Hamburg (dpa) - Der deutsche Spitzensport wird von einem olympischen Sündenfall erschüttert: Radprofi Stefan Schumacher gehört zu den sechs Athleten, die bei IOC-Nachkontrollen der Pekinger Olympiaproben positiv auf Doping getestet wurden.
Neben Schumacher wurde sein italienischer Kollegen Davide Rebellin, Olympia-Zweiter im Straßenrennen, und 1500-Meter-Olympiasieger Rashid Ramzi (Bahrain) positiv getestet.
«Ich bin betroffen und persönlich sehr enttäuscht. Das ist an Verschlagenheit nicht zu überbieten, was Stefan Schumacher da abgeliefert hat», schimpfte DOSB-Generaldirektor Michael Vesper, gleichzeitig Chef de Mission des deutschen Peking-Teams, «wir hatten bei ihm schon bei der Nominierung großes Bauchgrummeln, das sich jetzt leider bestätigt hat.»
Ausgerechnet der Radsport hat Deutschlands Athleten erneut in Verruf gebracht. Der unverbesserliche Schumacher, der Doping mehrmals öffentlich bestritten hat, ist nach der jüngsten Enthüllung seiner positiven A-Probe endgültig am Ende: Ohne Mannschaft, ohne Sponsor und ohne sportliche Perspektive. Wegen CERA-Dopings hat der Weltverband UCI den 27 Jahre alten Schwaben gegenwärtig ohnehin für zwei Jahre gesperrt. Gegen dieses Urteil legte er beim internationalen Sportgerichtshof CAS Einspruch ein.
«Da kann man nur schlucken, wenn man das hört», sagte sein Anwalt Michael Lehner. Schumachers ehemaliger Chef im Team Gerolsteiner, Michael Holczer, gleichzeitig Teamchef der deutschen Straßenmannschaft in Peking, war nur noch ratlos: «Dazu fällt mir nichts mehr ein.» Der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) erklärte unterdessen: «Der BDR hat Unterlagen über eine positive Nachkontrolle auf Dopingmittel an den Sportler Stefan Schumacher weitergeleitet. Es ist nun seine Sache, eine Öffnung der B-Probe zu verlangen oder darauf zu verzichten.»
Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat 948 Doping-Proben von Peking mit neuen Verfahren nachuntersucht. 847 davon wurden auf CERA kontrolliert, ein EPO-Präparat der dritten Generation. Alle 101 auf Insulin getesteten Proben waren negativ. Neben Schumacher, Rebellin und Ramzi sollen noch zwei weitere Leichathleten und ein Gewichtheber erwischt worden sein. Der jamaikanische Superstar Usain Bolt gehört nicht dazu. «Er hat noch nichts gehört, und er wird auch nichts hören», stellte sein Coach Glen Mills klar.
Im Hauptsitz des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) in Frankfurt war der nacholympische Ärger ganz besonders groß. Dabei wäre die Rückerstattung der Entsendungskosten nach Peking noch die geringste Strafe, die dem Übeltäter durch das Unterzeichnen der Athletenvereinbarung blüht. «Wir behalten uns weitere, härtere Strafen vor», meinte Vesper, «für mich ist es persönlich enttäuschend, weil er Teil meiner Mannschaft war.»
Schumacher droht zudem schon die Aberkennung seiner beiden Etappensiegen bei der Tour de France 2008, bei der er auch zwei Tage in Gelb fuhr. Bereits unmittelbar vor dem WM-Finale 2007 in Stuttgart hatte der Nürtinger auffällige Blutwerte, die erst nach der Veranstaltung bekanntgegeben wurden. So bleibt seine WM-Bronzemedaille mit einem Makel behaftet. Zwei Tage nach der WM waren in einer Polizeikontrolle Spuren von Aufputschmitteln in seinem Blut gefunden worden.
DOSB-Präsident und IOC-Vize Thomas Bach gewinnt den Fahndungserfolgen bei den ersten Nachkontrollen olympischer Proben auch Positives ab. «Ich hoffe, diese Ergebnisse haben abschreckende Wirkung», sagte der oberste deutsche Sportfunktionär der dpa, «niemand kann sich mehr sicher fühlen, der auch nur mit dem Gedanken spielt, zu dopen.» Für das IOC haben die Aufdeckungen etwas Zwiespältiges: Die sechs Fälle unterstreichen die neue Entschlossenheit im Anti-Doping-Kampf, geben aber gleichzeitig einen Hinweis auf eine hohe Dunkelziffer.