Berlin (pps) Acht Regenbogentrikots
werden bei den Weltmeisterschaften im Bahnradsport in den Disziplinen der Männer
vergeben. Dominierten im vergangenen Jahr die Franzosen das Geschehen vor eigenem Publikum
mit sechs Gold-, einer Silber- und zwei Bronzemedaillen noch eindeutig, schicken sich in
Berlin Nationen wie Deutschland und Australien an, den Franzosen den Platz an der Spitze
der Nationenwertung streitig zu machen. Mit guten Medaillen-Chancen gehen aber auch
Belgien, Spanien, die Ukraine, Russland, die Schweiz und die Niederlande in die Rennen.
Sportlicher Paukenschlag am Mittwoch abend -
Hochklassige Wettkämpfe mit Zeitfahren und Einerverfolgung
Mit einem Paukenschlag beginnen die Weltmeisterschaften am Mittwochabend. Mit dem
1000-m-Zeitfahren steht die erste Kurzzeit-Disziplin mit einem hochklassigen
Teilnehmerfeld auf dem Programm. Favoriten im Kampf um die begehrten Plätze auf dem
Siegerpodest sind der amtierende Weltmeister Arnaud Tournant (Frankreich),
Vize-Weltmeister und Weltrekordhalter Shane Kelly (Australien) und der Amerikaner Erin
Hartwell. Durchaus im Bereich des Möglichen liegt jedoch auch die erste Medaille für den
Bund Deutscher Radfahrer. Es könnten sogar gleich zwei werden, denn beide deutschen
Starter gehören zu den aussichtsreichsten Kandidaten über den "Kilometer",
sowohl der Sieger in der Zeitfahr-Gesamtwertung im Weltcup, Sören Lausberg, dem in seiner
Medaillensammlung nur noch die Goldmedaille fehlt, aber auch Stefan Nimke, der nach Bronze
bei seiner WM-Premiere 1997 nun in Berlin an diesen Erfolg anschließen will.
Mit der Einerverfolgung findet die erste Entscheidung im
Ausdauerbereich ebenfalls am ersten Wettkampftag statt. Auch in dieser Disziplin ist der
Kreis der Medaillenanwärter groß, ein absoluter Favorit zeichnet sich nach den
bisherigen Saisonergebnissen jedoch nicht ab. Bei den fünf Weltcup-Läufen gab es fünf
verschiedene Sieger. Nicht zu den Siegern gehörte unter anderen der französische
Titelverteidiger Philippe Ermenault, der in Frisco/USA Vierter und in Fiorenzuola nur
Fünfter wurde. In Berlin dürfte er jedoch ebenso wie der Russe Alexej Markow und der
Australier Luke Roberts zum Favoritenkreis zählen.
Hoffnungen auf vordere Platzierungen können sich aber auch die
deutschen Starter machen. Robert Bartko (Weltcup-Sieger in Valencia) will nach der
Bronzemedaille in Bordeaux in diesem Jahr erneut aufs Siegerpodest. Auch Jens Lehmann,
erfolgreichster deutscher Verfolger der neunziger Jahre, will in Berlin noch einmal voll
angreifen. Der Sieg beim Weltcup in Fiorenzuola gab dem Leipziger das nötige
Selbstvertrauen, die Scharte aus dem Vorjahr auszuwetzen, als er das Halbfinale nicht
erreichte. Und dass ihm die Berliner Bahn liegt, hat er schon bei den Deutschen
Meisterschaften bewiesen, als er mit 4:19,992 einen neuen deutschen Rekord aufstellte...
Olympischer Sprint das Top-Event am Donnerstag
Australien (3), Frankreich (4), Deutschland (4) und die USA (1) machten seit der Premiere
des Olympischen Sprints 1995 stets die Medaillen unter sich aus. Sie sind auch in diesem
Jahr die Favoriten auf den Titel. Die Franzosen mit LeQuellec, Rousseau, Tournant und
Gané haben ebenso wie die Deutschen mit Lausberg, Pokorny, Nimke und Fiedler die Qual der
Wahl bezüglich der Nominierung. Für die Franzosen wäre es der dritte Titel in Folge,
für Australien und Deutschland die zweite Goldmedaille.
Freitag im Zeichen der Königsdisziplin
Mannschaftsverfolgung
Wie im vergangenen Jahr in Bordeaux erwarten die Experten auch in Berlin den Zweikampf in
der Mannschaftsverfolgung zwischen der Ukraine und Deutschland. Nach den mit WM- und
Olympiatiteln gepflasterten Zeiten bis Mitte der neunziger Jahre (14 von insgesamt 21
WM-Titel gingen bisher in der Vergangenheit an Deutschland, davon fünf in die DDR) und
dem Einbruch, der im enttäuschenden neunten Platz bei den Olympischen Spielen 1996
gipfelte, hat sich der deutsche Vierer im vergangenen Jahr eindrucksvoll zurückgemeldet.
Hatte man im Vorfeld schon auf eine Bronzemedaille spekuliert, musste sich das Team von
Trainer Robert Lange sogar erst im Finale den starken Ukrainern beugen.
