentlich trainieren, mit 100 Prozent bei der Sache sein.» Diese Akribie habe er als Trainer in Großbritannien vorgelebt. «Wenn man Einsatz und Engagement zeigt, springt das auf die Sportler über.»
Auch wenn der Rheinland-Pfälzer bedauert, dass er nach seinem Weggang aus Manchester viele Freunde zurücklassen musste, ist er froh, den Schritt gewagt zu haben, in Deutschland noch einmal neu durchzustarten. «Ich bin sehr froh, wieder in Deutschland zu sein. Das Reisen nach Großbritannien war in den letzten zwei Jahren wegen Corona doch sehr stressig. Außerdem freue ich mich, jetzt öfter mit meiner Familie zusammen zu sein; und Deutschland jetzt auch als Trainer repräsentieren zu können, so wie ich es früher schon als Sportler getan habe», sagt der Sprint-Weltmeister von 2000.
Die Erfahrungen, die er in Großbritannien machen durfte, die will er bei seiner künftigen Arbeit nutzen. «Was ich in England gelernt habe, will ich jetzt noch optimieren.» Die deutschen Sprinter dürfen also mit viel Optimismus in die Zukunft blicken.