Roubaix (dpa) - Zwei Belgier standen beim Frühjahrsklassiker Paris-Roubaix im Mittelpunkt. Olympiasieger Greg van Avermaet gewann erstmals das Rennen, Rekordsieger Tom Boonen beendete indes seine Karriere.
Bevor Boonen von der Radsport-Bühne verschwand, richtete er noch ein paar deutliche Worte in Richtung seines deutschen Kollegen John Degenkolb. «Ich wurde massiv von John beschattet. Für mich ist er das feigste Rennen seines Lebens gefahren, aber ich habe mich damit abgefunden», sagte der Ex-Weltmeister nach seinem letzten Profirennen beim Frühjahrsklassiker Paris-Roubaix.
Platz 13 war nicht gerade das Ergebnis, das sich der viermalige Roubaix-Sieger Boonen zu seinem Abschied vorgestellt hatte. Entsprechend hatte er auch keine Lust auf eine Ehrenrunde auf der Betonpiste im ehrwürdigen Velodrome. «Ich habe genug Ehrenrunden gedreht. Ehrenrunden sind für die Sieger», ergänzte Boonen, der nach 16 Profijahren mit 113 Siegen seine Karriere beendete.
Degenkolbs Sportdirektor Dirk Demol konnte die Kritik an seinem Kapitän nicht teilen. «Jeder hat im Rennen auf Tom Boonen geachtet», sagte der Belgier. Und der zehntplatzierte Degenkolb selbst betonte, dass ihm am Ende einfach die Kraft in den Beinen gefehlt habe, um noch an die Spitzengruppe um den belgischen Sieger Greg van Avermaet heranzufahren.
So durfte Belgien den nahtlosen Übergang von Boonen zu «GvA» feiern. «Nicht Tom, sondern Greg hat die belgische Radsport-Nation in ein Delirium bei Paris-Roubaix versetzt», schrieb das belgische Blatt «Het laatste Nieuws» und bejubelte den «Frühjahrskannibalen» van Avermaet.
Der Olympiasieger ist in der Tat der herausragende Mann des Frühjahrs. Es war bereits sein sechster Sieg in dieser Saison. Unter anderem hatte er zuvor die schweren Eintagesrennen Omloop Het Nieuwsblad, E3 Harelbeke und Gent-Wevelgem gewonnen. «Olympia bleibt mein größter Erfolg, aber ein Monument gewonnen zu haben, ist immer gut. Sonst wären weiter die Fragen gekommen», sagte der BMC-Kapitän nach seinem ersten Sieg bei der Kopfsteinpflaster-Tortur.
Lange Zeit galt van Avermaet als neuer Raymond Poulidor, als ein Mann der vergebenen Chancen. Spätestens mit seinem Triumph von Rio hat er dieses Phlegma aber abgelegt. «Früher bin ich ins Velodrome eingefahren und wollte ein gutes Ergebnis. Jetzt will ich gewinnen. Diese Kleinigkeit in der Denkweise macht am Ende den Unterschied», erklärte der 31-Jährige den Wandel.
Dazu kommt seine derzeit überragende Form. Denn kurz vor dem gefürchteten Wald von Arenberg hatte van Avermaet noch einen Defekt und musste anschließend eine Aufholjagd starten, um die Favoriten wieder einzuholen.
Als legitimer Nachfolger von Boonen sieht sich van Avermaet aber nicht. «Er hat über 100 Rennen gewonnen, ich erst 31. Ihn einzuholen, ist unmöglich. Jeder macht seine eigene Karriere. Ich bin auch ein anderer Fahrertyp, eher ein Kletterer als ein Sprinter», erklärte van Avermaet. Im nächsten Jahr will er dann auch endlich die Flandern-Rundfahrt gewinnen.
Beim Heimrennen hat Boonen indes schon dreimal triumphiert. Auf «Tommeke», wie ihn die Fans ein letztes Mal feierten, wartete in Roubaix nur noch eine Aufgabe. «Ich muss jetzt mein Auto suchen», sagte Boonen und verschwand inmitten des ganzen Chaos.