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Antidoping - Meldungen

Rudolf Scharping: "Ich bin Optimist ohne Illusionen"


Interview vom 30.07.2007 aus der Frankfurter Rundschau

Herr Scharping, macht es eigentlich noch Spaß, Präsident des Bundes Deutscher Radfahrer zu sein?
Rudolf Scharping: Die Zeiten waren schon vergnüglicher. Das ist aber auch wirklich zweitrangig. Verantwortung ist entscheidend - und wie man sie wahrnimmt. Mut machen dabei die Reaktionen: Die Fans und viele andere können unterscheiden. Sie wissen, dass der Radsport viel mehr ist als die Dopingfälle einiger Profi-Rennställe. Einige davon waren vielleicht lange Zeit Vorreiter im Doping. Das zerstört die Werte des Sports. Deshalb muss jetzt der Radsport Vorreiter sein in der Bekämpfung des Dopings. Und das wird ihn am Ende stark machen …

…obwohl andere Sportarten das Problem nicht in diesem Ausmaß haben ...
…oder man es nicht erkennen kann. Ich werde nicht auf andere zeigen und beziehe mich nur auf öffentliche Bemerkungen; zum Beispiel, dass jetzt im Boxsport Trainingskontrollen eingeführt werden sollen - es gab sie also bislang nicht. Allgemein bekannt ist, dass im Radsport der niedrigste Grenzwert für Hämatokrit gilt, also die roten Blutkörperchen, mit 50 Prozent. Beim Rudern oder beim Biathlon liegt er deutlich höher und in der Leichtathletik gibt es ihn wohl gar nicht.

Und was ist zu tun?
Wir hatten beim Deutschen Olympischen Sportbund beantragt, international auf einheitliche Grenzwerte hinzuarbeiten. Das wurde im Dezember 2006 in Weimar beschlossen. Der Sport braucht einheitliche Grenzwerte. Der Radsport hat die schärfsten Grenzwerte und die härtesten Sanktionen. Aber in den Ausdauerdisziplinen des Sports insgesamt sollte für alle relevanten Gesichtspunkte ein System einheitlicher Grenzwerte gelten. Hier müssen der Deutsche Olympische Sportbund sowie die Antidoping-Agenturen auf nationaler und internationaler Ebene aktiv werden.

Der Bundesinnenminister prüft derzeit, ob Ihr Verband öffentliche Mittel auch rechtmäßig einsetzt. Was geschieht, wenn man zu dem Ergebnis kommt, der BDR habe Steuermittel unrechtmäßig verwendet?
Wir legen alles offen, wie die anderen Sportverbände auch. Ich bin seit zwei Jahren Präsident des BDR. Mich persönlich betrifft das eigentlich nicht, aber das wäre zu einfach. Wir müssen die Vergangenheit aufklären, dürfen aber Gegenwart und Zukunft dabei nicht vergessen. Deshalb: Die Forderung nach Kürzung der öffentlichen Mittel ist bar jeder Sachkenntnis.

Wieso?
In den Profiradsport fließt an öffentlichen Mitteln praktisch null. Betroffen von einer Kürzung wären aber die Nachwuchsarbeit, der Frauen-Radsport, der Bahnradsport, die Mountainbiker und alle deren Trainer und Betreuer. Das einzige Bindeglied zwischen öffentlichen Fördergeldern und Profiradsport ist die Nationalmannschaft. Da kommt aber keiner rein, der Doping-verdächtig ist.

Treten Sie noch immer für die Durchführung der Straßenrad-WM Ende September in Stuttgart ein?
Ja. Sie kann einen Wendepunkt im Radsport markieren. Fest steht: Es wird eine bislang ungekannte Intensität und Qualität der Kontrollen im Vorfeld der WM geben - und auch während der Wettkämpfe. Das könnte auch Vorbild sein für andere Sportarten.

