Berlin (dpa/rad-net) - Opposition müsste dem SPD-Politiker Rudolf Scharping eigentlich vertraut sein. Allerdings sind seine Kritiker der Meinung, er habe es als deutscher Verbands-Präsident während der Armstrong-Affäre versäumt, sich der ins Gerede gekommenen Welt-Radsport-Regierung UCI deutlich entgegen zu stellen.
«Wegducken geht jetzt nicht mehr. Der Verband muss sich deutlich positionieren», findet Alexander Donike, seit Jahrzehnten Wettkampfrichter der UCI, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Diese Äußerung wollte sich der Dürener aber ausdrücklich als «Mitglied des Bundes Deutscher Radfahrer» zurechnen lassen.
Scharping, der am 25. März in Gelsenkirchen die Wiederwahl zum Präsidenten des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) anpeilt, fühlt sich nicht verstanden. «Natürlich haben wir deutlich Stellung bezogen», betonte er am Rande des Berliner Sechstagerennens. «Noch einmal: Wenn sich herausstellen sollte, dass jemand sein Ehrenamt dazu missbraucht hat, Doping Vorschub zu leisten oder zu vertuschen, muss er raus», sagte der Ex-Verteidigungsminister im Berliner Velodrom. Seit 2005 steht er an der Spitze des BDR.
Ob er den auch durch die Ermittlungsergebnisse der US-Anti-Doping-Agentur USADA belasteten UCI-Chef Pat McQuaid im September in Florenz im Amt bestätigen würde, hinge von den Ergebnissen der eingesetzten Untersuchungskommission ab. «Bei solchen Vorbehalten kann ein Verband nicht existieren», sagte der BDR-Chef.
Am Abend wurde er von der aktuellen Entwicklung eingeholt. Der in die Enge getriebene McQuaid hatte in aller Eile die vom Dachverband selbst ins Leben gerufene Kommission unter Leitung des englischen Richters Philipp Otton wieder abberufen. Jetzt setzt der Ire auf Kooperation mit der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA und eine neue sogenannte «Wahrheits- und Versöhnungs-Kommission».
Auf die Frage, ob er den Korruptions- und Vertuschungs-Vorwürfen im Fall Armstrong gegen McQuaid und dessen Vorgänger Hein Verbruggen Glauben schenkte, antwortete Scharping: «Ich habe mir abgewöhnt zu glauben oder nicht zu glauben. Ich halte mich lieber an Tatsachen».
Sein Kollege Jean Regenwetter hatte schon bei der vergangenen WM harte Worte gefunden, als der verheerende USADA-Bericht von Travis Tygart noch gar nicht auf dem Tisch lag. Der Luxemburger Verbandspräsident bemängelte fehlende demokratische Strukturen und nannte die UCI eine «Bananenrepublik». Klartext redeten auch die deutschen Profis Marcel Kittel, André Greipel und Tony Martin.
Nachhilfe für eine wirkungsvollere Dopingbekämpfung hierzulande will eventuell auch der US-Anwalt Tygart am Mittwoch im Sportausschuss des Deutschen Bundestages geben. Der USADA-Chef hatte durch seine umfassenden Recherchen das Doping-System Armstrong, in das viele verstrickt waren, offengelegt. Seine Klage ermöglichte die lebenslange Sperre gegen den früheren Rad-Superstar und die Aberkennung aller sieben Toursiege des Texaners durch die UCI.
Die seit Jahren nicht endende Doping-Diskussion, die immer wieder neuen Stoff erhält, habe den BDR laut Scharping durch entgangene Sponsorenverträge «zwei Millionen Euro» gekostet. Für das zu späte EPO-Geständnis des Ex-Profis Grischa Niermann aus Hannover, dessen Vergehen verjährt sind, habe er keine Verständnis. «Warum erst jetzt?», fragte Scharping in Berlin. In einer Verbandsnachricht teilte der BDR mit, dass «die Aussagen von Grischa Niermann sich auf eine Zeit, die mehr als zehn Jahre zurückliegt, beziehen und keinen Anlass bieten, an der seit 2006 geltenden Linie des BDR im Anti-Dopingkampf etwas zu verändern.»