Gute
Stimmung bei Vorbereitung am Herzogenhorn - BDR-Team
fährt optimistisch zur Hallenradsport-WM nach Dornbirn
Frankfurt/Main (rad-press) Die Weltmeisterschaften sind in diesem Jahr für
die deutschen Hallenradsportler fast ein Heimspiel. Das österreichische
Dornbirn am Bodensee, wo vom 25. bis 27. Oktober die Weltmeisterschaften im
Kunstradsport und Radball stattfinden, ist im Gegensatz zum Vorjahr, wo die
Titelkämpfe im tausende Kilometer entfernten Japan ausgetragen wurden, sowohl für
die Sportler als auch für rund 2500 mitreisende deutsche Fans nur ein
“Katzensprung” entfernt.
Wie in den Jahren zuvor ist davon auszugehen, dass die deutschen Starter
auch in diesem Jahr das Maß der Dinge sind und die Medaillenbilanz des BDR zum
Ende des Sportjahres deutlich aufpolieren. Nach fünf Goldmedaillen sowie
jeweils zweimal Silber und Bronze im Vorjahr zählen die Schützlinge der
Bundestrainer Kurt-Jürgen Daum (Kunstradsport) und Jürgen King (Radball) auch
in Dornbirn wieder zu den großen WM-Favoriten. Kurt-Jürgen Daum (Dudenhofen)
wird bei der WM in Dornbirn erstmals von Marcus Klein unterstützt, nachdem sich
Heike Marklein stärker auf ihre Tätigkeit als Junioren-Bundestrainerin
konzentrieren will.
Zweier-Frauen: Zwei neue
BDR-Duos kämpfen um Medaillen
Die
erste Entscheidung von Dornbirn fällt im Zweier-Kunstfahren der Frauen. Nach
den Rücktritten der Weltmeisterinnen von 2001, Sandra Steegmüller/Katrin
Ludwig, und den WM-Zweiten Eva und Yvonne Breitenbach, will der BDR bei dieser
WM mit zwei brandneuen jungen Paaren im Zweier-Kunstfahren der Frauen punkten.
Davon, dass Manuela Schönberger/Silke Gaiser, die im DM-Vorkampf einen neuen
Weltrekord aufstellten, das Zeug dazu haben, ganz vorne in die Medaillenränge
zu fahren, ist Bundestrainer Daum überzeugt. Auch wenn es für Silke Gaiser,
die einen Tag später auch noch im Einer-Kunstfahren startet, eine
Doppelbelastung ist. Als zweites Paar kann Daum auf die
Junioren-Europameisterinnen von 2001, Carolin Ingelfinger/Katja Knaack zurückgreifen.
Für beide Paare ist es die erste WM und der entscheidende Punkt wird sein, wie
sie mit der Belastung fertig werden, auf internationalem Parkett vor großer
Kulisse zu starten. Im internen Duell sieht Bundestrainer Daum das Duo Schönberger/Gaiser
leicht favorisiert. „Es wäre schon eine Enttäuschung, wenn unsere Paare
nicht auf dem Siegertreppchen landen würden.“
Im
Gegensatz zu den Vorjahren dürfte die internationale Konkurrenz nach den
zahlreichen Rücktritten vom aktiven Leistungssport – neben den beiden
deutschen Paaren im Vorjahr haben auch die Portugiesinnen Carmen und Yvonne
Carvalho ihre Karriere 2000 in Böblingen mit dem WM-Titel beendet und die
Tschechinnen Blanka Neuschlova/Sarka Janeckova seit 2001 eine „Babypause“
eingelegt - in Dornbirn etwas schwächer sein, so dass beide deutschen Paare bei
der Medaillenvergabe zu den Favoritinnen gehören. „Im Vergleich liegen die
Schwierigkeitsgrade im Zweier-Frauen in diesem Jahr um 15 bis 20 Punkte höher
als noch in den Vorjahren“, erwartet Daum im Zweier-Frauen vor allem die Paare
aus Frankreich, der Schweiz, Österreich und der Tschechischen Republik im Kampf
um die Medaillen auf den vorderen Plätzen.
Einer-Frauen: Spannender
Dreikampf um Gold / Silke Gaiser zum Zweiten
Auch die zweite WM-Entscheidung fällt bei den Frauen und nicht ohne Grund
hat der Südwestrundfunk Interesse an einer Übertragung des Frauen-Finales
bekundet, denn der Kampf um die Medaillen im Einer-Kunstfahren der Frauen zählte
in den letzten Jahren stets zu den spannendsten Wettkämpfen der WM. Auch in
Dornbirn ist Höchstspannung angesagt. “War es im letzten Jahr ein Zweikampf
zwischen Martina Stepankova und Astrid Ruckaberle, ist in diesem Jahr ein Dreikampf zwischen den beiden und Silke Gaiser zu erwarten.
