Rio de Janeiro (rad-net) - Mit zwei Medaillen, einmal Gold durch Kristina Vogel im Sprint, und einmal Bronze für Miriam Welte und Kristina Vogel im Teamsprint, beendet der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) heute die Olympischen Spiele in Rio. Die Athletinnen und Athleten des BDR zeigten gute Leistungen, aber nicht alle Erwartungen gingen in Erfüllung. Sportdirektor Patrick Moster zieht in unserem Interview Bilanz.
Sechs bis neun Medaillen wurden anvisiert, am Ende wurden es nur zwei. Entsprechend nüchtern fällt wohl Ihre Bilanz aus.
Moster: Wir wussten, dass wir uns sehr ambitionierte Ziele gesteckt hatten. In der Abrechnung der Medaillen sind wir dahinter zurückgeblieben. Gleichzeitig haben wir aber mit unseren Ergebnissen bewiesen, dass wir in fast allen Bereichen Spitzenleistungen gezeigt haben, vor allem auf der Bahn. Sieht man von dem Ausdauerbereich der Frauen einmal ab - und dort waren unsere Erwartungen von vorn herein niedrig - konnten wir überall Platzierungen von eins bis sechs erzielen.
Hat die geringere Medaillenausbeute nun Auswirkungen auf die Förderung durch den Bund?
Wir werden nach den Spielen alle Ergebnisse genau analysieren und sicherlich in der ein oder anderen Disziplin korrigieren müssen. Aber wir haben überall Potential bewiesen, und darauf baut die Sportförderung auf. Unsere Zielstellung wurde formuliert, bevor wir die Straßenkurs näher kannten. Das alles muss man berücksichtigen. Wir stehen nach Rio, wo wir uns auch vor den Spielen gesehen haben: Im Kreis der Weltspitze.
Auf der Straße hat man von vorn herein nicht mit Medaillen gerechnet, aber im Zeitfahren doch auf bessere Resultaten gehofft.
Tony Martin hat nach der Streckenbesichtigung vor einem Jahr bereits gesagt, dass es schwer wird, in die Medaillenränge zu fahren. Er konnte dann leider seine eigenen Erwartungen nicht erfüllen, dafür ist Simon Geschke ein überragendes Zeitfahren gefahren.
Die Sprinter sind von jeher einer sichere Bank des BDR. In London gab es einen kompletten Medaillensatz, in Rio Gold und Bronze. Von den Weltmeisterschaften in London kehrte der BDR mit acht Medaillen nach Hause. Wie bewerten Sie die Resultate von Rio?
Auf der Bahn muss man sich immer direkt mit dem Gegner auseinandersetzen. Das ist eine Komponente, die nicht planbar ist. Manchmal braucht es auch Glück, um eine Medaille zu gewinnen. Ich erinnere da an das Gold von Welte/Vogel vor vier Jahren in London. Und manchmal ist es eben sehr knapp und geht an einer Medaille vorbei. Wenn dann solche Dinge passieren wie im Teamsprint der Männer, dann wird es eng. Wir haben vor zwei Jahren noch mit Stefan Bötticher im Teamsprint geplant, dann fiel er gesundheitsbedingt aus und Max Niederlag sprang ein. Dass er kurz vor Beginn des Wettkampfes ausfiel, war großes Pech und so etwas kann keine Nation der Welt kompensieren. Im Omnium hat Roger Kluge auf seine Härte im Punktefahren gesetzt. Als dann das Rennen neutralisiert wurde, konnten seine Gegner wieder Luft holen und er hat es nicht in die Medaillenränge geschafft. Dies alles muss man berücksichtigen, wenn man die Ergebnisse bewertet.
Der deutsche Vierer hat einen großen Sprung gemacht und mit dem fünften Platz seinen Aufwärtstrend bestätigt.
