Berlin (pps) Erst Frankreich und
dann lange nichts mehr. Ein Bild, das noch vor Jahresfrist bei den
Bahnrad-Weltmeisterschaften in Bordeaux die Runde machte, als die französischen
Bahnradsportler vor eigenem Publikum kaum zu bezwingen waren, soll bald Vergangenheit
sein.
Wachablösung an der Spitze des internationalen Bahnradsports? Wenn es
nach den Vorstellungen des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) geht, dann ist die Zeit für
einen Wechsel gekommen. Acht Jahre nach der großartigen WM in Stuttgart (1991) dürfen
die bundesdeutschen Radsportanhänger wieder auf ein erfolgreiches Abschneiden der
deutschen Bahnelite hoffen. Die bisherige Vorbereitung stand klar im Zeichen der
Welttitelkämpfe im eigenen Land. Auf dem Weg zu den olympischen Spielen in Sydney im
kommenden Jahr heißt das erklärte Ziel, im internationalen Bahnradsport die führende
Nation Frankreich einzuholen. Keine leichte Aufgabe, denn neben Frankreich drängt auch
Mitkonkurrent Australien ein Jahr vor den Olympischen Spielen in Sydney an die Spitze im
Bahnradsport.
Was jetzt zählt, sind die Erfolge. Da gibt es kein Pardon. Die
Chancen, dieses Ziel zu erreichen, stehen für die BDR-Equipe günstig, obwohl die
deutschen Bahnradsportler im eigenen Land unter einem enormen Erwartungsdruck stehen.
"Den Abstand zu Frankreich wollen wir bei der WM soweit verringern, dass wir bei den
Olympischen Spielen 2000 im Bahnradsport klar die Nummer eins werden", gab
BDR-Sportwart Burckhard Bremer (Berlin) die Marschroute vor.
Fakt ist schon heute, die Asse um die Nationaltrainer Robert Lange
(Ausdauer Männer/Frankfurt/Main), Detlef Uibel (Sprint Frauen und Männer/Illmersdorf)
und Hans Joachim Hartnick (Ausdauer Frauen/Cottbus) müssen nach dem erfolgreichen
Abschneiden bei den Weltcups die Konkurrenz nicht fürchten. So verspricht man sich
diesmal mehr Medaillen als noch vor einem Jahr, als die Bahn-Nationalmannschaft mit einer
Gold, drei Silber- und vier Bronzemedaillen aus Bordeaux zurückkehrte.
Im Kurzzeitbereich immer im Favoritenkreis
Kurzzeit-Bundestrainer Detlef Uibel (Ilmersdorf) gibt sich vor der WM optimistisch. In
allen Disziplinen gehören die deutschen Starter zum Favoritenkreis um die Medaillen und
auch im Hinblick auf die Zukunft ist der 40-Jährige zuversichtlich. Drei Titel bei den
Europameis-terschaften durch Stefan Nimke (Zeitfahren), René Wolff (Sprint) und Ulrike
Weichelt (Sprint) bescherten dem BDR nicht nur zusätzliche Startplätze für die WM,
sondern bestätigten auch die gelungene Nachwuchsarbeit im Verband.
Erster Anwärter auf WM-Gold im Sprint ist Jens Fiedler. Der
29-Jährige, in Bordeaux mit Gold im Keirin und Silber im Sprint erfolgreichster deutscher
Teilnehmer, strebt diesmal beide Titel an. In seiner früheren Wahlheimat Berlin, wo der
Sprinthüne zehn Jahre lebte, sieht er die Zeit für einen Wechsel an der Spitze des
Radsprints gekommen. "Meine Vorbereitung verlief bisher optimal, so dass ich so
zuversichtlich wie noch nie bei einer WM an den Start gehe. Gerade vor eigenem Publikum
bin ich motivierter denn je", verspricht der Chemnitzer, der sich in den letzten
beiden Jahren nur Florian Rousseau (Frankreich) geschlagen geben musste, einen
"heißen Tanz". Seine Ausnahmeklasse ließ "Fidel" schon im Juli bei
den Deutschen Meisterschaften an gleicher Stätte aufblitzen, wo er den Bahnrekord des
amtierenden Weltmeisters einstellte.
In Berlin erwartet Bundestrainer Detlef Uibel vor allem die Franzosen
Laurent Gané und Florian Rousseau als größte Widersacher Fiedlers. "Rousseau
zeigte im bisherigen Saisonverlauf zwar leichte Schwächen, aber ich gehe davon aus, dass
er bei der WM ähnlich stark wie im letzten Jahr sein wird." Gané hingegen
überzeugte im Vorfeld mit guten Weltcup-Ergebnissen. "Vielleicht steht innerhalb des
französischen Teams bereits eine Wachablösung bevor."