In keiner anderen Disziplin lässt sich das Ergebnis so schlecht voraussagen”,
rechnet der Bundestrainer mit einem “offenen Ausgang”.
Das Spitzen-Duo aus Weltmeisterin Ruckaberle und Vize-Weltmeisterin
Stepankova aus der Tschechischen Republik hat in diesem Jahr interessanten
Zuwachs bekommen. Mit Silke Gaiser feiert eine junge Sportlerin ihre
WM-Premiere, die durchaus für eine Überraschung sorgen könnte. Immerhin
schaffte die 19-Jährige Anfang Oktober bei den Deutschen Meisterschaften das
“Double” und gewann zudem auch noch die Gesamtwertung der German Masters.
Dabei schien ihre Karriere im Jahr 2000 stark in Frage gestellt, als sie mit
rheumatologischen Problemen kämpfen musste und keine Wettkämpfe bestreiten
konnte. Jetzt aber haben alle medizinischen Gremien “grünes Licht” für die
Fortsetzung einer vielversprechenden Karriere gegeben. Von großem Interesse dürfte
sein, wie die junge Reichenbacherin ihre beiden WM-Auftritte in den beiden
Disziplinen verkraften wird.
Auch Weltmeisterin Astrid Ruckaberle ist in hervorragender WM-Form. Die 23-Jährige
wechselte im Frühjahr als Sportsoldatin in die Sportkompanie Stuttgart, wo sie
beste Trainingsvoraussetzungen vorfindet. Für Daum ist klar, dass er bei der WM
auf eine Astrid Ruckaberle in Top-Form bauen kann: “Das Besondere am
Einer-Frauen ist, dass im Gegensatz zu allen anderen Disziplinen die Konkurrenz
sehr dicht beieinander liegt.” Alle drei Titel-Aspirantinnen beherrschen den
Maute-Hüpfer, die Programme unterscheiden sich vom Schwierigkeitsgrad nur
unwesentlich. “Natürlich entscheidet das sportliche Können, aber den letzten
Ausschlag kann bei diesem Wettkampf wirklich geben, welche Fahrerin am besten
mit der emotionalen Belastung fertig wird”, ist Daum schon jetzt auf den
Ausgang des Wettkampfs gespannt.
Zweier-Männer:
Altvater/Kunert oder Rauch/Rauch ?
Nach der Titelvergabe in den Frauen-Disziplinen sind am Samstagabend die Männer
mit ihrer ersten Entscheidung im Zweier-Kunstfahren dran. Für Kurt-Jürgen Daum
der Zeitpunkt, an dem er sich vermutlich bei dieser WM erstmals beruhigt zurücklehnen
kann. Auf Anhieb hatte das junge Duo aus Magstadt, Simon Altvater und Nico
Kunert, im vergangenen Jahr die Lücke geschlossen, die nach dem Rücktritt der
sechsmaligen Weltmeister Stefan Raaf und Michael Roth entstanden war. Zur Überraschung
vieler Experten gelang ihnen bei ihrer WM-Premiere in Kaseda-City direkt ein
Sieg über das routinierte Duo aus Langenprozelten, Michael und Heiko Rauch, die
immerhin schon dreimal Weltmeister waren und sowohl 2000 als auch 2001 die
Silbermedaille gewannen. “
Auch in dieser Saison zeigten Altvater/Kunert, die vor ihrem WM-Titel schon
dreimal (1998, 1999, 2000) Europameister bei den Junioren waren, hervorragende
Leistungen. Neben dem deutschen Meistertitel konnten sie auch die Gesamtwertung
des German Masters für sich entscheiden. Allerdings muss man den Rauchs zugute
halten, dass sie auch in diesem Jahr nach einer Verletzung - Heiko Rauch zog
sich bei einem Skiunfall einen komplizierten Oberschenkelbruch zu - mit einem
großen Handicap in die Saison starteten. Und das nicht zum ersten Mal, denn
auch im Vorjahr brachte eine Knieoperation bei Heiko Rauch die Saisonplanung
durcheinander. Auch der Bundestrainer ist mit dem sportlichen Bewegungsdrang von
Heiko Rauch, der in Dornbirn noch mit einer Schraube im Oberschenkelknochen
startet, nicht immer glücklich. “Manchmal würde ich mir schon wünschen,
dass sich Heiko bei seinen sportlichen Aktivitäten etwas zurücknimmt. Umso
bemerkenswerter ist es jedoch, dass die beiden es immer wieder schaffen, bis zur
WM in Top-Form zu sein. Heiko ist halt ein Riesentalent”, lobt Daum das außergewöhnlich
gute Bewegungsgefühl des 24-Jährigen. Bei der WM rechnet der Bundestrainer mit
einem Kopf-an-Kopf-Rennen der beiden deutschen Paare: “Altvater/Kunert sehen
auf dem Papier nach der abgelaufenen Saison zwar wie die Favoriten aus,
allerdings könnten die Rauchs auch ihre langjährige Erfahrung ausspielen.