Aber die Öffentlichkeit weiß doch längst, dass sich nur die Dummen erwischen lassen.
Das ist ein ebenso beliebtes wie falsches Vorurteil. Denn der Radsport geht heute in der Bekämpfung von Doping härter vor als andere. Die Dopingfälle bei dieser Tour sind schlimm genug, doch trotz alledem: Gegenüber dem Fuentes-Skandal 2006 und vor allem gegenüber dem Festina-Skandal 1998 kann man schon an den Zahlen eine deutliche Verbesserung ablesen. 1998 verschwanden fünf Teams von der Tour, es gab Verhaftungen und Durchsuchungen.

Nach dieser Katastrophen-Tour klingt das, als seien Sie ein hoffnungsloser Optimist.
Ich bin Realist, also Optimist ohne Illusionen. Die Kontrollen greifen - und sie werden immer besser. Natürlich muss der Anti-Dopingkampf konsequent weitergehen, im ganzen Sport übrigens. Es muss eine vorausschauende Dopingforschung betrieben werden. Wir brauchen für Wachstumshormone und Insulin neue Nachweismethoden. Vor allem brauchen wir Blutprofile, um Veränderungen schnell zu erkennen. Sonst hängt der Sport hoffnungslos den Erkenntnissen der Medizin, auch der Genforschung, hinterher.

Solange die Athleten beim Dopen unter den Grenzwerten bleiben, sind aber viele von ihnen offenbar auf der sicheren Seite.
Es muss nach Wirkungen gesucht werden, nicht nur nach Wirkstoffen. Bei Grenzwerten besteht immer die Gefahr, dass ein gewissenloser Mediziner den Sportler an diese Werte herandopt. Wir im Radsport sind heute der einzige Verband, der das Blutvolumen der Athleten messen lässt, Blutprofile anlegt und, wenn nötig, einen DNA-Abgleich ermöglicht - und das haben wir 2006 begonnen.

Wäre es nicht das richtige Signal, jetzt Deutschland-Tour und Rad-WM zu streichen?
Und damit alle Ehrlichen zu bestrafen und die Fans zu betrügen? Das richtige Signal ist, was Gerolsteiner oder T-Mobile zusammen mit den französischen Rennställen tun - für Transparenz sorgen und eine klare Haltung gegen Doping.

Und wie effektiv kann ein Sportverband gegen die Seuche Doping vorgehen?
Die Sportgerichtsbarkeit muss weiterentwickelt werden. Die Spitzensportverbände sollten alle sportgerichtlichen Verfahren nur in erster Instanz behandeln. In zweiter Instanz sollte dann ein Nationales Sportgericht zuständig sein, damit die Verbände vom Verdacht befreit werden, sie könnten das für ihre Athleten hinbiegen.

Bereuen Sie eigentlich Ihre frühere Nähe zum Team Telekom und seinen Stars?
Als ich das erste Mal mit dem Team Telekom 1993 in den Pyrenäen saß, da war kein Journalist dabei. Viele Ihrer Kollegen haben halt die Popularität des Radsports erst 1996/97 entdeckt - und damit auch meine Begeisterung für diesen Sport. Stimmt: Ich war und bin Fan, Sponsor war ich nie, fühle mich aber auch betrogen. Heute ist entscheidend, dass wir gegen Doping mit absolut klaren Maßstäben vorgehen. Es gilt aber auch: die Umstände des einzelnen Falles sehen, dem einzelnen Menschen gerecht werden. Sonst verlieren Sie das Gefühl - etwa dafür, wie es ist, Angst vor einem Restaurantbesuch zu haben, aus der Sorge, man könnte Ihnen etwas unterjubeln. Wissen Sie, dass manche Rennställe deswegen schon Sicherheitspersonal beschäftigen? Noch ernster sind Situationen, in denen Menschen wegen eines Verdachts schlagartig ihre ganze Reputation, ja ihre Existenz als vernichtet empfinden. Ich habe jedenfalls auch Gespräche führen müssen wegen der Sorge um selbstmörderische Verzweiflungstaten.

Interview: Wolfgang Hettfleisch
Quelle: fr-online.de

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