Auch im Keirin gilt der zweimalige Olympiasieger Fiedler (Chemnitz) aus
dem XXL-Team als sichere Medaillenbank. "Das wäre natürlich ein Traum, Gold im
Sprint und im Keirin", so der Schützling von Erfolgstrainer Karsten Schmalfuß.
Nicht zurückstecken will auch sein "Kronprinz" Jan van Eijden (Dudenhofen). Der
23-Jährige, der beim Weltcup in der Höhe von Mexiko Florian Rousseau im Sprintturnier
eine empfindliche Niederlage beifügte und den Sieg holte, will diesmal seine erste
WM-Medaille in einer Einzeldisziplin. "Ob im Sprint oder Keirin, ist mir letztlich
egal", so der Modellathlet. Auch Bundestrainer Detlef Uibel hält den 23-Jährigen
reif fürs Halbfinale und eine Medaille. "Im Kampf Mann gegen Mann könnte seine
mentale Stärke den Ausschlag geben", hofft Uibel noch auf den zusätzlichen
"Push" durch die Unterstützung des Berliner Publikums.
Eyk Pokorny (Berlin) strebt in seiner Heimatstadt eine Wiederholung des
Ergebnisses von 1997 an. Damals wurde er Vierter im Sprint und gewann Silber im
Olympischen Sprint. Im Sprint wird es allerdings keine leichte Aufgabe für
"Pocke", während eine Medaille im Olympischen Sprint für das BDR-Trio im
Bereich des Möglichen liegt. Der Berliner zog sich beim "Open des Nations" in
Paris eine Schnittverletzung an der Wade zu, als beim Anfahren die Tretlagerachse brach
und Pokorny sich dabei an der abgebrochenen Achse verletzte. Allerdings war die direkt
genähte Wunde nicht sehr tief und der Muskel nicht verletzt, so dass der WM-Start nicht
in Frage gestellt wird.
Die Besetzung Lausberg (Berlin), Nimke (Schwerin), van Eijden war schon
in den vergangenen Jahren Garant für eine Medaille in der noch jungen
Mannschaftsdisziplin Olympischer Sprint. Seit der Premiere im Jahr 1995 gelang den
BDR-Fahrern immer der Sprung aufs Siegerpodest. 1995 wurden sie Weltmeister, 1996 und 1997
jeweils Zweite. Da wurde die Bronzemedaille im Vorjahr in Bordeaux sogar schon als kleine
Enttäuschung gewertet, denn eigentlich wollten die BDR-Asse Gold nach Hause bringen.
Jetzt soll dieses Ziel vor heimischer Kulisse in Berlin erreicht werden.
Zunächst muß Kurzzeit-Bundestrainer Detlef Uibel aber seine stärkste
Formation für die "Operation Gold" finden. Und da hat er die Qual der Wahl.
Neben der "Stammbesetzung" Pokorny, Lausberg, Nimke bieten sich Fiedler, aber
auch van Eijden und sogar Bergemann (Heidenau) an. "Sollte das deutsche Trio wie
erhofft ins Finale kommen und dort gegen die Franzosen antreten müssen, könnte der
Einsatz von Fiedler der entscheidene Baustein sein." Ein Pokerspiel, in dem sich der
Nationalcoach im Vorfeld nicht gerne in die Karten schauen lässt. Auch die Franzosen
geben ihre Formation nicht im Vorfeld preis. Eines steht aber fest: Auf ihre Weltmeister
Rousseau und Tournant werden sie ebenso kaum verzichten wie auf ihre Nachwuchshoffnung
Laurent Gané.
Auch im Zeitfahren traut Uibel seinen "Kilometermännern"
Sören Lausberg und Stefan Nimke Medaillen zu. Allerdings, so der Bundestrainer,
garantiert eine gute Zeit nicht unbedingt eine Medaille, denn in keiner Disziplin ist der
Favoritenkreis so groß wie über den "Kilometer". Insbesondere der Franzose
Arnaud Tournant, der in diesem Jahr in zwei Weltcup-Läufen nur knapp am Weltrekord
scheiterte, zählt er zu den Top-Favoriten.
Vom EM-Titel Stefan Nimkes profitiert im Zeitfahren WM-Neuling Carsten
Bergemann. Seine Trainingszeiten lassen Uibel auf eine Platzierung unter den ersten Acht
hoffen.