Medaillen für beide Teams sind auf jeden Fall möglich.”
Ähnlich wie in den Vorjahren ist auch in Dornbirn nicht unbedingt mit einer
enorm starken Konkurrenz aus dem Ausland zu rechnen. “Das ist keine Überheblichkeit,
aber gerade im Zweier-Männer klafft hinter den deutschen Paaren eine große Lücke”,
bemerkt Daum. Im Gegensatz zur nationalen Situation, wo den Top-Paaren mit Felix
Niederberger/Jonas Niederberger (Nattheim) schon wieder der Nachwuchs im Nacken
sitzt und auch aus dem Junioren-Bereich in den kommenden Jahren weitere
talentierte Paare in den Startlöchern stehen.
Einer-Männer: WM-Titel Nummer
6 für “Schumi” Martin Rominger?
Ein Höhepunkt der Hallen-WM in Dornbirn wird am Sonntag die Entscheidung im
Einer-Kunstfahren der Männer sein, schon alleine die technisch anspruchsvolle Kür
von Martin Rominger dürfte das Eintrittsgeld wert sein. Eine Goldmedaille für
Rominger und eine Silbermedaille für Steffen Hain, vorausgesetzt er steht seine
schwierige Kür durch – so könnte im Optimalfall das Ergebnis für den BDR am
Ende lauten. Dass Martin Rominger nach fünf WM-Titeln in Folge in diesem Jahr
von seinem Erfolgsweg abkommt, ist unwahrscheinlich. Das hat nicht zuletzt sein
souveränes Auftreten bei den Deutschen Meisterschaften und den German Masters
unterstrichen.
Der 25-Jährige, der sein Sportstudium inzwischen abgeschlossen hat und
jetzt noch ein Aufbau-Studium “Internationales Sport-Management” bis Ende
2003 dranhängt, kann sich, so Bundestrainer Daum, „eigentlich nur selbst
schlagen“. “Martin ist für mich so ein bisschen der ‘Michael
Schumacher’ des Kunstradsports. Er hat in seiner Karriere alles gewonnen, was
es im Kunstradsport zu gewinnen gibt. Außerdem hält er den Weltrekord. Er wäre
sicher auch in jeder anderen Disziplin ein Top-Athlet geworden”, glaubt Daum,
dass Rominger sich in Dornbirn mit Titel Nummer sechs an die Spitze der
erfolgreichsten Kunstradsportler aller Zeiten setzen möchte. Damit könnte der
Tailfinger seinen „deutschen Vorgänger“ in der WM-Statistik, Dieter Maute,
überholen, der fünfmal das Regenbogentrikot überstreifen durfte (1986, 1987,
1993, 1994, 1995). Mit dem sechsten Titel könnte Rominger außerdem dann auch
den Schweizer Arnold Tschopp einholen, der sechs WM-Titel (1956, 1957, 1960,
1961, 1962, 1963) - allerdings nicht in Folge - gewann.
Schon spannender wird es für den Bundestrainer, wenn der zweite deutsche
Starter aufs Parkett geht: Aber auch Steffen Hain (Erlenbach), dessen
WM-Teilnahme bereits nach fünf von sieben Qualifikationsrunden so gut wie
sicher war, hat gute Chancen auf die Silbermedaille. Allerdings ist die
Konkurrenz in dieser Disziplin wieder stärker geworden. Nach dem Rücktritt des
im schwäbischen Öhringen lebenden Spaniers und Silbermedaillengewinners von
2001, José Arellano, sind vor allem die beiden Tschechen Arnost Pokorny und
Milan Krivanek als Anwärter auf Silber und Bronze dazuzurechnen.
