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Laut Fritz Sörgel ist es für Radprofis mit Betrugsabsichten immer noch zu leicht, positive Tests zu umgehen. Foto: Daniel Karmann
27.06.2012 08:51
Doping-Jäger Sörgel: Man erwischt nur die Kleinen

Berlin (dpa) - Zum 99. Mal quälen sich die weltbesten Radprofis durch Frankreich, doch bei der Tour de France fährt schon seit Jahren der Doping-Verdacht mit. Für den Anti-Doping-Experten Fritz Sörgel ist die Tour längst nur noch Event.

«Von Sport kann man ja wohl kaum noch sprechen», sagte der Uni-Professor der Nachrichtenagentur dpa in einem Interview. Dass die Tour sauberer ist als noch vor Jahren, glaubt er nicht. Sein ernüchterndes Resümee: Erfolgreiches - weil unentdecktes Doping - sei «nur eine Frage des Geldes».

Herr Sörgel, interessieren Sie sich noch für die Tour de France?

Sörgel: «Nur für die Überschriften. Bei einem Zeitfahren und wenn es wieder mal ein Deutscher unter die ersten fünf schaffen sollte, schaut man natürlich schon mal kurz hin, wer da so schnell strampelt. Auch das farbenprächtige Bild des Tour-Trosses gefällt mir, denn ich schaue da ja ohnehin keinen Sport, sondern eine Show, einen Event.»

Die etlichen Doping-Fälle der vergangenen Jahren scheinen nicht nur Ihnen die Freude am Radsport genommen zu haben, oder?

Sörgel: «Bei uns ist es halt so: Die Sportverbände führen in den meisten Fällen einen ziemlich scheinheiligen Anti-Doping-Kampf. Die Bevölkerung straft bestimmte Sportarten - wie den Radsport - ab, wenn man sich erwischen lässt, andere wiederum nicht.»

Hat der Radsport bei den Zuschauern also jeglichen Kredit verspielt?

Sörgel: «Nicht unbedingt: Wenn der unwahrscheinliche Fall eintreten sollte, dass ein Deutscher um den Tour-Sieg kämpft, ändert sich das von einem Tag auf den anderen - wenn auch kein Comeback der Einschaltquoten aus den Ullrich-Zeiten zustande käme. Ganz konsequent ist der Großteil der deutschen TV-Abschalter nun auch wieder nicht.»

Im Vorjahr gab es keinen Dopingfall bei der Tour - die Organisatoren feierten das Rennen als sauberer als noch vor einigen Jahren, auch dank besserer Kontrollen und rigider Strafen. Sehen Sie das genauso?

Sörgel: «Keinesfalls. Man erwischt wieder nur die Kleinen, die nicht mit Euros oder Dollars gestopften Profis. Die können sich keinen Top-Experten leisten, der ihnen zeigt, wie sie das Problem etwa der biologischen Pässe - die ich übrigens für sehr sinnvoll halte - lösen können. Die Sperren gegen Contador und jetzt auch Armstrong sind mutig und hoffentlich haben sie auch Bestand.»

Stichwort lückenlose Tests: Gibt es nach wie vor Möglichkeiten, als Doper die Kontrollen relativ leicht und unbehelligt zu umgehen?

Sörgel: «Ja, die gibt es natürlich. Man muss nur richtige Experten haben, und schon klappt das. Dabei geht es um optimales Absetzen und trotzdem leistungssteigernde Wirkung sowie neue Präparate. Glücklicherweise überschätzen sich manchmal auch Sportler oder haben "Amateure" im Umgang mit Dopingmitteln im Team - sozusagen die einzigen Amateure in diesem Profizirkus - und schon ist es passiert. Der Österreicher Bernhard Kohl etwa wurde 2008 auf das damals neue Epo-Präparat CERA positiv getestet. Er glaubte, man könne das noch nicht nachweisen, was eine ziemlich dumme Annahme war; einen Experten kann er da nicht gefragt haben. Auch Stefan Schumacher wurde positiv auf CERA getestet. Das waren tolle Erfolge der beteiligten Labore.»

Kann man heutzutage noch mit Epo dopen, ohne erwischt zu werden?

Sörgel: «Es gibt eine absolut sichere und hoch effektive Epo-Dopingmethode. Aber ich werde keine Silbe darüber verlieren, nicht die geringste Andeutung. Sie ist ungemein teuer, das können sich nur sehr reiche Sportler leisten. Dazu passt ja die Meldung, dass Armstrong 465 000 Euro an den italienische Arzt Michele Ferrari - "Mister Epo I" - überwiesen haben soll. Es ist eben alles eine Frage des Geldes.»

Lance Armstrong bestreitet Doping vehement. Sind jüngere Fahrer durch die vermehrten Anschuldigungen gegen den Amerikaner aufgeschreckt und deshalb vorsichtiger oder gar sauberer?

Sörgel: «Freilich wird mit Armstrong einer der alten Garde - ich nenne sie "Erstgeneration Epo" - abgelöst und vom Denkmal gestoßen, wenn ihm tatsächlich die Tour-Siege aberkannt werden. Aber der Übergang ist nahtlos. Es ist schon eine neue Generation da, die sich auf dem Wissen der alten aufbaut und die längst in gefährlichere Dimensionen vorgedrungen ist, Stichwort biotechnologisches Doping. Ich vermeide vorerst noch das Wort Gen-Doping, weil es das derzeit meines Erachtens nur als Scharlatanerie gibt.»

Wird sich also nichts ändern? Sportler scharen immer gewieftere Ärzte um sich und können den Doping-Jägern damit entkommen?

Sörgel: «Früher waren das ja fast ausschließlich Ärzte. Seit dem Skandal um den österreichischen Radfahrer Kohl wissen wir, dass auch Ungelernte das können, siehe dessen Manager Stefan Matschiner, "Mister Epo II". Das frustriert mich natürlich: Man studiert und lehrt medizinische Pharmakologie an der Universität, und dann kommt da ein Sportmanager mit ein paar Semestern Wirtschaftsstudium daher und dopt so, dass es die Labore nicht merken können.»

Tour-Homepage - französisch


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