Riva del Garda (dpa) - Am auch im Januar herrlich sonnigen Gardasee kann sich Emanuel Buchmann schon mal für sein Jahreshighlight 2021 warmstrampeln. Statt den nächsten Angriff auf das begehrte Gelbe Trikot bei der Tour de France starten zu können, ist Buchmann bei seinem Rennstall Bora-hansgrohe in diesem Jahr als Kapitän für den Giro d'Italia eingeplant.
Bei seiner Premiere bei der dreiwöchigen Italien-Rundfahrt will Buchmann nicht nur mitfahren, sondern nach einem schwierigen Corona-Jahr 2020 auch wieder um große Erfolge kämpfen. «Prinzipiell ist erstmal ein Podestplatz das Ziel. Das wird beim Giro natürlich auch nicht viel leichter», kündigte Buchmann an.
Die erstaunliche Radsport-Rochade der Bora-Verantwortlichen um Teamchef Ralph Denk und den Sportlichen Leiter Enrico Poitschke kommt durchaus überraschend. Buchmann hat mit seinem vierten Gesamtrang 2019 nicht nur Träume vom ersten deutschen Tour-Triumph seit Jan Ullrich geweckt, sondern auch eindrucksvoll bewiesen, wie gut ihm die Frankreich-Rundfahrt mit ihrer Charakteristik im Hochsommer liegt.
«Emanuel ist Vierter bei der Tour de France geworden. Das hat Wilco Kelderman noch nicht geschafft. Deshalb bekommt er die alleinige Kapitänsrolle beim Giro», begründete Denk die Entscheidung. Der niederländische Neuzugang Kelderman, der bei Giro (Dritter und Siebter) und Vuelta (Vierter, Siebter, Zehnter) schon stark gefahren ist, soll stattdessen das Aufgebot von Bora-hansgrohe in Frankreich anführen.
«Wilco hat bewiesen, dass er Zeitfahren kann. Zeitfahren ist immer ein Schlüsselfaktor», sagte Denk. Bei der Tour 2021 steht gleich zweimal der Kampf gegen die Uhr auf dem Programm, was nicht zu Buchmanns großen Stärken gehört. Der Giro-Etappenplan hingegen ist bislang noch nicht veröffentlicht.
Auf seiner Route zum großen Karriereziel «Gesamtpodium bei der Tour» muss der 28 Jahre alte Buchmann nun also einen Umweg nehmen. «Der Plan ist, dass ich mich auf den Giro konzentriere. Bei der Tour-Strecke haben wir entschieden, dass die Tour nicht wirklich für mich gemacht ist», begründete Buchmann; er sprach gewohnt nüchtern. Sein Tour-Ziel bleibe bestehen, er kann es nur frühestens 2022 wieder aktiv verfolgen.
Die Frage, wer bei der Tour in die Kapitänsrolle schlüpft, ist teamintern traditionell mit sehr viel Prestige verbunden. Wegen des hohen Werbewerts und der gigantischen TV-Präsenz gilt die Rundfahrt mit Ziel in Paris als wichtigstes Rennen der Welt. Dass Leichtgewicht Buchmann 2021 diese Chance nicht bekommt, obwohl er in Alpen und Pyrenäen schon mit den Besten der Welt mithalten konnte, ist definitiv ein Rückschlag. «Wir sind auf Emanuel zugegangen. Er sieht es ähnlich wie wir, dass es dieses Jahr nicht sinnvoll ist, bei der Tour zu starten», sagte der Sportliche Leiter Poitschke.
In Titelverteidiger Tadej Pogacar, dem 2019er-Sieger Egan Bernal und Ex-Skispringer Primoz Roglic gäbe es zwar jede Menge Widersacher, die auch den Gesamtsieg in Frankreich anpeilen. Buchmann bewies aber auch 2020 beim Critérium du Dauphiné extreme Tempohärte im Hochgebirge, bis er nach einem Sturz vorzeitig aussteigen musste.
Die Rückenschmerzen plagten ihn bei der folgenden Tour so sehr, dass er nicht über Rang 38 im Gesamtklassement hinauskam. Die Zeit sei «nicht so einfach» und «nicht so schön» gewesen, berichtete Buchmann nun in einer Medienrunde aus dem Trainingscamp am Gardasee. Inzwischen sei er immerhin wieder schmerzfrei und könne problemlos für das neue Radsport-Jahr trainieren.