“Wir haben mit Rominger und Hain die beiden stärksten Fahrer bei der WM.
Aber mit Robin Hartmann, in diesem Jahr “WM-Ersatzmann”, Michael Kolbert und
Rolf Weiler steht die nächste Generation an Top-Fahrern schon bereit”, ist
der BDR-Bundestrainer für die Zukunft zuversichtlich, zumal auch im kommenden
Jahr noch drei weitere talentierte Junioren in den Elitekader wechseln. “Auch
wenn ein Martin Rominger derzeit alles überstrahlt, zeigen auch die Jungen
schon größten Ehrgeiz, möglichst schnell an dessen Leistungen
heranzukommen.”
Vierer-Frauen zunehmend attraktiver
Das
Vierer-Kunstfahren der Frauen, das bei der WM als Grand Prix durchgeführt wird,
erfreut sich in den letzten Jahren einer steigenden Beliebtheit. „Die Zahl der
teilnehmenden Nationen wird immer größer, die gefahrenen Programme sind
attraktiv und ästhetisch und kommen beim Publikum sehr gut an“, erkennt Daum
bei dieser Disziplin zunehmend einen ernstzunehmenden Wettbewerbscharakter. Mit
der Mannschaft aus Steinhöring (Michaela Bodmeier, Martina Werndl, Sandra
Bosch, Stefanie Sackenheim) hat der BDR dazu eine qualitativ hervorragende und
erfahrene Mannschaft am Start, die für eine weitere Medaille gut ist.
Gute Stimmung am Herzogenhorn / Zukunftsgedanken / Wettkämpfe im
Internet
Den
traditionellen WM-Lehrgang in der Abgeschiedenheit am Herzogenhorn haben die
BDR-Aktiven Mitte Oktober schon hinter sich gebracht. „Wir haben nicht nur gut
trainiert, sondern hatten auch viel Spaß und gute Stimmung“, freut sich Daum
über das harmonische Zusammentreffen des Teams. „Gerade in diesem Jahr sind
viele WM-Neulinge dabei, dennoch wirkte die Mannschaft bereits jetzt schon sehr
geschlossen.“ Zum „Aufwärmen“ steht am 20./21. Oktober noch ein Länderkampf
gegen die Schweiz in Nürendorf auf dem Programm.
Dass
die deutsche Vormachtstellung auch in diesem Jahr ungefährdet scheint, sieht
Bundestrainer Daum mit einem lachenden und einem weinenden Auge. „Als
Bundestrainer ist es natürlich meine vorrangige Aufgabe, für gute Leistungen
und Medaillen zu sorgen. International ist es aber schon schade, dass sich die
Konkurrenz doch nur sehr langsam entwickelt.“ Die fehlende Infrastruktur mit
einer entsprechenden Anzahl an Hallen, Trainingsmöglichkeiten und gut
ausgebildeten Trainern sieht Daum als Hauptgrund. „Diese Abstände sollten
kleiner sein, aber es wird sicher noch einige Zeit dauern, bis uns die
Konkurrenz das Fürchten lehren wird.“
Im
Jahr 2003 steht beim Internationalen Hallenradsport-Verband CIS eine Überarbeitung
des Kunstradsport-Reglements an. Ein Arbeitskreis mit Teilnehmern aus den
entscheidenden Kunstradsport-Nationen soll sich dann Gedanken über die
Weiterentwicklung der Disziplin machen. Auch wenn Daum nicht glaubt, dass es
nach diesem Brainstorming revolutionäre Neuheiten geben wird, kann er sich doch
vorstellen, dass über Themen wie WM-Termin und Saisonplanung, Dauer der Kür,
Abgänge und neue Übungen diskutiert wird. „Ein Thema könnte auch die Einführung
von Mixed Teams im Zweier-Kunstfahren sein, das aber schon einmal vor Jahren
diskutiert und damals abgelehnt wurde.“ Kein Thema mehr, sondern inzwischen
internationaler Standard ist die Nutzung des Computer-Systems, mit dem die
Wertungen schneller und vor allem für das Publikum transparenter gemacht werden
konnten. Eine noch bessere Präsenz im Internet wäre für Daum ebenfalls wünschenswert.
Als nächsten Schritt in diese Richtung könnte sich der Computer-Experte eine
Übertragung der Wettkämpfe per Web-Cam im Internet vorstellen.
