Valkenburg (dpa) - John Degenkolb erwartet ein Rennen «ums Überleben». Der 23-jährige Erfurter zählt - nicht zuletzt wegen seiner frischen fünf Etappensiege bei der Spanien-Rundfahrt - zum Favoritenkreis beim Elite-Rennen der Straßen-Weltmeisterschaft am Sonntag in Valkenburg.
«Die Form hat er, aber es wird schwer», sagte Rudi Altig, der 1966 als bisher letzter deutscher Profi-Weltmeister wurde. Die Veranstalter rechnen zum krönenden WM-Abschluss mit mehreren Hunderttausend Zuschauern.
Aufsteiger Degenkolb wird es auf dem beinharten 267-Kilometer-Kurs mit elf Anstiegen auf den gefürchteten Cauberg vor allem mit Philippe Gilbert, Tom Boonen, Simon Gerrans und den starken Spaniern um Oscar Freire und Alberto Contador zu tun bekommen. Aber auch die Italiener spielen mit in der WM-Lotterie. Für Titelverteidiger Mark Cavendish (Großbritannien) dürfte der Schlussanstieg zu heftig sein.
Letzter deutscher Sieger in einem identischen topographischen Finale war 2006 T-Mobile-Fahrer Matthias Kessler als Sieger der 3. Etappe der Tour de France in Valkenburg. Der noch immer an den Folgen eines schweren Unfalls leidende Nürnberger siegte vor sechs Jahren als Solist mit fünf Sekunden Vorsprung.
Ein ähnliches Szenario ist auch am Sonntag denkbar. Allerdings bräuchte ein Ausreißer dafür auf dem Gipfel des Caubergs laut Fabian Wegmann «mindestens 50 Meter Vorsprung». Bis ins Ziel sind es dann noch 1,8 Kilometer, die Zeitfahr-Weltmeister Tony Martin im Sekundenpoker gegen Taylor Phinney am Mittwoch beinahe noch zum Verhängnis geworden wären. Der dreifache deutsche Meister Wegmann war im April im Ziel des Amstel Gold Race auf dem Cauberg Siebter.
«Degenkolb ist unsere Option für den Sprint, Wegmann und Paul Martens sind weiteren Kandidaten», umschrieb der Berliner Teamchef Jan Schaffrath die Verteilung der Verantwortung an der Spitze des nur siebenköpfigen deutschen Teams. Degenkolb, der auf dem Weg in die Niederlande noch einen Sieg in Frankreich einfuhr, fühlt sich «supermotiviert» und stark genug, «das Rennen mit zu gestalten». Weiter will sich der Thüringer («Ich verliere ungern») nicht aus dem Fenster lehnen.
Die Favoritenbürde liegt auf den Schultern der Spanier, Belgier und traditionell der Italiener, die alles auf den angriffslustigen Sizilianer Vincenzo Nibali setzen. «Dass wir nicht zu den Topfavoriten zählen, kommt uns entgegen», meinte der Polizeimeister Degenkolb, der mit zwölf Siegen hinter André Greipel als zweitbester deutscher Profi dieser Saison geführt wird.
Greipel ist in Valkenburg ebenso wenig dabei wie Martin, der sich nach erfolgreicher Titelverteidigung, zu der auch Toursieger Bradley Wiggins via Twitter gratuliert hatte («Er ist ein großer Champion und wahrer Gentleman»), nach Hause verabschiedet hat. Der im WM-Zeitfahren fehlende Olympiasieger soll am Sonntag nach Mitteilung der Briten dabei sein. «Die Tour of Britain hatte Bradley zuletzt nach Magenbeschwerden aufgegeben. Mich hatte es auch erwischt, aber nicht so schlimm», sagte Wiggins-Teamkollege Christian Knees, der im Titelrennen mit Ausreißern mitgehen soll.