Brest (dpa) - Am Tag der 3. Etappe feiert Erik Zabel am 7. Juli seinen 38. Geburtstag. Eine Party in ähnlichem Rahmen wird es wohl nicht mehr geben.
Der gebürtige Berliner gibt in Frankreich bei seinem 14. Start seinen Tour-Abschied, auch wenn er sich zu seiner sportlichen Zukunft noch nicht dezidiert geäußert hat. «Eine Entscheidung wird Ende August bekanntgegeben», sagte Zabel bei der Präsentation des Tour-Kaders seines Milram-Teams. Die Konkurrenz hat ihn jedenfalls noch auf der Rechnung. «Er ist sehr erfahren und hat im Sprint immer die beste Position», sagte Tour-Debütant Gerald Ciolek in Brest.
Der Pulheimer ist zum Auftakt einer der Hauptanwärter auf den Etappensieg, der ihm zugleich das Gelbe Trikot bescheren würde. An das Etappenziel Plumelec hat Zabel beste Erinnerungen: Dort gewann er 1997 seine 5. von insgesamt 12 Etappen. «Das Profil liegt Zabel», so Brian Holm, einer von Cioleks Sportlichen Leitern im Team Columbia.
Mit gemischten Gefühlen blickt Zabel auf das vorige Jahr. Auf der Zielgeraden seiner bemerkenswerten Karriere geriet er ins Straucheln. Die gewandelte Wahrnehmung des Radsports und seiner «Helden» machte auch vor ihm nicht halt. Er musste den Abstieg vom respektierten und bewunderten Leitbild zur Reizfigur verkraften. Für die Tour 2008 hat Zabel einen bescheidenen Wunschzettel: «Ein Etappensieg mit viel Glück oder noch einmal das Grüne Trikot - wenn auch nur für einen Tag». Er hat keine Illusionen. «Ich kann nur noch erfolgreich sein, wenn ein anderer Fahrer einen Fehler macht», sagte er der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung».
Nach dem Denkmalsturz Jan Ullrichs 2007 und tiefen Einblicken in die Doping-Praktiken zahlreicher Teams begab sich auch Zabel in einen der zahlreichen öffentlichen Beichtstühle - und machte dabei keine sehr glückliche Figur. Sein tränenreiches Doping-Geständnis am 24. Mai 2007 in der T-Mobile-Zentrale wirkte im Licht der nachfolgenden, viel weiter gehenden Aussagen seiner Ex-Arbeitskollegen Jörg Jaksche und Patrik Sinkewitz kalkuliert. Seine Soft-Beichte («Eine Woche EPO bei der Tour 1996») reichte gerade bis zur Verjährungs-Grenze. Durch das sich verfestigende Bild des flächendeckenden Dopings im Telekom- und späteren T-Mobile-Team gerieten auch seine sportlichen Großtaten in ein besonderes Licht.
Der Erfolgshunger des Berliners, nach Siegen gerechnet der erfolgreichste noch aktive Profi, schien unstillbar: 12 Tagessiege bei der Tour, 6 Grüne Trikots in Serie (das erste von 1996 wurde ihm nach seiner Doping-Beichte aberkannt), 4 Siege bei Mailand-San-Remo oder 2 Vize-Weltmeisterschaften sind nur Etappen seines Erfolgsweges. Der «Marathon-Mann» wurde respektiert für seinen Professionalismus, der ihm im Schatten der Lichtgestalt Ullrich in jahrzehntelanger Permanenz Erfolge erlaubte. Jahr für Jahr. Leider hat Zabel selbst nicht unbedingt zur Differenzierung beigetragen, zu welchen Anteilen seine Erfolgs-Story mit der bei seinen Bonner Arbeitgebern genossenen, medizinischen Betreuung zusammenhing.
Das Karriere-Ende des «Sportlers des Jahres» von 2001, der wie Ullrich die DDR-Sportförderung durchlief, steht bevor, auch wenn ihm nicht nur der alte Kumpel Rolf Aldag noch eine «Ehrenrunde» zutraut. «Radsport ist für ihn alles. Vielleicht hängt er noch ein Jahr dran», sagte der Sportdirektor des Columbia-Teams. Die Verpflichtung Zabels für 2009 - im Vorjahr hatte ihn Team-Manager Bob Stapleton auf seiner Wunschliste - sei laut Aldag «kein Thema». Zunächst sieht alles nach einem Ausrollen im seinem Milram-Team aus, das erst seinen Doping- belasteten Teamchef Gianluigi Stanga entließ und dann im Mai 2008 Team-Kapitän Alessandro Petacchi und Ex-Weltmeister Igor Astarloa. Zabels Vertrag beim Bremer Milch-Produzenten läuft am Jahresende aus.
Finanziell hat «Ete» nach 15 Profijahren längst ausgesorgt. Seinem Freund Rudolf Scharping reichte als Verbandschef die öffentlich eingestandene Reue und die angekündigte Zahlung von 100 000 Euro für die Doping-Bekämpfung zum Rehabilitieren. Ganz mag Zabel noch nicht an eine wenigstens teilweise Genesung des Patienten Radsport glauben: «Lassen Sie mich so naiv sein und an den Radsport glauben.»