Saint-Jean-de-Maurienne (dpa) - Als sich Alberto Contador und Andy Schleck für ihre sensationelle Zwei-Mann-Show feiern ließen, saß Weltmeister Cadel Evans wie ein Häufchen Elend mit gebrochenem Ellenbogen vor dem Teambus.
Immer wieder raufte sich der Mann im Gelben Trikot die Haare und schüttelte frustriert den Kopf. Der Australier wusste: Nach seinem vergeblichen Kampf am Col de la Madeleine war aus dem Dreikampf um den Gesamtsieg der 97. Tour de France ein Duell geworden. «Heute habe ich gelitten. Jetzt fällt wegen dieses einen Sturzes alles auseinander. Es ist vorbei», klagte Evans im Ziel in Saint-Jean-de-Maurienne.
Neben dem 33-jährigen Radprofi, der 8:09 Minuten auf den französischen Tagessieger Sandy Casar einbüßte und das «Maillot Jaune» an den Luxemburger Andy Schleck weiterreichen musste, zählte auch Lance Armstrong zu den Verlierern. Der siebenfache Tour-Champion musste erneut die Überlegenheit der Berg-Dominatoren Schleck und Contador anerkennen, deren Höllentempo der Texaner am Schlussanstieg nicht folgen konnte. «Ich habe mich besser als am Sonntag gefühlt, der Ruhetag war gut», sagte Armstrong, der 2:50 Minuten verlor.
Auf den restlichen Etappen will sich der sonst so stolze Texaner in den Dienst seines RadioShack-Teamkollegen Levi Leipheimer stellen, der Gesamt-Sechster ist. Dass er seinen Frankreich-Abschied verpatzt hat, hat Armstrong noch immer nicht richtig verdaut. «Ich hatte sieben Jahre ohne Pech. Da ist es logisch, dass sich das einmal umkehrt. Ich kann es nicht ändern, auch wenn ich es gerne ändern würde», meinte der bei dieser Tour schon viermal gestürzte Rekordsieger.
Wie Armstrong spielt auch Evans, der sich am 11. Juli auf der ersten schweren Alpenetappe den Bruch zugezogen hatte, keine Rolle mehr im Klassement. «Der gebrochene Arm hat heute sicherlich seine Leistung beeinträchtigt», sagte sein BMC-Teamchef Jim Ochowicz.
«Es ist jetzt nur noch das Duell Alberto gegen mich», stellte der neue Spitzenreiter Schleck nach seiner neuerlichen Kletter-Gala fest. Und sein Rivale Contador sagte: «Heute war es heftig - morgen werden uns die Beine wehtun. Schleck ist mein härtester Konkurrent.»
Der jüngere der Schleck-Brüder wird trotz seiner bekannten Schwäche im Zeitfahren als ärgster Widersacher des Vorjahressiegers gehandelt. Er fühle sich «in der Form meines Lebens» und könne «alle schlagen», hatte der Luxemburger vor dem Start der 9. Etappe zu Protokoll gegen. In den folgenden Stunden hatte er daran kaum Zweifel gelassen.
Auf dem 25 Kilometer langen Schlussanstieg spielten Schleck und Contador Katz und Maus mit der Konkurrenz und sorgten wieder für ein Favoritensterben. Den Tagessieg auf der verrückten 9. Etappe sicherte sich nach 204,5 Kilometern der Franzose Casar einen Tag vor dem Nationalfeiertag. Er gewann den Sprint der übriggebliebenen Ausreißer vor Luis-Leon Sanchez aus Spanien und dem Italiener Damiano Cunego.
Der Berliner Jens Voigt, der lange in der Fluchtgruppe mitfuhr, war nach Schlecks Coup überglücklich. «Das sieht sehr vielversprechend aus», sagte der treue Helfer. «Er hat unglaubliche Arbeit geleistet», lobte ihn Schleck, der «jetzt auf einen schwachen Moment von Contador» wartet, um dem Spanier weitere Zeit abzunehmen.
Auf der Abfahrt vom Startort Morzine hatte sich eine zwölfköpfige Spitzengruppe gebildet. In ihr fuhren auch Voigt und Johannes Fröhlinger. Dessen Milram-Team hatte kurz vor Etappenstart das Ende des Sponsorings der Nordmilch AG bekanntgegeben und für einen schwarzen Tag für den deutschen Radsport gesorgt.