Weitere Favoriten im Kampf um die begehrten Medaillen sind die Teams
aus Frankreich und Italien (Weltmeister 1996 und 1997). Auch die Australier, 1993 und 1995
Weltmeister, sind in Berlin sicher für eine Überraschung gut. Sie haben im Hinblick auf
die Olympischen Spiele im eigenen Land enorm "aufgerüstet" und in den letzten
Jahren viel Geld und viel Engagement in den Bahnradsport gesteckt. Nachdem sie in den
letzten und besonders in diesem Jahr die Titelkämpfe der Junioren auf der Bahn eindeutig
dominierten, scheint es nur eine Frage der Zeit, bis sie die
"Machtverhältnisse" im Bahnradsport gehörig durcheinander bringen.
Höhepunkte am Samstag: Kampf um die
Sprinter-Krone / Punktefahren mit vielen Favoriten
Ein Höhepunkt der Weltmeisterschaften steht am Samstag auf dem Programm: Im Kampf
um die Sprinter-Krone läuft bei den Männern alles auf ein Duell zwischen Jens Fiedler
und Florian Rousseau (Frankreich) hinaus. Während für den zweimaligen Olympiasieger
Fiedler (1992, 1996) die WM-Vorbereitung optimal lief, zeigte Weltmeister Rousseau im
Vorfeld der WM erstmals kleine Schwächen. Bei den französischen Meisterschaften musste
er den Titel dem Neu-Kaledonier Laurent Gané, ebenfalls heißer Medaillenaspirant für
Berlin, überlassen und wurde am Ende sogar nur Vierter.
Das erste Aufeinandertreffen von Rousseau und Fiedler in diesem Jahr
beim Grand Prix Dudenhofen fiel aus, weil der französische Verband seine Zusage im
letzten Augenblick zurückzog. Das zweite Meeting beim Grand Prix in Chemnitz entschied
dann Lokalmatador Fiedler für sich. Allerdings hatte Rousseau nach Chemnitz eine mehr als
beschwerliche Anreise hinter sich, so dass man diese Niederlage nicht zu hoch bewerten
sollte. Zuletzt hieß es, Rousseau habe eine Oberschenkelzerrung. Beim "Open des
Nations" am vergangenen Wochenende in Paris wurde Fiedler hinter Gané und Vincent
LeQuellec Dritter. Auch diesem Ergebnis sollte man nicht allzu hohe Bedeutung beimessen,
denn für den Großteil der Teilnehmer war der Wettkampf so kurz vor Beginn der
Weltmeisterschaften nur eine Formüberprüfung.
Neben den Top-Favoriten Fiedler, Rousseau und Gané gehören LeQuellec,
der Amerikaner Martin Nothstein und auch die beiden Deutschen Eyk Pokorny und Jan van
Eijden zum Kreis der Medaillenanwärter. Für van Eijden, "Kronprinz" im
nationalen Bereich von Jens Fiedler, der sowohl im Sprint als auch im Keirin startet, gibt
es bei der WM in Berlin nur ein Ziel: "Eine Medaille, ob im Sprint oder Keirin, ist
mir egal."
Eine Prognose im Punktefahren abzugeben, ist schwierig, denn diese
Disziplin kennt viele Favoriten. Vom Weltmeister 1998, dem Spanier Juan Llaneras, über
den Italiener Silvio Martinello, den Schweizer Bruno Risi, dem Dänen Michael Sandstöd
bis hin zu BDR-Starter Andreas Kappes reicht die Liste der Fahrer, die den Titel gewinnen
können.
Keirin und Zweier-Mannschaftsfahren zum Abschluss
am Sonntag
Am Abschlusstag der Weltmeisterschaften möchte Jens Fiedler seinen Titel im Keirin
verteidigen, am liebsten mit dem Sprint-Titel in der Tasche, der 24 Stunden vorher
vergeben wird. Auch in dieser Disziplin dürfte die schärfste Konkurrenz für den
amtierenden Weltmeister mit Laurent Gané, 1998 Dritter, und "Oldie" Frédéric
Magne, 1995 und 1997 Weltmeister in dieser Disziplin, aus dem Lager der Franzosen kommen.
Aber auch der Lette Ainars Kiksis, der Südafrikaner Jean-Pierre van Zyl und der
Amerikaner Martin Nothstein stehen ganz oben auf der Liste der Favoriten. Dass der
Medaillengewinn auch ein bisschen vom Glück abhängig ist, bewiesen die deutschen Fahrer
bereits in den Vorjahren. 1997 verlor Fiedler durch einen Protest der Franzosen die
Bronzemedaille, 1998 wurde Jan van Eijden vom zweiten auf den sechsten Platz
zurückgesetzt.
Das Starterfeld im Zweier-Mannschaftsfahren ähnelt dem eines
Sechstage-Rennens. Diese Disziplin steht seit 1995 auf dem Wettkampf-Programm und wird im
kommenden Jahr in Sydney erstmals olympisch sein. Betrachtet man das Feld der WM-Starter,
stellt man fest, dass in Berlin die besten Sechstage-Profis gegeneinander antreten.
Etienne de Wilde/Mathew Gilmore heißt die belgische Kombination, die ihren Titel aus dem
Vorjahr verteidigen möchte. Silvio Martinello/Marco Villa, Sieger zahlreicher
Sechstage-Rennen, starten für Italien, die erfolgreiche Six-Days-Kombination Kurt
Betschart/Bruno Risi für die Schweiz, der Weltmeister im Punktefahren Juan Llaneras mit
Partner Miguel Alzamora für Spanien, die Brüder Juan und Gabriel Curuchet für
Argentinien. Eine Medaille im Visier hat auch das deutsche Duo Andreas Kappes/Olaf
Pollack.