Frankfurterinnen
nicht zu bremsen (30.3.2002)
Dass der
Titelverteidiger der FIAT-Radbundesliga der Frauen, das Team RED BULL
Stadtwerke Frankfurt/Oder, nach den ersten beiden Prüfungen in Berlin so klar
in der Teamwertung führen würde, hatte vor Beginn der diesjährigen
Rennserie niemand erwartet. Nachdem am Karfreitag beinahe erwartungsgemäß
die Profi-Asse Hanka Kupfernagel (Equipe Nürnberger) und die Deutsche Straßenmeisterin
Petra Roßner (RG Euregio Egrensis) den Sieg unter sich ausgemacht hatten,
aber die mannschaftliche Geschlossenheit für die Oderstädterinnen gesprochen
hatte, sorgten diese beim zweiten Berliner Rennen Rund um den Schäferberg
sogar für die Tagessiegerin: die 21jährige Angela Brodtka verwies im Spurt
die Favoritin Hanka Kupfernagel sowie die Arnstädterin Theresa Senff (Euregio
Egrensis) auf die Plätze. Dieses Trio hatte sich zwei Runden vor Schluß noch
aus der entscheidenden Führungsgruppe des Tages empfohlen.
Da im Sprint der
Verfolgerinnen erneut die RED BULL-Trikots im Vordergrund leuchteten, als
Christina Becker (4.) vor Tanja Hennes (Equipe Nürnberger) und Anke Wichmann
(6.) über die Linie schoß, war die Freude über den erneuten Mannschaftssieg
bei den Schützlingen von Michael Schelske groß. Der kreierte im Überschwang
des Glücks zum Ausgang des zweiten Rennens wohl auch den Spruch des Tages:
„Wer mit Brodtka ankommt, hat verloren!“
In der
Gesamtwertung der FIAT-Radbundesliga der Frauen führt nach den ersten beiden
Wettbewerben dennoch die fünfmalige Gesamtsiegerin Hanka Kupfernagel mit 390
Punkten vor Angela Brodtka (324) und Christina Becker (305), während in der
Mannschaftswertung das Frankfurter RED BULL-Team mit 60 Punkten vor den
punktgleichen Mannschaften Equipe Nürnberger und Euregio Egrensis (je 46) in
Front liegt.
Bei dem wiederum
unter idealen Frühlingsbedingungen vom rührigen Team des RC Charlottenburg
mit Gesamtleiter Hein-Detlef Ewald organisierten zweiten Bundesliga-Wettbewerb
in Berlin waren beim idyllisch am Wannsee gelegenen Rund um den Schäferberg
insgesamt 72 Starterinnen ins Rennen gegangen. Im Großen Golden Future-Preis
der Hamburg Mannheimer Versicherungsgruppe zeigte sich schnell, dass die
Strapazen des Vortages ihre Spuren hinterlassen hatten. Denn nach dem
Einrollen auf dem recht welligen 7,1-km-Rundkurs gab es im großen Pulk kaum
Gegenwehr, als sich nach rund 30 Kilometern eine Gruppe mit acht Fahrerinnen
aus dem Staube machte. Zur Freude von Bundestrainer Jochen Dornbusch waren
seine junge Nationalfahrerinnen, mit denen er im Frühjahr in den
Trainingslagern weilte, dabei sehr aktiv. Angela Brodtka, Anke Wichmann und
Katja Polzin brachten mit ihrer Angriffstaktik hier schon ihr Frankfurter Team
in Front, denn sie hatten gegenüber den Thüringerinnen von der RG Euregio
Egrensis mit Theresa Senff und Madeleine Sandig sowie auch der Equipe Nürnberger
mit Tanja Hennes und Birgit Söllner ein personelles Plus für die
Mannschaftswertung herausgeholt. Die Nürnberger Schützlinge von Jens Zemke
waren zwar auch zu dritt, aber die Australierin Margaret Hemsley, deren
Meistertrikot ebenfalls in Front leuchtete, kam ja für die Teamwertung nicht
in Frage.