Radball: Medaille als Ziel /
Premiere Radball-Weltcup
Bei der WM 2001 in Kaseda-City feierte Jürgen King seine
Premiere als neuer Radball-Bundestrainer – und besser hätte sein Einstand
eigentlich nicht ausfallen können. Der Lauterbacher, der gemeinsam mit seinem
Bruder Jürgen auf eine 24-jährige erfolgreiche Karriere (1970 bis 1994) mit
drei WM-Titeln und drei WM-Silbermedaillen zurückblicken kann, konnte auch als
Bundestrainer von seiner ersten WM eine Goldmedaille mit nach Hause bringen. Im
Finale von Kaseda-City besiegten die Gärtringer Sandro und Michael Lomuscio die
österreichischen Konkurrenten Marco Schallert/Dietmar Schneider.
In
Dornbirn wird der BDR durch das Duo Thomas Abel/Jens Häuser vertreten. Die
Krofdorfer setzten sich in der WM-Qualifikation klar gegenüber den Gärtringer
Weltmeistern durch. „Jens und Thomas haben schon seit Beginn der Saison mit
guten Leistungen überzeugt, ihr WM-Einsatz ist absolut gerechtfertigt“, ist
King auf die WM-Premiere der beiden gespannt. In den vergangenen beiden Jahren
gehörten Abel/Häuser bereits zweimal zum deutschen WM-Team, kamen allerdings
als Ersatzpaar nie zum Einsatz. „Dennoch können sie sicher davon profitieren,
dass sie schon einmal von der speziellen WM-Atmosphäre geschnuppert haben“,
hat der Bundestrainer den beiden empfohlen, sich noch einmal die Videobänder
der WM in Böblingen anzuschauen: „Spielerisch haben sie genauso viel drauf
wie die Gärtringer. Abzuwarten bleibt aber, wie sie die nervliche Belastung
wegstecken, das kann man vorher auch als Trainer nicht beeinflussen. Sie müssen
alles geben und zeigen, dass sie diesen Startplatz zu Recht innehaben”,
fordert der Bundestrainer.
Angesichts
der schweren Konkurrenz auf Gold zu spekulieren, hält King für vermessen.
Top-Favoriten auf den Titel sind für ihn in diesem Jahr die Österreicher
Schallert/Schneider. Nach Rang drei 2000 und Platz zwei 2001 haben sie vor
heimischem Publikum die größten Ambitionen: “Schallert ist jetzt seit elf
Jahren dabei, er war schon zu meiner Zeit aktiv. Die beiden sind heiß auf ihren
ersten Titel“, spricht, so King, vor allem die große Erfahrung und Routine für
die Österreicher. „Auf hohem Niveau spielen auch die Tschechen Smid/Skotak,
die ebenso wenig zu unterschätzen sind, wie die Schweizer Jiricek/Looser.
Unbequem sind aber auch die Belgier und Franzosen”, erweitert King den Kreis
der möglichen Medaillen-Kandidaten. “Unser Ziel in Dornbirn ist eine
Medaille, damit wären wir sehr zufrieden”, warnt er vor allzu großen
Erwartungen: “Ein Sieg und eine gute Leistung im ersten Spiel gegen die
Belgier wäre eine gute Basis für Jens und Thomas. Und wenn das Glück
mitspielt und die Tagesform stimmt, dann ist sicher auch mehr drin. ”
Mit den Brüdern Lomuscio, die in Dornbirn noch als
Ersatzpaar mit von der Partie sein werden, verliert der BDR am Ende dieser
Saison nach 20 Jahren Radball eines der stärksten Teams. Die Gärtringer hatten
sich gerade in den letzten Jahren mit ihren beiden WM-Titeln in die Geschichtsbücher
des Radball-Sports eingetragen und zu so prominenten Namen der Vergangenheit wie
den Steinmeiers und den Kings aufgeschlossen. “Wir verlieren zwei wichtige
Persönlichkeiten, aber letztendlich muss man diese Entscheidung akzeptieren.
