Mailand/Berlin (dpa) - Der lange Zeit schnellste Radprofi der Welt will für immer vom Rennrad steigen. Nach seinem mehrmaligen Rücktritt vom Rücktritt meint es Mario Cipollini diesmal offenbar ernst mit seiner Vollbremsung.
Am 29. April will der 38 Jahre alte Ex-Weltmeister in Mailand persönlich erklären, warum er elf Tage vor dem Giro d'Italia den Zeitpunkt des Abschiedes nun doch für gekommen hält. In Italien fasste «La Gazzetta dello Sport» die Reaktion auf die überraschende Ankündigung bestürzt in die simplen Worte: «Ein Schock!» Dann huldigte ihm das Blatt: «Er war der beliebteste Champion. Einer, der den Radsport verändert hat.»
In einer Pressemitteilung seines neuen Teams Liquigas-Bianchi hatte Cipollini wissen lassen: «Mein Rücktritt wenig mehr als eine Woche vor dem Giro ist mir schwer gefallen. Aber es ist eine ehrliche Entscheidung. Vielleicht ist es für einen Alten wie mich, der dem Radsport viel gegeben und von ihm viel bekommen hat, jetzt wichtiger, den richtigen Moment für den Abschied zu finden.» Schon im vorigen Oktober war der Schritt erwartet worden, doch stattdessen gab Cipollini auf einer Pressekonferenz den Wechsel zu seinem jetzigen Team bekannt, nachdem er bei Domina Vacanze ausrangiert worden war.
Mit 189 Siegen war Cipollini der erfolgreichste unter den aktiven Profis, mit dem 42. Tageserfolg beim Giro brach «Super-Mario» 2003 die legendäre Bestmarke von Alfredo Binda. Mit zwölf Etappensiegen ist er auch noch bester Italiener bei der Tour de France, die er allerdings nie beendete und zuletzt 1999 fahren durfte. Danach lud Tour-Chef Jean-Marie Leblanc den die Berge scheuenden Exzentriker und dessen Teams zunächst nicht mehr ein. Cipollini hatte im Juli 2002, vier Monate nach seinem Erfolg bei Mailand-San-Remo, deshalb sogar seinen Rücktritt verkündet. Einen Monat später fuhr er aber wieder und wurde ein Vierteljahr darauf im belgischen Zolder Weltmeister vor dem Australier Robbie McEwen und Erik Zabel aus Unna.
«Er ist der Sprinter der letzten Jahre schlechthin, der sportlich und visuell Akzente gesetzt hat. Er hinterlässt eine große Lücke», sagte T-Mobile-Teammanager Olaf Ludwig, einst selbst Kontrahent des Mannes mit den auffallenden Renntrikots, der schon mal im Zebra-Look die Konkurrenten stehen ließ. Doch Ludwig meint auch: «Er ist eine extrovertierte Persönlichkeit, der die Show liebte. Dass er sich auch sportlich auf höchstem Niveau bewegt, davor muss man den Hut ziehen.» Italiens Rad-Legende Francesco Moser urteilte: «Er wusste, wie er die Aufmerksamkeit auf sich lenken konnte und war ein Idol der Frauen.»
Der «König der Löwen» war zuletzt allerdings immer häufiger zu langsam für seinen einheimischen Rivalen Alessandro Petacchi. Bei der Lucca-Rundfahrt in seiner toskanischen Heimat bezwang Cipollini ihn zwar und feierte am 7. März damit seinen letzten Sieg. Doch Petacchi triumphierte kurz darauf bei Mailand-San-Remo, Cipollini blieb drei Tage vor seinem 38. Geburtstag nur der 36. Platz. «Das war ein Zeichen des Schicksals», meinte er rückblickend. Auch Petacchi zollte ihm den gebührenden Respekt: «Er hat mich groß gemacht. Meine Siege wurden wichtig, weil ich ihn geschlagen habe.»