WM Bahn 2000: Medaillenchancen in allen
Disziplinen -
BDR-Bahnradsportler wollen olympische Erfolgsbilanz fortschreiben
Frankfurt/Main (rad-press) Wiederholung des
schon Erreichten, Revanche für das Verpasste oder Beweis des Möglichen unter
diesen Aspekten besitzen die Bahn-Weltmeisterschaften in Manchester ihren eigenen
speziellen Reiz. Nach 1996 finden sie vom 25. bis 29. Oktober erneut im Manchester
Velodrome statt.
Der Bahn-Bereich gehörte in der
Vergangenheit schon immer zu den erfolgreichsten Disziplinen des Bundes Deutscher
Radfahrer. Dies wurde einmal mehr vor zwei Wochen bei den Olympischen Spielen in Sydney
bestätigt. Mit je zwei Gold-, Silber- und Bronzemedaillen kehrten die BDR-Athleten aus
"down under" heim und bestätigten die in sie gesetzten Hoffnungen. Sie
knüpften damit an alte olympische Glanzzeiten an. Zuletzt war man 1992 bei Olympia mit
drei Gold- und zwei Silbermedaillen erfolgreich, während es 1996 nur eine Gold- und eine
Bronzemedaille gab.
Der Aufschwung im Bahnradsport hatte sich
schon 1999 angekündigt, als die BDR-Aktiven mit elf Medaillen die wohl beste WM-Bilanz
der letzten Jahre verbuchten. Vor heimischem Publikum im futuristischen Velodrom an der
Landsberger Allee in Berlin gewannen sie drei Gold- sowie jeweils vier Silber- und
Bronzemedaillen und demonstrierten mit dieser Erfolgsbilanz gleichzeitig ihre
Ausnahmestellung im internationalen Vergleich. Nur Frankreich konnte ihnen im vergangenen
Oktober mit sieben Goldmedaillen den Rang ablaufen.
Überraschend und für viele erfreulich war
bei den Olympischen Spielen, dass nicht nur Frankreich und Deutschland die Medaillen unter
sich ausmachten, sondern auch andere Nationen, vor allem die Engländer, in den
Medaillenkampf eingriffen. Trotz der starken Konkurrenz, vor allem aus Frankreich, den
USA, Australien und Großbritannien, kann man aber durchaus davon ausgehen, dass die
BDR-Starter in Manchester noch einmal für eine Fortsetzung der diesjährigen
Erfolgsbilanz sorgen können. Und so reisen die Bundestrainer Bernd Dittert (Ausdauer
Männer), Detlef Uibel (Kurzzeit Männer/Frauen) und Hans-Joachim Hartnick (Ausdauer
Frauen) optimistisch mit ihren Schützlingen zu den Titelkämpfen.
Für die zwölf WM-Rennen (acht bei den
Männern, vier bei den Frauen) setzen sie auf eine gute Mischung aus Jung und Alt.
Routiniers wie Jens Fiedler (30) und Jens Lehmann (32), aber auch Robert Bartko (24)
gehören ebenso zum festen Stamm des Nationalteams für Manchester wie die erfolgreichen
Youngsters, Olympia-Silbermedaillengewinner Stefan Nimke und Jan van Eijden. Aber auch
ganz junge Fahrer und Fahrerinnen wie Matthias John erhalten in Manchester ihre Chance auf
internationalem Parkett. Und mit ihrer WM-Bronzemedaille im Zeitfahren hat die erst
23-jährige Ulrike Weichelt ja im Vorjahr bewiesen, dass auch die "Jüngsten" im
Team für faustdicke Überraschungen sorgen können.
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Ausdauer
- Männer: WM in Manchester Schlusspunkt einer erfolgreichen Saison
Medaillen verplichten! Nach den erbrachten
Leistungen der letzten Monate könnten die Männer von Bundestrainer Bernd Dittert die WM
eigenlich ganz locker angehen lassen. Doch weit gefehlt: Nach dem überragenden
Olympiasieg ist es für die Ausdauer-Spezialisten quasi eine Verpflichtung, bei den
Titelkämpfen noch einmal einen Beweis ihrer Leistungsfähigkeit zu liefern.