Nach zehn Jahren in der Weltspitze, zwei WM- und vier DM-Titeln verschieben sich
die Prioritäten, da ist man auch nicht mehr so motiviert”, hat King Verständnis,
dass den beiden die permanente Dauerbelastung durch Beruf, Familie und Sport
jetzt zuviel wurde. Und obwohl King bei den nachrückenden Teams noch keine Persönlichkeiten
à la Lomuscio entdecken kann, ist er im Hinblick auf die nächsten Jahre
optimistisch. “Radball professionell zu betreiben erfordert viel Engagement
der Spieler. Alle müssen Beruf, Familie und Sport unter einen Hut bringen, außerdem
kann man nicht viel mit diesem Sport verdienen”, kann selbst King nicht
voraussagen, welche Spieler ihm in den nächsten Jahren zur Verfügung stehen
werden. “Allerdings stehen mit den Teams aus Edersleben,
Ginsheim, Gärtringen und Eberstadt junge talentierte Mannschaften bereit. Die
Heimtrainer verrichten eine wirklich hervorragende Grundlagen-Arbeit, so dass
die Mannschaften schon jetzt über ein hohes spielerisches Niveau verfügen. Was
ihnen natürlich noch fehlt, ist die Erfahrung”, ist King für die Zukunft
zuversichtlich.
Dem Lauterbacher liegt jedoch nicht nur das Abschneiden
der deutschen WM-Starter auf dem Herzen. Der 39-Jährige, der auch leistungsmäßig
noch nicht zum alten Eisen gehört und im Training mit den Kaderathleten hin und
wieder noch selbst aufs Rad steigt, macht sich auch Gedanken um die Zukunft der
Disziplin Radball. Im Mai 2002 traf sich Frankfurt ein kleiner Kreis aus
Fachleuten, die sich mit dem bestehenden Reglement befassten. Vorschläge, die
den Radball-Sport attraktiver machen könnten, wurden inzwischen der UCI
vorgelegt. “Ähnlich wie im Fußball könnte man mit einer 3-Punkte-Regelung
die offensive Spielweise fördern”, nennt King ein Beispiel für die Vorschläge,
über die UCI und CIS bis zum Jahr 2004 beraten werden.
Ein weiteres zeitintensives Betätigungsfeld ist für Jürgen
King der in diesem Jahr erstmals durchgeführte Radball-Weltcup. Für die acht
Veranstaltungen (je 2 in Deutschland, der Schweiz und der Tschechischen
Republik, je 1 in Österreich und Japan) umfassende Serie, wurde er als
technischer Delegierter eingesetzt. Zustande kam die Serie fast zufällig: Als
Hartmut Kimmerle, OK-Chef der Hallen-WM 2000 in Böblingen, noch einen Sponsor
suchte, fiel ihm die Firma ETIB ein, ein Unternehmen, das im Automobilbereich
als Dienstleister u.a. für Daimler-Chrysler tätig ist. Kimmerle, damals
ebenfalls bei Daimler-Chrysler beschäftigt, konnte den ETIB-Geschäftsführer
Heiner Lohmann nicht nur als WM-Sponsor gewinnen, sondern nach vier Tagen
begeisternder WM-Atmosphäre in Böblingen auch zu einem Radball-Anhänger
machen – und das mit positiven Nachwirkungen: Premiere des ETIB-Weltcups
2002/2003 und die vertragliche Absicherung des Weltcups für die nächsten fünf
Jahre.
„Man kann die Weltcup-Premiere durchaus als gelungen
betrachten, wenngleich sicher noch einzelne Punkte – zum Beispiel die
Medienarbeit – zu verbessern sind. Guter Sport attraktiv präsentiert ist
heute das Grundrezept für erfolgreiche Sportveranstaltungen”, ist King, der
inzwischen für die Firma ETIB als Key-Account-Manager tätig ist, mit der
ersten Weltcup-Saison, die mit dem Finale am 8. Februar 2003 beendet wird,
zufrieden. “Danach wird es ein Gespräch mit allen Ausrichtern geben, um eine
noch bessere Organisation in Zukunft zu gewährleisten.”
Hohe sportliche Qualität und ein knackiges,
attraktives Rahmenprogramm sind, so Jürgen King, das “A & O” des
Weltcups: “Die Vorrundenspiele finden jeweils in der Zeit zwischen 11.00 und
17.30 Uhr statt, so dass am Abend ab 19.00 Uhr nur noch hochkarätige
Platzierungsspiele folgen. Dazwischen gibt es attraktive Showblöcke.” Die
sportliche Qualität der Serie wird durch eine Quotenregelung gewährleistet:
die stärksten Radball-Nationen (Deutschland, Österreich, die Schweiz,
Tschechische Republik) können je drei Teams an den Start bringen (Deutschland
als amtierender Weltmeister in diesem Jahr vier). Insgesamt nahmen in der
Premieren-Saison 15 Teams teil, darunter mit Hongkong und Japan auch einige Übersee-Nationen.
In die Endwertung kommen vier der maximal möglichen acht Turnier-Ergebnisse.