Im Kurzzeit-Bereich führt bei den Frauen derzeit kein Weg an Félicia
Ballanger vorbei, auch wenn sich auf den nachfolgenden Plätzen mit der starken Kanadierin
Tanya Dubnicoff, den Chinesinnen Yan Wang und Cuihua Jiang sowie der jungen Australierin
Lyndelle Higginson in diesem Jahr einiges getan hat. Für die deutschen Mädchen gilt es,
sich bei der WM in Berlin möglichst achtbar aus der Affäre zu ziehen.
Im Sprint lief es bisher nicht gerade optimal. Größte BDR-Hoffnung
ist hier Katrin Freitag (Frankfurt/Oder), zweite BDR-Starterin die 20-jährige Katrin
Meinke (Cottbus), die im Juli überraschend den Meistertitel gewann. Für das
"Nesthäkchen" im deutschen Frauen-Team geht es in Berlin vor allem darum, erste
Erfahrungen auf internationalem Parkett zu gewinnen. "Im Sprint spielt die Taktik
eine besondere Rolle, und da sollte man von Katrin bei ihrem ersten WM-Start noch nicht
allzu viel erwarten."
Besser sieht es dagegen im 500-Meter-Zeitfahren aus, wo der BDR drei
Fahrerinnen (Freitag, Weichelt/Erfurt, Meinke) an den Start bringen kann. "Hier
verzeichnen wir die größten Fortschritte. Ein Platz unter den ersten Vier liegt durchaus
im Bereich des Möglichen", hofft Uibel durch eine gute Platzierung auf einen
zusätzlichen Startplatz bei den Olympischen Spielen. Wichtigstes WM-Ziel ist auch hier,
den Abstand zur Weltspitze zu verkürzen.
Ausdauerbereich mit guten Medaillenchanchen
Mit guten Medaillen-Chancen gehen auch die deutschen Ausdauerathleten im Velodrom ins
Rennen. Der Bahnvierer, einst das Flaggschiff des deutschen Bahnradsports, befindet sich
wieder auf Goldkurs. Mussten sich die Asse von Bundestrainer Robert Lange in Bordeaux nur
der Ukraine geschlagen geben, dürfte vor eigenem Publikum an ihnen kein Weg am
Weltmeistertitel vorbeiführen. Auch wenn Kapitän und "Anfahrer" Guido Fulst
noch vor wenigen Wochen nach einem Schlüsselbeinbruch kurzfristig nicht zur Verfügung
stand, zählt der Bahnvierer im eigenen Land zu den Gold-Hoffnungen.
Guido Fulst (Berlin), Thorsten Rund (Cottbus), Christian Lademann
(Berlin) und Daniel Becke (Erfurt) - so hieß die Kombination, die im vergangenen Jahr
Silber gewann und damit die Durststrecke in der Mannschaftsverfolgung beendete. Nach
goldenen Zeiten zu Beginn der neunziger Jahre mit den WM-Titeln 91, 92 und
94 sowie dem Olympiasieg 92 folgte der absolute Tiefpunkt mit dem neunten
Platz bei Olympia 96. Ein Tiefpunkt, den der BDR auch als Chance nutzte. Der
damalige Nationaltrainer Wolfgang Oehme wurde durch den Frankfurter Robert Lange ersetzt.
Und Lange, der den Generationswechsel herbeiführte und jungen Fahrern eine Chance gab,
schaffte es in den folgenden Jahren, den Vierer wieder an die Weltspitze heranzuführen.
Platz fünf 1997 in Perth sowie die Silbermedaille 1998 in Bordeaux sind Beweis seiner
erfolgreichen Arbeit.
Welche Fahrer in diesem Jahr bei der WM in Berlin dem Vierer angehören
ist zur Zeit noch offen. Mit Bartko, Becke, Fulst, Lademann, Pollack, Rund und Lehmann
stehen Lange insgesamt sieben Kandidaten zur Verfügung. Zwar hatte der
Schlüsselbeinbruch von Fulst Ende August mit anschließender Operation die
WM-Vorbereitungen des "BDR-Flaggschiffs" empfindlich gestört, zum WM-Vierer
wird Fulst jedoch auf jeden Fall gehören. Allerdings muss Fulst seinen Posten als
"Anfahrer" dann einem anderen überlassen, da die körperliche Belastung noch zu
groß ist. Stattdessen wird er eine Position weiter hinten einnehmen.
