Bundestrainer
Peter Weibel will Cross-Sport wieder nach vorne bringen
Frankfurt/Main
(rad-press) Knapp ein Vierteljahr ist es her, dass die Straßen-Bundestrainer
Peter Weibel (Plankstadt/U23) und Patrick Moster (Offenbach-Quaich/Junioren)
das verwaiste Amt des Querfeldein-Bundestrainers übernommen haben.
Querfeldein, einstmals auch eine deutsche Hochburg, hatte in den letzten
Jahren immer mehr an Renomée verloren. Einziger Lichtblick bei der WM 2000 in
den Niederlanden war der Titelgewinn von Hanka Kupfernagel bei der Premiere
der Frauen in dieser Radsport-Disziplin.
In
dieser Woche starten Weibel und Moster mit 14 Fahrern und Fahrerinnen zu den
Weltmeisterschaften, die am 3./4. Februar in der tschechischen
Querfeldein-Hochburg Tabor, rund 90 Kilometer von Prag entfernt, ausgetragen
werden. „Der Job macht Spaß, und so langsam sehen wir auch erste Erfolge.
Wenngleich es im Männerbereich sicher noch nicht für vordere Platzierungen
bei der WM reichen wird, ist doch in einigen Jahren damit zu rechnen, dass
wieder deutsche Fahrer in der Weltspitze mitfahren können. Unser Konzept ist
mittel- bis langfristig ausgelegt. Das heißt, wir setzen vor allem auf die Förderung
des Nachwuchses, versuchen dort die entsprechenden Grundlagen zu schaffen“,
ist Weibel im Hinblick auf die Zukunft nach den ersten vier Monaten in diesem
Amt verhalten optimistisch.
Obwohl
schon in den ersten Monaten eine Leistungssteigerung zu erkennen war, sind
nach wie vor Defizite vorhanden, die der Bundestrainer klar erkannt hat: „Früher
gingen die Straßenfahrer zur Überbrückung der Wintermonate ins Gelände.
Heute ist dies aber aufgrund des immer stärker expandierenden Terminkalenders
und der gestiegenen Belastung nicht mehr möglich. Querfeldein ist nicht länger
eine Disziplin, die man so eben mal ‚mitnimmt‘, sondern hat sich zu einer
eigenständigen Sportart entwickelt, die eines spezifischen Trainingsaufbaus
bedarf“, ist nach Meinung des Bundestrainers heute der
„Cross-Spezialist“ und nicht mehr der „Allrounder“ in diesem Geschäft
gefragt. „Man sieht es ganz deutlich bei den Belgiern und Niederländern.
Dort wird systematisch und disziplinspezifisch trainiert. Unsere Fahrer sind
zwar fahrtechnisch nicht so schlecht, allerdings fehlt ihnen vor allem die
Grundlagenausdauer, und auch die Laufschule kann noch verbessert werden.
Gerade daran haben wir in den letzten Monaten und werden auch in Zukunft
weiterarbeiten. Der Trainingsaufbau muss komplett geändert werden“, will
der Bundestrainer künftig über das gesamte Jahr Cross-Lehrgänge anbieten.
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Frauen:
Hanka Kupfernagel auf Medaillen-Kurs / Konkurrenz - die große Unbekannte
Die
größten Chancen im BDR-Team rechnet Bundestrainer Peter Weibel Hanka
Kupfernagel aus, die in allen Saisonrennen und vor allem bei der Vergabe des
ersten Deutschen Meistertitels bei den Frauen mit einer wahren
"One-Woman-Show" überzeugte. „Hanka kann ihren Titel verteidigen.
Die technisch anspruchsvolle Strecke dürfte ihr entgegenkommen. Allerdings
bleibt abzuwarten, welche anderen Fahrerinnen an den Start gehen.“
Bei
den Meisterschaften lag die 26-jährige Allrounderin, die in allen
Radsport-Disziplinen zu Hause ist, vom Start weg in Front und sicherte sich
den Titel am Ende mit fast vier Minuten Vorsprung vor der Konkurrenz. Die
amtierende Cross-Weltmeisterin, übrigens die erste in der Geschichte des
Radsport-Weltverbandes UCI, hat sich auch für die WM in Tabor viel
vorgenommen. Eine Titelverteidigung liegt im Bereich des möglichen, dennoch
weist die Berlinerin voreilige Spekulanten, die sie schon jetzt ganz oben auf
dem Treppchen sehen, in die Schranken. „Die größte Unbekannte ist, dass
bei den vorherigen Rennen nie alle starken Fahrerinnen dabei waren. Ich weiß
zum Beispiel nicht, wie gut die Fahrerinnen aus den USA oder Frankreich drauf
sind. Die WM wird der erste und wahrscheinlich einzige Wettkampf sein, bei dem
die Weltelite komplett vertreten ist.“
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Elite:
Leistungsanstieg erkennbar / Dominanz der Belgier und Niederländer
In
der Elite-Klasse gewann Tobias Nestle (RC Schwalbe München) in Wadern seinen
ersten Meistertitel im Cross vor dem Vorjahres-Zweiten Ralph Berner
(Frankfurt/Main). Der 25-jährige Ludwigsburger, zur Zeit bester deutscher
Cross-Elite-Fahrer, empfahl sich für die WM mit einem beachtlichen achten
Platz beim international besetzten Rennen in Magstadt. „Bis zur
internationalen Spitze ist noch ein weiter Weg“, aber für Bundestrainer
Peter Weibel gehört der Student für Sportmanagement zu den hoffnungsvollsten
deutschen Fahrern. Der 25-Jährige, der sich künftig auf Cross konzentrieren
will, bewies seine gegenwärtige Top-Form in dieser Saison schon einige Male,
erzielte neben einem Sieg und guten Platzierungen in den USA einen
ansprechenden 26. Platz beim Weltcuprennen im tschechischen Tabor. Trotz der
in Wadern gezeigten Leistungen wären Platzierungen der deutschen Elitefahrer
unter den ersten 20 bei den Weltmeisterschaften überraschend. "Wenn
Tobias bei der WM eine ähnliche Platzierung wie in Tabor wieder erreicht,
sind wir mehr als zufrieden", beurteilt Weibel Nestles Chancen.