Wenn man zu den besten fünf Mannschaften der Welt gehört, ist das nicht schlecht. Dieser junge Vierer lässt für die Zukunft hoffen. Das Ergebnis zeigt auch, dass unsere Strukturen im Radsport stimmen und uns dazu befähigen, Spitzenleistungen zu erreichen.
Sprinttrainer Detlef Uibel hat aber genau dieses System der Dezentralisierung kritisiert.
Dass wir in Rio nicht die Ergebnisse erzielt haben wie erhofft, liegt nicht an den strukturellen Voraussetzungen. Detlef Uibel hat mit seinen Sportlern Gold und Bronze geholt. Das ist natürlich großartig. Aber es muss auch darüber nachgedacht werden, wo in der unmittelbare Wettkampfvorbereitung Reserven liegen. Hier müssen wir unsere Hausaufgaben machen. Strukturelle Veränderungen zu fordern ist kurzfristig gedacht. Vielmehr muss man hinterfragen, warum es uns gelingt zu Weltmeisterschaften regelmäßig Top-Leistungen zu zeigen, in Rio aber nicht mehr.
Eine Enttäuschung war sicherlich der neunte und letzte Platz in der Qualifikation der Mannschaftsverfolgung der Frauen.
Diese Mannschaft hat mit der Qualifikation für die Olympischen Spiele schon mehr erreicht, als wir uns vor vier Jahren noch vorstellen konnten und sie gehören zu den besten neun Mannschaften der Welt. Natürlich haben wir auf eine bessere Platzierung gehofft, aber alles unter Platz acht wäre eine positive Überraschung gewesen. Die blieb aus. Es gibt im BDR schon länger Überlegungen, wie wir diesen Bereich besser fördern können. Es muss uns gelingen, ähnlich wie im Männerbereich, ein verbandsnahes Team aufzubauen. Das ist die Grundvoraussetzung für eine Leistungsentwicklung. Wenn wir vorankommen wollen, müssen wir dafür Gelder bereitstellen. Bundestrainer André Korff ist mit der Doppelbelastung Straße und Bahn auch sehr gefordert. Daher müssen langfristig Personallösungen gefunden und Korff durch Ergänzungen entlastet werden. Ich erwarte aber auch, dass Stützpunkte wie Cottbus besser Talente sichten und fördern.
Miriam Welte und Kristina Vogel haben das Nachwuchsproblem im Radsport angesprochen und mehr Maßnahmen gefordert.
Das betrifft alle Sportarten und muss in den kommenden Jahren unser primäres Ziel sein, um die Zukunft des Leistungssports zu sichern. Einige Nachwuchsprojekte in unserem Verband laufen bereits. Punktuell konnten wir im BDR schon einige Erfolge verbuchen. Wir haben beispielsweise mit Pauline Grabosch und Emma Hinze, die schon als Ersatzfahrerin mit nach Rio reisen durfte, bereits junge Fahrerinnen bereitstehen, die in die Fußstapfen von Welte und Vogel treten werden.
Waren Sie zufrieden mit dem Auftritt der BMX-Sportler?
Ja. Sie haben das Halbfinale erreicht und damit das gezeigt, was man von ihnen erwartet hatte. Der Einzug ins Finale wäre schon eine große Überraschung gewesen. Bedauerlicherweise hat sich Luis Brethauer im letzten Lauf des Halbfinales schwer verletzt. Das war großes Pech.
Sabine Spitz konnte aufgrund ihrer Sturzverletzung nur mit halber Kraft im Mountainbikerennen antreten.
Sabine hatte großes Pech, dass sie im Training in Kanada stürzte und sich ihr Knie schwer entzündete und sie sogar operiert werden musste. Trotzdem ist sie gestartet, was für ihre vorbildhafte Einstellung zum Leistungssport spricht. Und sie ist sogar durchgefahren. Dafür verdient sie großen Respekt. Um eine Medaille konnte sie leider nach der Vorgeschichte nicht mehr mitfahren. Olympiadebütantin Helen Grobert hat sich tapfer geschlagen und einen guten zwölften Platz belegt.