Ebenfalls zum festen Stamm des Vierers gehören Daniel Becke und
Christian Lademann. Beim "Open des Nations" am vergangenen Wochenende in Paris
baute der Bundestrainer erstmals Olaf Pollack (Lübben/Agro Adler Brandenburg) mit in die
Mannschaft ein und war mit dem Auftritt des Straßen-Profis, der in der kommenden Saison
für das Team Gerolsteiner fährt, sehr zufrieden. Überhaupt, so Lange, sei bei fast
allen Mannschaften die Tendenz zu erkennen, verstärkt Straßen-Profis in den Vierer
einzubinden.
Wen Lange in Berlin im Vierer einsetzen wird, hängt nicht zuletzt vom
Verlauf des WM-Wettkampfs und von der Tagesform der Einzelnen ab. "Wir sind in der
glücklichen Lage, aus sieben starken Fahrern auszuwählen und müssen nicht nur mit vier
Fahrern auskommen", sieht der Frankfurter den entscheidenden Vorteil gegenüber
anderen Nationen. Konkurrenz erwartet er vor allem von den Ukrainern. Sie starten in
Berlin in der WM-Besetzung vom Vorjahr. Allerdings gelang dem BDR-Vierer schon beim
Weltcup in Valencia ein Sieg über die Ukrainer, und das soll auch in Berlin so sein.
Starke Gegner erwartet Lange auch mit den Franzosen, Italienern und den USA, zumal auch
diese Nationen in letzter Zeit verstärkt auf den Einsatz von Straßenprofis bauen.
Medaillenchancen rechnet sich der BDR auch in der Einerverfolgung aus,
in der mit Robert Bartko (Berlin) und Jens Lehmann (Leipzig) zwei der stärksten
Einzelverfolger dieser Saison an den Start gehen. Beide siegten bei den qualitativ am
besten besetzten Weltcups in Valencia (Bartko) und Fiorenzuola (Lehmann) und überzeugten
schon im Frühjahr mit Zeiten um 4:19 Minuten. Jens Lehmann ist mit drei WM- und einem
Olympiatitel ohnehin einer der erfolgreichsten deutschen Verfolger. Anfang Juli wurde er
nicht nur überlegen Meister in Einer- und Mannschaftsverfolgung, sondern stellte
gleichzeitig auf dem WM-Oval in Berlin einen neuen deutschen Rekord (4:19,992) auf. Beide
Starter erwartet der Bundestrainer im Halbfinale, wenngleich mit dem Franzosen Francis
Moreau, den Italienern Andrea Collinelli und Mauro Trentini, dem Russen Alexej Markow und
dem Amerikaner Mariano Friedick starke Konkurrenz auf sie wartet. Aber auch Weltmeister
Ermenault, der zwar in dieser Saison leistungsmäßig noch nicht überzeugte, zählt Lange
zum Favoritenkreis dazu.
Im Punktefahren setzt der Bundestrainer auch in Berlin auf Routinier
Andreas Kappes (Köln). Der "Klassiker" im BDR-Team stellt schon seit Jahren
seine Klasse immer wieder unter Beweis. Der Straßen-Profi (Agro Adler Brandenburg)
gehörte im vergangenen Jahr mit Silber im Punktefahren und Bronze im
Zweier-Mannschaftsfahren zu den erfolgreichsten BDR-Athleten. Kappes will seine
erfolgreiche Bilanz als Bahnfahrer in Berlin mit dem Gewinn der Goldmedaille verbessern.
Nach einer erfolgreichen Straßensaison wäre ein Titel auf der Bahn die beste Empfehlung
für die nur wenige Tage später beginnende Sechstage-Saison, wo der derzeit
erfolgreichste deutsche Sechstage-Fahrer auch wieder vorne mitmischen will. Und das traut
ihm Lange auch zu: "Andi ist mit etwas Glück immer für eine Medaille gut, er
verfügt über die notwendige Routine und ein gutes Auge...."
Im letzten Jahr gewann das Duo Kappes/Steinweg im
Zweier-Mannschaftsfahren zwar Bronze. Dass in dieser Disziplin aber noch mehr drin ist,
war schon damals erkennbar. Mit einem neuen Partner, dem WM-Neuling Olaf Pollack, peilt
Kappes auch in Berlin wieder die Medaillen an. Ein Ziel, dass laut Bundestrainer Lange
auch gar nicht unrealistisch ist.
Das Zweier-Mannschaftsfahren wird vom BDR verstärkt gefördert, da es
im kommenden Jahr erstmals olympische Disziplin ist. So erhalten die jüngeren Teams seit
vergangenem Jahr Startmöglichkeiten bei den Sechstage-Rennen. "In dieser Disziplin
benötigt man viel Erfahrung", hält Lange viel von der Kombination aus erfahrenem
und jungem Fahrer, so wie es jetzt das Duo Kappes/Pollack und auch die Kombination
Fulst/Rund, die in diesem Jahr Deutsche Meister wurden, in die Praxis umsetzt. Im Hinblick
auf die Olympischen Spiele schwebt dem Bundestrainer jedoch noch eine ganz andere
Kombination vor: "Zabel/Kappes" lautet da sein Traumpaar, aber das bleibt
vorerst noch Spekulation....