Attraktiv sind auch die vom Sponsor ausgelobten Preisgelder, die gestaffelt vom
ersten bis zum letzten Platz ausbezahlt werden.
BDR-Vize-Präsident
Harry Bodmer: „Wir müssen uns präsentieren“
Auch
BDR-Vize-Präsident Harry Bodmer (Herrenzimmern) macht sich neben dem rein
sportlichen Abschneiden der BDR-Aktiven Gedanken um die Zukunft des
Hallenradsports. Gerade was die Präsentation seiner Disziplin in den Medien
angeht, zeigt der ehemalige Weltmeister große Aktivität. Als der Südwestrundfunk
vor einigen Wochen telefonisch Interesse an einer TV-Übertragung aus Dornbirn
zeigte, beantragte Bodmer zur Realisation der Übertragung beim Internationalen
Dachverband CIS eine Umstellung des Zeitplans. Und fand auch schnell Gehör beim
CIS-Präsidenten Hartmut Kimmerle (Gärtringen), 2000 in Böblingen noch selbst
Chef des Organisationskomitees.
“Die
Möglichkeit, unseren Sport in den Medien und damit einem breiten Publikum zu präsentieren,
muss genutzt werden”, setzt sich Bodmer für eine fernsehgerechte Darstellung
des Hallenradsports ein. Neben der Unterstützung der CIS war ihm auch das Okay
der Athleten sicher, die die wichtige Funktion der Medien inzwischen erkannt
haben und keine Einwände gegen die Zeitplan-Verschiebung hatten. Inzwischen ist
nicht nur die Übertragung beim SWR in “trockenen Tüchern”, auch in
Richtung Schweizerisches und Österreichisches Fernsehen hat Bodmer die Fühler
ausgestreckt: “Vielleicht können wir auch dort noch eine Übertragung
realisieren.” Am Samstag, 26. Oktober, übertragt der SWR in der Zeit zwischen
16.00 und 17.00 Uhr rund 30 Minuten von den Welttitelkämpfen in Österreich. Im
Mittelpunkt der Übertragung wird das Finale im Zweier-Kunstradfahren der Frauen
vom Freitagabend sowie die aktuellen Entscheidungen im Einer-Frauen und die
Radball-Begegnung Deutschland-Österreich stehen. Für das österreichische
Fernsehen dürften vor allem die Radball-Partien von Interesse sein. „Wir sind
gerne bei der Vermittlung von Studiogästen oder Besorgung von Filmmaterial
behilflich“, signalisiert Bodmer Unterstützung: „Auch wenn sie sicher noch
ausbaufähig ist, hat sich die Berichterstattung in den letzten Jahren schon
verbessert.“
Seit
Herbst 2001 steht der Internationale Hallenradsport-Verband CIS unter der
Leitung von Hartmut Kimmerle. Aus Sicht von Bodmer ist Kimmerle ein “Glücksfall”
für den Hallenradsport, “denn mit ihm steht ein Insider an der Spitze, der
Hallenradsport richtig arbeitet”. “Und überhaupt hat das gegenwärtige
CIS-Präsidium ein offenes Ohr für unsere Anliegen”, freut sich Bodmer über
eine Zusammenarbeit der kurzen Wege und schnellen Entscheidungen. Weitere CIS-Präsidiums-Mitglieder
sind neben Kimmlere der Franzose Paul Cabourg, der Belgier Willy Bondue und
Alfred Li aus Hongkong. Die vor einigen Jahren eingeführten Sub-Kommissionen,
die sich mit Themen wie Präsentation und Vermarktung beschäftigten, wurden in
der Zwischenzeit zwar abgeschafft, allerdings sind ihre Aufgabengebiete
weiterhin aktuell. “Wir haben aber festgestellt, dass es mehr Sinn macht, die
aktuellen Probleme und Anliegen mit Hilfe von Projektgruppen zu lösen”,
spricht sich Bodmer für einen reduzierten zeitlichen und personellen Aufwand
aus.