"Es ist extrem schwierig, die erbrachten
Leistungen innerhalb von so kurzer Zeit noch einmal zu wiederholen. Eigentlich war der
Höhepunkt schon mit den Olympischen Spielen erreicht", lässt sich Dittert zu
keinerlei Prognosen verleiten. "Solch ein Leistungsniveau ist nicht einfach
abrufbar", warnt er vor allzu euphorischen Erwartungen.
Alle Olympiasieger bestreiten noch bis zum
Sonntag die Hessen-Rundfahrt, denn sie versuchen, wie schon in der Vorbereitung auf
Olympia, ihre Form auf der Straße zu sichern. Aber das kalte und ziemlich ungemütliche
Wetter zehrt natürlich an den ohnehin schon "angekratzten" Kräften. "Ich
bin froh, wenn alle gesund aus der Hessen-Tour herauskommen und wir in Manchester über
die Fahrer verfügen können, die auch bei Olympia dabei waren. Schon wenn nur einer
dieser Fahrer ausfällt, ist das Thema Titelverteidigung keines mehr", weiß Dittert,
dass die anderen starken Nationen nur auf eine kleine Schwäche der Weltmeister und
Olympiasieger warten. Vor allem Silbermedaillengewinner Ukraine machte schon im
olympischen Halbfinale mit einem Weltrekord unmissverständlich klar, dass auch sie in den
Kampf um den Titel eingreifen können.
Die WM in Manchster ist aber nicht nur
Schlusspunkt einer erfolgreichen Saison, sondern auch der Startschuss für einen
"neuen Vierer". Neben Robert Bartko will auch Daniel Becke auf die Straße
wechseln, und von den Sportgruppen-Fahrern Olaf Pollack (Team Gerolsteiner) und Christian
Lademann (Team Agro Adler Brandenburg) weiß man nicht, in welchem Umfang sie in der
nächsten Saison zur Verfügung stehen können. "Wir bringen mit der WM erst einmal
diese Saison zu Ende. Danach werden wir sehen, welche Fahrer zu Profi-Teams wechseln und
wer in den kommenden Jahren zur Verfügung steht", wartet auf den Trainerstab ab
November viel Arbeit.
Nicht mehr dabei sein wird im kommenden Jahr
auf jeden Fall Robert Barkto. Der zweifache Olympiasieger von Sydney in Einer- und
Mannschaftsverfolgung wird in Manchester sein letztes WM-Rennen auf der Bahn bestreiten.
So ganz kommt er aber vom Bahnradsport nicht los, für November konnten ihn die
Organisatoren des Münchner Sechstagerennens als einen ihrer Stars verpflichten.
Angesichts des olympischen und des WM-Finales
1999 in Berlin, gehen die beiden deutschen Verfolger Bartko und Jens Lehmann auch in
Manchester wieder mit guten Chancen an den Start, allerdings sollte man nicht so vermessen
sein, die starken Australier (Brad McGee) und Briten (Rob Hayles) zu vergessen. Gerade
letzterer wird bei der WM im eigenen Land hochmotiviert sein.
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Ausdauer
Frauen: Letzte Bahn-WM für Judith Arndt ?
Mit einer Medaille will sich auch Judith
Arndt in Manchester vom Bahnradsport verabschieden und dabei vor allem das Ergebnis von
Sydney vergessen lassen, wo sie als Sechste in der Einerverfolgung und Vierte im
Punktefahren unter ihren Möglichkeiten blieb. Grund war, so BDR-Bundestrainer
Hans-Joachim Hartnick, nicht zuletzt ein wenig optimaler Saisonverlauf mit
gesundheitlichen Problemen. "Judith hatte, wie sich im Nachhinein herausstellte, eine
Virus-Infektion, die auch die Ärzte zunächst nicht erkannten. Weil sie im Sommer ohne
große Pausen weitertrainierte und Rennen bestritt, hat sie diesen Infekt weiter
verschleppt. Das hat sich dann vor allem bei den Olympischen Spielen gerächt."
