Berlin/Augsburg (rad-net) - Der Sportausschuss des Deutschen Bundestages wird sich am heutigen Mittwoch erneut mit dem Anti-Doping-Gesetz befassen, nachdem die Rechtswissenchaftler Prof. Dr. Michael Kubiciel (Universität Augsburg) und Prof. Dr. Elisa Hoven (Universität Leipzig) die Anwendung des geltenden Anti-Doping-Gesetzes in der Praxis evaluiert haben.
Die Sachverständigen empfehlen unter anderem, die Beschränkung des Täterkreises über den Leistungssport hinaus auszudehnen. Zudem fordern sie eine gezieltere Kronzeugenregelung, um Hintermänner und Helfer besser überführen zu können. Außerdem raten die Prüfer, die Athletinnen und Athleten stärker als bislang über die Hinweisgebersysteme der Nationalen (NADA) und der Welt-Anti-Doping Agentur (WADA) und deren Funktionsweise zu informieren. Hier seien die Sportverbände in der Pflicht. Den Ländern wird die Einrichtung von weiteren Schwerpunktstaatsanwaltschaften empfohlen.
Das Anti-Doping-Gesetz, das vor fünf Jahren in Kraft getreten ist, adressiert nicht nur diejenigen, die Dopingmittel erwerben, besitzen oder damit Handel treiben. Es sieht auch Strafen für Sportler vor, die Dopingmitteln einnehmen oder gedopt an Wettkämpfen teilnehmen. Damit sollen die Gesundheit der Sportlerinnen und Sportler geschützt und die Fairness und Chancengleichheit bei Sportwettbewerben gesichert werden.
Im Anti-Doping Gesetz wurde auch der Aspekt des Selbstdopings als illegaler Tatbestand mit aufgenommen. Aus diesem Grund entzündete sich während des Gesetzgebungsverfahrens die Kritik von Sportlern, Sportverbänden und aus Teilen der Rechtswissenschaft. Athleten befürchteten, dass sie unberechtigterweise, etwa durch Manipulationen ihrer Konkurrenten, zum Gegenstand von Ermittlungen werden. Rechtswissenschaftler monierten, es sei nicht Aufgabe des Staates, die Einhaltung von Sportregeln zu sichern und die Sportler vor selbstschädigenden Handlungen zu schützen. Das veranlasste den Gesetzgeber, die Wirkungen des Gesetzes durch eine Evaluationsstudie zu überprüfen.
Konkret ging es dabei um die Auswirkungen der im Anti-Doping-Gesetz enthaltenen straf- und strafverfahrensrechtlichen Regelungen. Grundlage waren Daten der polizeilichen Kriminalstatistik sowie der Strafverfolgungsstatistik und staatsanwaltliche Ermittlungsakten. Hinzu kamen Erkenntnisse von Schwerpunktstaatsanwaltschaften und Schwerpunktgerichten, den Athletenvertretungen, der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA), dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und der Zollverwaltung.
Die Auswertung sämtlicher Akten zu Verfahren, die deutsche Staatsanwaltschaften wegen des Verdachts des Selbstdoping geführt haben, zeige, dass der Großteil der Ermittlungsverfahren eingestellt wird. «Nur drei Sportler haben in den letzten Jahren wegen Selbstdopings einen Strafbefehl erhalten, die Verurteilung des Berufsboxers Felix Sturm durch das Landgericht Köln zu Anfang des Jahres ist die bislang einzige», erklärte Kubiciel. Als Grund dafür sehe er das Fehlen von Whistleblowern im Sport, «daher wäre über eine Ausweitung der Kronzeugenregelung nachzudenken». Selbstdoping falle zudem in der Regel nur durch positive Trainings- und Wettkampfproben auf. Diese reichten aber für den Tatnachweis und eine Bestrafung nicht aus, da das Gesetz weitere Strafbarkeitsvoraussetzungen habe, deren Nachweis den Staatsanwaltschaften schwerfalle. Kubiciel und Hoven schlagen daher vor, den Straftatbestand zu überarbeiten, um das Gesetz stärker auf die Bekämpfung des Selbstdopings im Wettkampfsport auszurichten.
Dass das Gesetz den Besitz von Dopingmittel kriminalisiere, diene - so Kubiciel - nicht der Integrität sportlicher Wettkämpfe. Vielmehr begründe der Gesetzgeber die Besitzstrafbarkeit mit der Vermutung, dass Personen, die Dopingmittel besitzen, diese auch an andere weitergeben oder damit Handel treiben. «Das mag vorkommen, jedoch haben uns viele Experten gesagt, dass die aufgefundenen Mengen oft so gering seien, dass kaum davon ausgegangenen werden könne, dass der Beschuldigte mit diesen Handel treibe oder sie weitergebe.» Auch an dieser Stelle schlägt Kubiciel eine Feinjustierung des Gesetzes vor: «Strafrechtliche Ermittlungen und Sanktionen sind zur Sicherung zentraler Werte und Normen des Sports wichtig, sie sind aber auch aufwändig und teuer. Daher halten wir es für sinnvoll, das Anti-Doping-Gesetz stärker auf strafwürdige Fälle von Doping im Wettkampfsport zu fokussieren.»
Als Tagesordnungspunkt steht zudem ein Gespräch mit dem Präsidenten der WADA, Craig Reedie, auf dem Programm.