Überhaupt
ist die “dünne personelle Decke” ein Problem. Ein Präsidiumsmitglied
(Bodmer), zwei Bundestrainer (Kurt-Jürgen Daum, Jürgen King), ein Geschäftsstellen-Mitarbeiter
in Frankfurt (Hilmar Heßler), zwei Koordinatoren Kunstradsport (Josef Pooschen,
Sigmar Stumpf), zwei Kommissär-Obleute (Ralf Säuberlich, Siegfried Westphal),
zwei Lehrwarte (Reinhard Schmidt, Manfred Maute) und die BDR-Koordinatorin
Frauen (Sonja Bissinger) umfasst die BDR-Kommission Hallenradsport, die sich
neben den Vereinen und Landesverbänden um Struktur und Organisation des
deutschen Hallenradsports kümmert. “Die komplette Arbeit wird zum Großteil
ehrenamtlich oder nebenberuflich bewältigt, die Mitarbeiter sind völlig
ausgelastet und das wird leider häufig nicht sichtbar und entsprechend
anerkannt”, lobt der Vize-Präsident das Engagement und hofft, dass sich künftig
noch mehr Personen – auch ehemalige Aktive - für eine Mitarbeit finden. Wünschenswert,
so Bodmer, wäre auch, wenn der Hallenradsport außer in Baden-Württemberg und
Bayern wieder mehr Popularität gewänne. “Dort, wo konzeptionell mit den
Sportlern gearbeitet wird, zeigen sich auch Erfolge.”
Positiv
beurteilt Bodmer die Einführung des Radball-Weltcups und hofft gleichzeitig,
dass auch im Kunstradsport so etwas in naher Zukunft möglich ist. „Wir haben
mit der Öffnung der German Masters für die ausländischen Starter schon einen
ersten Schritt getan“, wäre als nächster Schritt, so Bodmer, denkbar, dass
sich die German Masters in Richtung Weltcup weiterentwickeln. „Ein Weltcup müsste
Veranstaltungen in Österreich, der Schweiz, Tschechien, Deutschland aber auch
in einer Übersee-Nation enthalten. Und da beginnt das große Problem. Ähnlich
wie im Bahnradsport würden Schwierigkeiten bei der Finanzierung der hohen
Reisekosten entstehen“, müsste, so Bodmer, die Einführung eines Weltcups
vorab auf ein solides finanzielles Fundament gestellt werden.
Denkbar
wäre für Bodmer auch eine zeitliche Umstrukturierung der Wettkampf-Saison.
„Start im September, anschließend die WM-Qualifikation und im Januar/Februar
die WM, danach noch das Weltcup-Finale“, könnte er sich vorstellen: „Dann müssten
allerdings auch die Termine bei den Junioren und Juniorinnen, die ja im Mai mit
den Europameisterschaften ihren Saison-Höhepunkt feiern, umstrukturiert
werden.“ Nicht besonders glücklich ist Bodmer in diesem Jahr mit dem „frühen“
WM-Termin Ende Oktober: „Dadurch ist die gesamte Saison sehr gedrängt. Zudem
wirkt sich die zeitliche Nähe von Bahn-, Straßen- und Hallenradsport-WM nicht
unbedingt fördernd auf die Zuschauer-Aufmerksamkeit aus.“ Der frühe Termin
soll allerdings die Ausnahme bleiben, im nächsten Jahr finden die Titelkämpfe
im französischen Schiltigheim wieder am angestammten November-Termin statt.
„Ideen,
den Hallenradsport zu modernisieren, gibt es viele“, sagt Bodmer, der gerne
auch schon mal „fachfremde Bekannte“ mit zu einer
Hallenradsport-Veranstaltung nimmt und immer wieder erstaunt ist, welche Eindrücke
sie ihm schildern. „Vielleicht macht es Sinn, nicht immer mit Insidern zu
diskutieren, sondern Experten aus anderen Bereichen zu hören.“ Auch eine
Veranstaltung à la Beach-Volleyball in der Innenstadt wäre für ihn denkbar:
„Wir müssen zu den Leuten gehen und dürfen nicht warten, bis sie zu uns
kommen“, wünscht Bodmer mehr Berührungspunkte mit nicht fachspezifischem
Publikum und denkt dabei beispielsweise auch an Präsentationen des
Kunstradsports im Rahmen großer Straßenradsport-Veranstaltungen wie zum
Beispiel der Deutschland-Tour.
Rund 2500 deutsche Zuschauer werden die Messehalle
in Dornbirn, die insgesamt 4500 Zuschauer fasst, Ende Oktober in einen
Hexenkessel verwandeln. Und diesen Fans sollen die deutschen Aktiven auch
entsprechende Leistungen bieten. „Unsere Sportler stehen bei der WM im
Rampenlicht und sollten sich dementsprechend verkaufen“, hofft Bodmer mit
entsprechenden WM-Leistungen auf eine positive Imagewerbung für den
Hallenradsport in Deutschland.