"In Manchester sollten die von ihr
gezeigten Leistungen eigentlich zu Medaillen reichen", ist Hartnick aber überzeugt,
dass sein Schützling mehr drauf hat.
"Sicher wird das Teilnehmerfeld dort
nicht ganz so stark sein wie in Sydney. Nach der Absage der Straßen-WM wird die große
Gewinnerin von Sydney, Leontien van Moorsel, vermutlich auch in Manchester nicht an den
Start gehen." Eine Prognose auf den Ausgang der Rennen wagt Hartnick jedoch nicht:
"Es bleibt abzuwarten, wie Judith die WM in Plouay, wo sie im Einzelzeitfahren und
Straßenrennen antritt, übersteht. Eine gute Leistung dort könnte ihrer Moral und
Motivation im Hinblick auf Manchester aber einen deutlichen Schub geben." In der
kommenden Saison möchte sich die Olympia-Dritte in der Einerverfolgung 1996 und
Weltmeisterin von 1997 einer Frauen-Profi-Mannschaft anschließen und ausschließlich
Straßenrennen bestreiten.
Judith Arndt, im vergangenen Jahr zweifache
Silbermedaillengewinnerin bei der WM in Berlin in Einerverfolgung und Punktefahren, ist in
diesem Jahr die einzige deutsche WM-Starterin im Ausdauerbereich. "Sie hinterlässt
eine große Lücke, die so schnell nicht zu schließen sein wird. Zwei bis drei Jahre wird
es schon dauern, bis wir wieder in die Leistungsbereiche einer Judith Arndt fahren
können", gibt sich Hartnick realistisch, "aber man sollte nicht zu schwarz
sehen." Mit Maria Taubert und Christina Becker verfügt der BDR über zwei
Fahrerinnen, die sich voll auf den Bahnradsport konzentrieren, jedoch in Zukunft noch mehr
Erfahrung in internationalen Wettkämpfen sammeln müssen. Hoffnungsvoller Nachwuchs
kündigt sich zudem mit Elke Gebhardt und Charlotte Becker, die bei der Junioren-WM in
Fiorenzuola schon mit dem Gewinn der Bronzemedaille in der Einerverfolgung für einen
großen Erfolg sorgte, an. "Ich hoffe, wir können diese beiden Fahrerinnen
überzeugen, dem Bahnradsport auch weiterhin treu zu bleiben. Leontien van Moorsel macht
es doch vor: Man kann sowohl auf Bahn als auch auf der Straße erfolgreich sein."
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Kurzzeit-Bereich: Medaillenchancen in allen Diszplinen / Sorgen im
Frauen-Bereich
Im Kurzzeit-Bereich will das BDR-Team in
Manchester die guten Olympia-Ergebnisse bestätigen und die schlechten revidieren. Erstere
sind die Medaillen von Zeitfahrer Stefan Nimke und die Bronzemedaillen im Keirin und
Sprint durch Jens Fiedler, letztere ist der enttäuschende siebte Platz im Olympischen
Sprint. "Wir haben uns im Olympischen Sprint unter Wert schlagen lassen. In
Manchester gilt es, diese Scharte auszuwetzen", lautet die Parole von Bundestrainer
Detlef Uibel an die möglichen Starter Jens Fiedler, Jan van Eijden, Sören Lausberg und
Matthias John.
In der traditionell ersten Entscheidung der
Titelkämpfe wollen Stefan Nimke und Sören Lausberg gleich für einen positiven Auftakt
im 1000-m-Zeitfahren sorgen. So wie in Sydney, als dem Schweriner Nimke die
Überraschungs-Silbermedaille gelang. Lausberg kam wieder einmal
"nur" auf den vierten Platz. Seine Leistung ist allerdings angesichts seines
Saisonstarts mit Achillessehnenriss und langer Trainings- und Wettkampfpause umso höher
anzuerkennen. Immerhin lag Lausberg in der Endabrechnung noch vor dem amtierenden
Weltmeister und großen Favoriten, Arnaud Tournant, der in Sydney einen rabenschwarzen Tag
erwischt hatte. Mit Tournant, aber vor allem auch mit Olympiasieger Jason Queally muss in
Manchester gerechnet werden. Der Franzose will die Olympia-Pleite vergessen machen, der
Brite wird vor heimischer Kulisse sicher bis in die Haarspitzen motiviert sein.