„Die
Belgier bilden gegenwärtig die stärkste Mannschaft, während die Niederländer
eher hervorragende Einzelfahrer besitzen. Sieht man einmal von den Tschechen
und dem ein oder anderen Italiener ab, geht es vielen Nationen ähnlich wie
uns“, analysiert Weibel die aktuelle Situation in der internationalen
Cross-Szene. In der Tat ist die Dominanz der Belgier und Niederländer derzeit
so eindeutig, dass Fahrern aus dem WM-Gastgeberland, aus Italien oder
Frankreich lediglich Außenseiterchancen eingeräumt werden. Ob einer der
Jungstars der Szene das Rennen macht oder einer der erfahrenen Recken, dem
Favoritenkreis auf den Titel gehören in erster Linie die Belgier und Niederländer
an: Sven Nijs, Tom Vannoppen, Mario de Clercq, Peter van Santvliet (alle
Belgien) oder der Weltcup-Sieger dieser Saison, Richard Groenendaal
(Niederlande) – diese Namen dominierten während der Saison die
Weltcup-Rennen und diese Namen werden auch als erste genannt, wenn man über
den Weltmeister 2001 spekuliert.
Dennoch
– die Tschechen Jiri Pospisil und Petr Dlask (zweimal Zweiter bei den
Weltcup-Rennen in Zolder und Zeddam, zweimal Dritter in Leudelange und zuletzt
in Pontchâteau), hochmotiviert und mit Heimvorteil, oder die Italiener
Daniele Pontoni, 1997 in München letzter nicht belgischer oder niederländischer
Weltmeister, oder Luca Bramati zeigten in der abgelaufenen Saison konstant
gute Leistungen und sorgten immerhin für Abwechslung im belgisch-niederländischen
Zweikampf. Ob sie auch in Tabor für eine Überraschung bei der
Medaillenvergabe sorgen können, bleibt abzuwarten.
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U23:
BDR setzt auf Genze und Schröder / Weibel fordert mehr U23-Rennen
Ähnlich
überlegen wie Hanka Kupfernagel holte sich auch Hannes Genze vom RV Magstadt
den Titel in der Kategorie U23. Auf den U23-Fahrern liegen aus deutscher Sicht
derzeit auch die größten Hoffnungen im Männerbereich. Genze, der 19-Jährige
aus der Cross-Hochburg Magstadt, der DM-Zweite Björn Schröder aus Berlin und
der DM-Dritte Leo Karstens Kressbronn sowie Sebastian Hannöver von der SG
Lohne-Vechta vertreten den BDR in Tabor. Peter Weibel: „Hannes Genze und Björn
Schröder sind fast gleichwertig einzustufen und sind eine gute Saison
gefahren. Wenn sie weiter gezielt arbeiten, können sie es im Elitebereich in
vordere Leistungsregionen schaffen.“
Während
Leo Karstens ein wahrer Cross-Spezialist ist, sind sowohl Genze als auch Schröder
‚Kombinierer‘. Genze betreibt neben Querfeldein im Sommer Mountainbike,
Schröder kommt ursprünglich vom Straßenrennsport. Dennoch hofft Weibel,
dass es bei beiden nicht nur bei einem kurzen Abstecher in den Cross-Sport
bleibt. Dass sie bei der WM durchaus Chancen auf Platzierungen unter den
ersten Zwanzig haben, bewies Hannes Genze bei seinem „Heimspiel“ in
Magstadt, wo er in einem hochklassig besetzten Elitefeld einen guten siebten
Rang erzielte. „Bisher sind die Nachwuchsfahrer gezwungen, fast ausschließlich
an Rennen der Elitekategorie teilzunehmen. Dort konnten sie zwar gute
Ergebnisse erreichen, letztendlich fehlt jedoch der direkte
Leistungsvergleich“, fordert Weibel mehr U23-Rennen.
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Junioren:
Spezialisten mit Chancen auf Platzierungen unter den ersten Zehn
Anlass
zur Hoffnung gibt vor allem der Jahrgang der Junioren. „Das sind alles
Cross-Spezialisten, die können bei der WM durchaus Platzierungen unter den
ersten Zehn erreichen“, hofft Weibel, dass die Fahrer dieser Kategorie
langfristig für den Querfeldeinsport begeistert und motiviert werden können.
Die
Bundestrainer Weibel und Moster haben in den ersten Monaten erkannt, dass in
den gegenwärtig zur Verfügung stehenden Fahrern mehr Potenzial steckt als in
der Öffentlichkeit bekannt ist. Die Defizite sind erkannt, an ihrer
Beseitigung wird gearbeitet. Sicher werden Erfolge nicht kurzfristig erreicht
werden können, aber die Anpassung des Trainingsaufbaus an die Anforderungen
der Disziplin dürften den deutschen Cross-Sport langfristig wieder an die
Weltspitze heranführen.