Pruszkow (dpa) - Auf die fast schon sicheren Medaillen von Kristina Vogel können die deutschen Bahnrad-Asse nicht mehr zählen, auf ihre moralische Unterstützung schon.
«Ich bin froh, dass ich da sein und aus nächster Nähe anfeuern kann. Ich bin immer noch dabei, diesmal halt als Fan-Girl und Groupie am Rande der Bahn», sagte die langjährige Sieggarantin der Deutschen Presse-Agentur vor der am Mittwoch beginnenden Bahnrad-WM im polnischen Pruszkow. Trotz ihres tragischen Trainingsunfalls vor sieben Monaten in Cottbus ist der Bahnradsport für die seitdem querschnittsgelähmte Doppel-Olympiasiegerin weiterhin eine Herzensangelegenheit.
Nicht nur als Fan, sondern auch als Co-Kommentatorin im TV-Kanal des Radsport-Weltverbandes UCI sowie als Athletensprecherin wird Vogel bei der WM allgegenwärtig sein. Ihr Fehlen als Sportlerin ist für den Bund Deutscher Radfahrer aber nicht zu kompensieren. «Sie war nicht nur das sportliche Aushängeschild, sondern hatte auch Führungsqualitäten innerhalb der Mannschaft», betonte BDR-Sportdirektor Patrick Moster und fügte hinzu: «Kristina kann man nicht ersetzen, das muss man ganz klar festhalten - weder sportlich, noch menschlich. Es ist schön zu wissen, dass sie da ist und die Mannschaft unterstützt - das pusht alle Beteiligten.»
Doch nicht nur die erste WM ohne Rekord-Weltmeisterin Vogel seit langem macht den BDR-Auftritt der 24 deutschen Sportler (9 Frauen/15 Männer) in Polen zu einer schwierigen Mission. Die WM ist der Abschluss der ersten Hälfte der Olympia-Qualifikation. «Danach wissen wir, wo wir uns im Ranking wiederfinden und wo wie im Hinblick auf Tokio noch nachjustieren müssen», sagte Moster. Im Vorjahr im niederländischen Apeldoorn belegte der BDR mit vier Gold- und zwei Bronzemedaillen Platz zwei in der Nationenwertung. In diesem Jahr gibt sich der Sportdirektor demütiger und sagt: «Medaillen sind erst einmal sekundär. Wichtig ist, dass wir unsere Olympia-Startplätze festigen.» Vor allem der deutsche Vierer hat da noch Nachholbedarf.
Gleich zu Beginn der Titelkämpfe am Mittwoch stehen die deutschen Sprinter im Fokus. Miriam Welte (32), Emma Hinze, Pauline Grabosch (beide 21) und die erst 19-jährige WM-Debütantin Lea-Sophie Friedrich stehen bei den Frauen vor der schwierigen Aufgabe, das schwere Erbe Vogels anzutreten. Vor allem auf Welte, die mit Vogel unter anderem vier WM-Titel und 2012 in London olympisches Gold gewann, ruhen in Pruszkow die deutschen Hoffnungen. Da ist die Pfälzerin froh, dass ihre langjährige Erfolgspartnerin Vogel in Polen vor Ort sein wird. «Es ist gut, dass sie da ist. Das gibt uns sicher noch zusätzliche Unterstützung und Kraft. Ich glaube schon, dass wir alle dadurch noch einmal einen extra Motivationsschub bekommen und ein paar Prozent mehr rausholen können», betonte Welte vor ihrer 14. WM-Teilnahme.
Doch wie auch Moster rechnet sich Welte trotzdem etwas aus. «Wir wollen keinen Druck aufbauen. Aber wenn wir realistisch sind, ist ein Top-5-Platz auf alle Fälle machbar. Man hat bei den Weltcups gesehen, dass wir gute Platzierungen herausfahren können», sagte Welte.
Bei den deutschen Männern, bei denen der viermalige Weltmeister Maximilian Levy auf einen Start verzichtet, geht es vor allem darum, den für Tokio nötigen achten Platz in der Nationenwertung zu verteidigen. «Wir müssen zurzeit kleine Brötchen backen», sagte Bundestrainer Detlef Uibel. Der Unterstützung von «Fan-Girl» Vogel kann er sich aber sicher sein.