Washington (dpa) - Der Ton in der Doping-Affäre Lance Armstrong wird immer rauer. Die Anti-Doping-Agentur USADA will dem Tour-de-France-Rekordchampion endgültig an den Kragen, für den beschuldigten Texaner ist dagegen der ganze Fall eine Farce.
Armstrong weist wie immer alle Beschuldigungen von sich und denke gar nicht daran, sich von der «USADA-Posse» aus der Ruhe bringen zu lassen, wie er am Samstag twitterte. Die Attacken des Radsport-Rentners gegen seine Gegner landen derweil öfter unter der Gürtellinie, mittlerweile schreckt er sogar vor persönlichen Diffamierungen nicht mehr zurück.
Die USADA will Armstrong wegen jahrelanger Manipulation und Handels mit Dopingmitteln anklagen. Nach Sichtung der Beweise gab eine dreiköpfige Kommission am Freitag der Agentur Grünes Licht für eine offizielle Anklage, die dem 40-Jährigen nicht nur seinen Ruf, sondern auch mindestens ein Gelbes Tour-Trikot kosten könnte. Auch bei der Frankreich-Rundfahrt 2012 ist die Affäre allgegenwärtig - vor allem wegen Armstrongs ehemaligem Teamchef Johan Bruyneel. Laut UCI-Boss Pat McQuaid dürfte das Thema die gesamte Tour überschatten.
Armstrong wehrt sich mit Händen und Füßen. Am 29. Juni hatte er über sein bevorzugtes Medium Twitter eine heftige Attacke gegen ein Mitglied der Kontrollkommission lanciert, den Jura-Professor Clark Griffith. Gegen diesen läuft derzeit ein Verfahren wegen des Verdachts auf Exhibitionismus. «Wow. USADA sucht sich ja Leute aus», schrieb Armstrong dazu.
Im Internet kassierte er dafür laute Kritik. Womöglich antwortete er daraufhin etwas gemäßigter. «Wir sind jetzt in 2012, ich werde Livestrong weiter voranbringen, meine fünf Kinder großziehen und fit bleiben!», twitterte er. Livestrong ist eine von Armstrong ins Leben gerufene Initiative zur Unterstützung von krebskranken Menschen. Der Amerikaner war 1996 selbst an Hodenkrebs erkrankt.
Nach seiner Genesung hatte er die einzigartige Tour-Siegesserie zwischen 1999 und 2005 gestartet - nach Ansicht der USADA aber nicht mit regulären Mitteln. In einem 15-seitigen Schreiben an Armstrong, dessen langjährigen Teamchef Johan Bruyneel sowie Betreuer und Ärzte ist von EPO-, Testosteron-, Kortison- und Blutdoping die Rede, das die Beschuldigten in den Teams US Postal, Discovery Channel, Astana und RadioShack viele Jahre betrieben haben sollen.
«Alle Angeschriebenen haben das Recht auf eine öffentliche Verhandlung vor einem Schiedsgericht», teilte die USADA mit. In einem Prozess würden dann Beweise vorgelegt und Zeugen vernommen. Sollte Armstrong wie erwartet gegen die Vorwürfe vorgehen, wird sich ein Schiedsgericht mit dem Fall befassen.
Die Causa ist auch bei der Tour 2012, die am Wochenende in Belgien begann, eines der Hauptgesprächsthemen. Im Fokus steht dabei nicht Armstrong, sondern dessen Vertrauter Bruyneel, heute Teamchef bei RadioShack-Nissan um die deutschen Fahrer Jens Voigt und Andreas Klöden. Wegen der Vorwürfe verzichtet Bruyneel auf das wichtigste Radrennen der Welt. «Sein Tour-Rückzug wird hier drei Wochen lang das Thema sein», sagte der Präsident des Radsport-Weltverbandes, McQuaid, der Nachrichtenagentur dpa beim Tour-Auftakt in Lüttich.
McQuaid betonte, über die Ermittlungen spät in Kenntnis gesetzt worden zu sein. «Wir haben erst einen Tag vor Veröffentlichung von dem Fall erfahren», sagte der Ire. Sollte ein Schiedsgericht die Angeklagten schuldig sprechen, droht Bruyneel eine lange Sperre, auch wenn er Belgier ist. «Die USADA hat das Recht, Bruyneel weltweit zu sanktionieren», erklärte McQuaid.
Damit es nicht so weit kommt, werden Armstrong und Bruyneel alle Hebel in Bewegung setzen. Beide gehen gegen Gegner nicht zimperlich vor. Seinen ehemaligen Teamkollegen Floyd Landis, inzwischen Zeuge der USADA, bezeichnete Armstrong mehrfach öffentlich als Lügner. Die USADA kann in einem Prozess nach eigenen Angaben zehn Zeugen aufbieten, darunter wohl auch Armstrongs frühere Mannschaftskollegen Tyler Hamilton und Frankie Andreu sowie dessen Frau.
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