Heisse Duelle sind auch wieder im Sprint zu
erwarten. Die Olympischen Spiele haben gezeigt, dass die Franzosen zwar stark, aber nicht
unschlagbar sind. Und wenn auch noch US-Olympiasieger Marty Nothstein in Manchester in den
WM-Kampf eingreift, sind sicher spannende und hochkarätige Wettkämpfe zu erwarten. Nicht
mit von der Partie wird Eyk Pokorny sein. Der Berliner, der nicht länger bei der
Bundeswehr angestellt ist, konnte aufgrund einer beruflichen Umorientierung in den letzten
Wochen kaum trainieren und verzichtete aus diesen Gründen auf den WM-Start.
Am Samstag (7. Oktober) trifft sich das
WM-Kurzzeit-Team in Frankfurt/Oder zum letzten Vorbereitungslehrgang. Bis dahin wird auch
der Arzt über die WM-Teilnahme von Ulrike Weichelt entschieden haben. Die Erfurterin
hatte sich schon in Sydney einen Infekt zugezogen, überstand nur schwer den strapaziösen
Rückflug und konnte seit ihrem Olympiawettkampf, wo sie Sechste im Zeitfahren wurde,
überhaupt nicht trainieren.
Kathrin Freitag muss die WM wohl aus
beruflichen Gründen absagen. Nach Beendigung ihrer Bundeswehrzeit sattelte sie in diesem
Jahr um und begann eine Lehre als Bankkauffrau, die sie zeitlich doch mehr in Anspruch
nimmt als zunächst angenommen.
Bleibt noch die Vize-Europameisterin im
Zeitfahren, Katrin Meinke, die in Manchester die deutschen Farben vertreten soll.
Medaillen sind von der jungen Cottbuserin nicht unbedingt zu erwarten, dafür dürfte die
Konkurrenz um "Miss Unschlagbar" Félicia Ballanger zu stark sein. Allerdings
zeigte sie bei der WM im vergangenen Jahr in Berlin mit Rang sieben im Zeitfahren und
Platz acht im Sprint, dass mit ihr in Zukunft zu rechnen ist.
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Positive Entwicklung im Bahnradsport / Signalwirkung durch Olympische Spiele
Auch wenn der ganz große Höhepunkt aus
Sicht der Bahnradsportler mit den Olympischen Spielen vorbei ist, versprechen die
Weltmeisterschaften in Manchester spannende Wettkämpfe und vor allem attraktiven
Bahnradsport. "Durch die umfangreiche Berichterstattung von den erfolgreichen Spielen
in Sydney hat der Bahnradsport wieder mehr Aufmerksamkeit bei den Zuschauern
gewonnen", hofft das Bundestrainer-Trio auf eine "Signalwirkung" durch die
Spiele.
Darüber hinaus profitiert die gesamte Sportart aber auch von
der internationalen Entwicklung, die vor allem in Sydney, aber zuvor auch schon in den
diesjährigen Weltcup-Veranstaltungen festgestellt werden konnte. Während sich bisher
fast alles im Bahnradsport auf den Zweikampf Frankreich Deutschland konzentrierte,
sind inzwischen viele andere Nationen in die Weltspitze aufgerückt. Großbritannien ist
ein besonders gutes Beispiel, aber auch Medaillengewinner aus Uruguay, China und Belgien
beweisen, dass die Bahn-Disziplinen in Zukunft weltweit wieder mehr Anerkennung finden
wird. Und es wäre wünschenswert, dass sich diese positive Entwicklung fortsetzt und der
Bahnradsport nicht nur alle vier Jahre Berücksichtigung in der Welt der Medien findet.
Deutsche Bahnradsportler wollen ihren Teil dazu beitragen!
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WM-News - Bahn-WM 2000
Anzahl der maximal möglichen
WM-Startplätze für das BDR-Team pro Disziplin