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Rad-Profi Jan Ullrich wurde von seinem Team vorläufig suspendiert.
01.07.2006 14:25
Doping-Chaos hält Radsport-Welt in Atem

Straßburg (dpa) - Jan Ullrich und Rudy Pevenage brüten mit Anwalts-Hilfe über Verteidigungsstrategien, T-Mobile wartet auf Unterlagen der spanischen Polizei und die Öffentlichkeit ist geschockt: Der wahrscheinlich größte Doping-Skandal im Radsport hält die Sportwelt in Atem.

«Das Doping hat die Tour de France geköpft. Dem Radsport droht ein langsamer Tod», schrieb das spanische Blatt «Marca». Die italienische Zeitung «La Repubblica» verglich die Tour, die in Straßburg mit dem Prolog begann, mit einem «60 Kilometer schnellen Leichenzug».

Nachdem sich Ullrich in die Opfer-Rolle geflüchtet hatte und in die Schweiz zurückkehrte, warteten im sonnigen Straßburg auch viele deutsche Fans mit Pro-Ullrich-Spruchbändern auf den Start der Rumpf-Tour, zu der nur noch 176 Profis antraten.

Über Pevenage kursierten von der Guardia Civil dokumentierte SMS-Texte mit der Schlüssel-Figur der Affäre, dem Gynäkologen Eufemiano Fuentes. Datum der codierten Handy- Kommunikation zwischen dem Ullrich-Betreuer und Fuentes: Einen Tag vor dem Zeitfahren des Giro d'Italia, das der T-Mobile-Kapitän überraschend gewann. «Ich kann dazu erst etwas sagen, wenn ich die Polizei-Unterlagen vorliegen habe und dann gegebenenfalls einen Anwalt eingeschaltet habe. Ich habe mir nichts zu Schulden kommen lassen», sagte der nach Gent/Belgien zurückgekehrte Pevenage der dpa.

Ullrich hatte vor seiner Abreise zu seinem Wohnort am Vortag erneut seine Unschuld beteuert. «Ich bin in einem absoluten Schockzustand», sagte er, «das ist das Schlimmste, was mir bisher in meiner Karriere passiert ist.» Er sehe sich als Opfer und werde versuchen, seine Unschuld mit Hilfe eines Anwalts zu beweisen. «Ich kann nur sagen, dass ich nach wie vor nichts mit der Sache zu tun habe.»

Team-Verantwortliche hatten ihm «als eine Option» (Kommunikationsleiter Christian Frommert) nahe gelegt, seine Unschuld mit einer DNA-Analyse zu beweisen. Darauf hat Ullrich bisher nicht, beziehungsweise ausweichend reagiert. Die «L'Équipe» veröffentlichte eine von der Polizei sichergestellte Liste, in der vier Mal ein Zusammenhang zwischen dem Codenamen «Jan» mit manipulierten Blutkonserven und Wachstumshormonen hergestellt wurde.

Die Berufskollegen von Ullrich wirkten wenige Stunden vor dem Tourstart noch schwer getroffen. «Das ist schockierend. Aber damit der Radsport nach dem Skandal von 1998 jetzt wirklich eine Lehre daraus zieht, müssten sich vielleicht mal alle an einen Tisch setzen: Fahrer, Teamchefs, Organisatoren und Journalisten, um zu ergründen, wie es weiter gehen soll», regte Routinier Georg Totschnig vom Team Gerolsteiner an. Im Vorjahr gewann der Österreicher seine erste Tour- Etappe. Sein Teamchef Hans-Michael Holczer sprach von der «vielleicht letzten Chance des Radsports, daraus wirklich zu lernen».

«Abartig diese Blutpanscherei», meinte der Berliner Jens Voigt, dessen Kapitän Ivan Basso (Italien) unter schweren Verdachts-Momenten auch nach Hause geschickt worden war. Tour-Debütant Markus Fothen hat mit den neun ausgeschlossenen Fahrern «kein Mitleid, auch, wenn ich vor keinem Fahrer so viel Respekt wie vor Ullrich hatte». Selbst «als Insider im Profimetier» sei der 24-Jährige vom Team Gerolsteiner von den Ausmaßen der Affäre, dem «organisierten Verbrecher-Kartell» schockiert gewesen.

T-Mobile-Manager Olaf Ludwig, der auf «weitere Unterlagen aus Spanien» wartet, fürchtet nicht um die Existenz seines Rennstalls. Sponsor T-Mobile, der pro Saison bisher geschätzte 11 Millionen Euro dafür locker machte, hatte sich nach dem Ende der vergangenen Saison auf eine Verlängerung des Engagements bis mindestens 2008 festgelegt. «Ich schließe einen vorzeitigen Rückzug aus. T-Mobile steht weiter zum Team und zum Radsport», sagte der Ex-Profi, der positive Anzeichen dafür sieht, dass der Profiradsport doch noch Überlebenschancen hat: «Zum ersten Mal haben alle Beteiligten, Teamchefs, Sponsoren und Organisatoren eine klare Linie im Anti- Doping-Kampf bezogen.»


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