Eine Medaille ist das Ziel - Interview mit
Bundestrainer Jochen Dornbusch
Hamilton (rad-net) - Die deutschen Radsportlerinnen gehören zur Weltspitze. Judith Arndt hat
gerade in Kanada ein Etappenrennen gewonnen. Regina Schleicher triumphierte auf
zwei Etappen. Eine gelungene Generalprobe für die BDR-Athletinnen vor den
Weltmeisterschaften in Hamilton. Am morgigen Mittwoch um 14:10 Uhr Ortszeit
starten Hanka Kupfernagel (Equipe Nürnberger Versicherung/Werder) und Judith
Arndt (Equipe Nürnberger Versicherung/Leipzig) in das Einzelzeitfahren über
20,8 Kilometer, am Samstag um 12:45 steht das Straßenrennen über 124 Kilometer
auf dem Programm. Dort wird Judith Arndt unterstützt von den
Nationalfahrerinnen Karen Bockel (Rona Esker/FortCollins/USA), Tina Liebig (Euregio
Egrensis/Jena), Regina Schleicher (US Chirio Forno/Marktheidenfeld), Theresa
Senff (Euregio Egrensis/Siegelbach) und Trixi Worrack (Equipe Nürnberger
Versicherung/Ahlen) Über die WM-Chancen der Deutschen spricht Bundestrainer
Jochen Dornbusch im folgenden Interview.
Nach der Kanada-Rundfahrt sind Sie nach Hamilton
gereist. Wie sind die Bedingungen dort?
Jochen Dornbusch: „Es ist zwar kalt, aber wir können gut
trainieren. Es ist wichtig, dass sich die Frauen an die äußeren Bedingungen
gewöhnen.“
Konnten Sie schon die WM-Strecke inspizieren?
Beschreiben Sie die Schwierigkeiten.
„Wir werden sie bis zur WM-Entscheidung natürlich ausführlich testen. Die
Straßen sind breit. In jeder Runde gilt es, 200 Höhenmeter zu überwinden. Der
Kurs ist sehr schwer, ganz anders als in Zolder vor einem Jahr. Es geht fast
immer auf und ab. Zwei richtige Steigungen pro Runde kosten Kraft.“
Wen fürchtet Ihre Mannschaft als Gegnerinnen am
meisten?
„Weltcup-Siegerin Nicole Cooke, Titelverteidigerin Susanne
Ljungskog, dann die starke Schweizerin Nicole Brändli, Mirjam Melchers aus den
Niederlanden... Es gibt so viele starke Frauen in der Szene. Den Favoritenkreis
kann man nicht auf einige wenige beschränken. Es gilt einfach, wachsam zu sein
und jede Situation kontern zu können, um Chancen auf eine Medaille zu wahren.“
Das Abschneiden in der Kanada-Tour war eine
gelungene Generalprobe. Lässt das Rückschlüsse auf die WM zu?
„Die Tour war ein guter Test, aber man darf das Ergebnis nicht überbewerten.
Es fehlten einige Spitzenfahrerinnen. Aber unsere gesamte Saison verlief
erfolgreich, wie eigentlich immer in den letzten Jahren. Jetzt fehlt uns bei der
WM nur ein wenig Glück. Das hatten wir nicht immer.“
Judith Arndt war krank. Jetzt hat sie die Tour
Feminin in Kanada gewonnen. Sie ist also wieder fit.
„Ja, sie ist gesund und guter Dinge. Leider fällt Petra Roßner aus, die
verletzt ist.“
Wie sieht die Taktik für das WM-Rennen aus? Welche
Trumpfkarten spielen Sie?
„Wir haben mit Arndt, Worrack und Schleicher drei Damen, die ganz
vorne mitfahren können. Ich hoffe, den Ausfall von Roßner mit Karen Bockel,
die eine sehr gute Teamfahrerin ist, gut abdecken zu können. Ansonsten rechne
ich bei der schweren Strecke mit einem Ausscheidungsrennen.“
Welche Chancen rechnen Sie sich aus?
„Bei einer WM spielen viele Faktoren eine Rolle. Ich hoffe, dass
wir diesmal mehr Glück haben und vielleicht eine Medaille holen. Das wäre
super.“
Im Zeitfahren hat Hanka Kupfernagel rechtzeitig vor
der WM zu ihrer Form zurückgefunden. Wer ist die zweite Starterin und mit
welchen Ergebnissen rechnen Sie?
„Hanka hat sich nach längerer Verletzungspause wieder an die Spitze gefahren.
Aber die erste Wahl ist Judith Arndt. Unter die besten Fünf zu kommen, wäre
wünschenswert.“
Um diese Jahreszeit muss man in Hamilton mit
schlechtem Wetter rechnen. Ist das ein Nachteil für die deutschen Starterinnen?
„Das ist ein Nachteil für alle, weil wir ja keine Wintersportler sind, aber
manche kommen da besser mit klar, und andere weniger.“
Neben routinierten Fahrerinnen wie Judith Arndt und
Regina Schleicher schicken Sie auch junge Athletinnen wie Theresa Senff ins
Rennen. Welche Aufgaben hat sie? Sie war immerhin Vize-Europameisterin.
„Theresa Senff ist nach Trixi Worrack das größte Talent im deutschen
Frauenradsport. Das Problem ist, dass ihre Saison auch schon sehr lang ist. Sie
soll Erfahrung sammeln und wird im Ernstfall für die Mannschaft arbeiten.“
Regina Schleicher ist eine Individualistin. Letztes
Jahr hat sie sich nicht ins Team integriert. Ist nicht zu befürchten, dass sie
auch diesmal nur für sich fahren wird?
„Letztes Jahr hat sie sich selbst geschadet, das weiß sie am besten. Im
kanadischen Grand Prix Feminin war sie aber ein vollwertiger Teil des Teams, die
nicht nur zwei Etappen gewinnen konnte, sondern auch zum Sieg von Judith Arndt
beigetragen hat.“
Ganz konkret gefragt: Haben die deutschen Damen
Chancen auf eine WM-Medaille?
„Das ist unser oberstes Ziel.“