Dies war aber das
Signal für die Nürnbergerinnen, im Feld für Tempo zu sorgen. Kerstin
Scheitle machte sich auf den Weg nach vorn und fand mit der spurtstarken
Christina Becker eine starke Begleiterin. Dies ließ auch Hanka Kupfernagel
nicht ruhen, die wie die Deutsche Meisterin Petra Roßner noch bis zur
Halbzeit des Rennens im Feld gefahren war. Als Hanka zur Verfolgung ansetzte,
machte sie innerhalb weniger Kilometer 40 Sekunden gut, brachte aber mit
Bettina Schöke (Frankfurt) und Tina Liebig (Euregio) auch wieder Verstärkung
für die beiden anderen starken Teams mit nach vorn.
Der Vorsprung der
nunmehr auf 13 Ausreisserinnen angewachsenen Spitzengruppe wuchs unaufhörlich,
so dass nur aus diesem Kreis die Antwort auf die Frage nach der Tagessiegerin
gestellt werden konnte. Rund 12 Kilometer vor Schluß des um eine Runde auf
68,5 Kilometer reduzierten Rennens setzte wiederum Hanka Kupfernagel die
entscheidenden Akzente, als sie attackierte und mit den Youngstern Angela
Brodtka und Theresa Senff wegkam. Ihr schnell auf fast eine Minute
angewachsener Vorsprung reichte, um die letzte halbe Runde auch an taktische
Varianten für den Sieg zu denken. Angela Brodtka, die bei den
Europameisterschaften des vergangenen Jahres die Silbermedaille gewann,
schilderte den Ausgang des Rennens so: „Für Theresa war wichtig, dass wir
vornbleiben, also machte sie das Tempo. Und Hanka war immer hinter mir. Ich
wartete auf der langen Zielgeraden natürlich auf ihren Angriff, aber als der
nicht kam, musste ich 200 Meter vor dem Ziel eben selbst antreten...“
Strahlend quittierte sie dann über die Glückwünsche, denn gegen ihren Spurt
war auch Hanka Kupfernagel machtlos und musste sich mit dem Ehrenplatz begnügen,
während Theresa Senff sich neben ihrem hervorragenden dritten Rang auch über
den Sonderpreis als beste Nachwuchsfahrerin freuen konnte.
Mit sehenswertem
Power – der nicht aus der Red Bull-Flasche, sondern auf der gleichnamigen
Radmarke entfacht wurde – setzte sich Blondschopf Christina Becker wieder
wie am Vortag im Endspurt aus der großen Verfolgergruppe durch. Immerhin
besiegte sie dabei die schnelle Tanja Hennes und ihre als Bahnfahrerin
versierte Teamkameradin Anke Wichmann und machte damit den Mannschaftssieg für
Frankfurt/Oder perfekt. Bei den Verfolgerinnen hatte nur Birgit Söllner (Nürnberg)
noch Boden eingebüßt, kam aber lange vor dem großen Feld, das Vera Hohlfeld
mit 7:16 Minuten Rückstand auf die Tagessiegerin anführte, ins Ziel. Die
Deutsche Meisterin und Weltcup-Spitzenreiterin Petra Roßner, die am Vortag
noch so bravorös mitgefightet hatte, vermisste man diesmal im Ziel. Die
Leipzigerin im Egrensis-Team schied wegen Sitzbeschwerden vorzeitig aus, hatte
sich aber zuvor uneigennützig in den Dienst ihrer Mannschaft gestellt und
Nicole Bilke nach deren Defekt wieder an das Feld herangefahren.
Die Oderstädterinnen, die im Vorjahr an gleicher Stelle mit dem Sieg von
Trixi Worrack den Grundstein für ihren Bundesliga-Gesamterfolg gelegt hatten,
konnten beim Auftakt 2002 sogar auf ihr Top-Girl, das einen besonderen
Trainingsaufbau für die Jahrehöhepunkte verfolgt, verzichten, aber dennoch
deutlicher als erwartet in Front ziehen.
Für die Besten
stehen es in den nächsten Wochen vor allem internationale Prüfungen auf dem
Programm. Im Rahmen der FIAT-Radbundesliga trifft man sich erst Ende Mai zur
Doppelveranstaltung im bayerischen Karbach wieder. Und bis dahin überlegen
sich alle Kontrahentinnen eine gute Antwort auf den Spruch: „Wer mit Brodtka
ankommt, hat verloren....“