Medaillenchancen in allen vier Disziplinen - die Ausdauerspezialisten
des Bundes Deutscher Radfahrer können durchaus optimistisch in Richtung WM schauen, zumal
alle Fahrer gesundheitlich auf der Höhe sind. Lediglich Daniel Becke ist nach einem
Infekt noch nicht wieder völlig fit. Und auch Guido Fulst bleibt noch eine gute Woche, um
an die gewohnte Leistungsstärke anzuknüpfen. Seit dieser Woche trainieren die Fahrer vor
Ort in Berlin auf dem schon bekannten WM-Oval und auf den Straßen rund um Berlin.
Deutsche Medaillenhoffnung Nummer eins bei den Frauen ist Judith Arndt
in der 3000-Meter-Einerverfolgung. Die Sportsoldatin reiste unmittelbar von der
Straßen-WM in Italien nach Berlin. In Treviso belegte sie Platz sechs im
Einzelzeitfahren. Wenngleich diese Platzierung sie nicht völlig zufriedenstellte, waren
die nur geringen Zeitabstände zu den Medaillenplätzen eindeutiges Indiz, dass hier für
die Frankfurterin in Zukunft mehr zu holen ist. Davon ist auch der zuständige
Bundestrainer Hans-Joachim Hartnick überzeugt. "Ein bisschen mehr Risiko auf den
ersten Kilometern, dann hätte es einen anderen Rennausgang geben können."
Um sich voll auf die Weltmeisterschaften im Bahnradsport konzentrieren
zu können, verzichtete Judith Arndt in Italien auf das abschließende Straßenrennen und
startete stattdessen eine Woche vor Beginn der Titelkämpfe in Berlin die letzten
WM-Vorbereitungen auf der Bahn. Gemeinsam mit Teamkollegin Anke Wichmann und dem
Bundestrainer holt sich die 23-Jährige derzeit auf dem WM-Oval den letzten Schliff.
Erstes WM-Ziel von Judith Arndt ist die Verteidigung ihrer
Bronzemedaille aus dem Vorjahr. Im optimalen Fall könnte sie diese Medaille sogar weiter
veredeln, was allerdings angesichts der starken Konkurrenz mit der frischgebackenen
Weltmeisterin im Einzelzeitfahren, Leontien Zijlaard-van Moorsel aus den Niederlanden, und
der Weltmeisterin von 1998, Lucy Tyler-Sharman (Australien), extrem schwierig werden
dürfte. Auch die Litauerin Rasa Mazeikyte, die in diesem Jahr bereits zwei Weltcup-Rennen
gewann, zählt Hartnick zu den engsten Medaillenfavoritinnen. Bis zu den Olympischen
Spielen 2000 wird Judith Arndt dem Bahnradsport auf jeden Fall noch treu bleiben. Ob sie
ihren Schwerpunkt danach in Richtung Straßenrennsport verlegen wird, steht derzeit noch
in den Sternen. Anzunehmen ist es jedoch, denn mit hervorragenden Platzierungen bei
Rundfahrten und Straßenrennen, zuletzt unter anderem mit dem 11. Rang im Gesamtklassement
der Tour de France Féminin, stellte sie ihre Klasse auf der Straße in diesem Jahr schon
häufig unter Beweis.
Jetzt aber heißt es für die Verfolgungs-Weltmeisterin von 1997 und
Olympia-Dritte von 1996 erst einmal Konzentration auf den Bahnradsport, denn bei der WM
vor heimischem Publikum will sie nicht nur in der Einerverfolgung ganz vorne mitmischen,
sondern eventuell auch im Punktefahren für eine Überraschung sorgen. "Bei den
Weltcups in Frisco und Valencia waren Anke und Judith mit einem dritten und einem zweiten
Platz jeweils ganz vorne mit dabei", ist Hartnick optimistisch, dass Judith Arndt
auch im Punktefahren einen vorderen Platz belegen könnte. Auch Anke Wichmann will ihre
erfreulichen Saisonleistungen in der Einerverfolgung mit einer guten Platzierung bei den
Weltmeisterschaften im eigenen Land bestätigen. Sie ist in diesem Jahr schon Zeiten unter
3:45 Minuten gefahren und will in Berlin auf jeden Fall unter die letzten Acht kommen.