Madrid (dpa) - Hinter den Kulissen der Radsportbühne hat ein juristischer Wettlauf um den Zeitplan des Doping-Verfahrens gegen Alberto Contador begonnen - und der Spanier fährt unbehelligt weiter.
Am Sonntag schaffte er seinen zweiten Rundfahrt-Sieg in dieser Saison, nach der Murcia-Rundfahrt sicherte er sich die hochkarätig besetzte Tour durch Katalonien. Pat McQuaid, Präsident des Weltverbandes UCI, ist skeptisch bezüglich des Tempos des bevorstehenden Prozesses vor dem internationalen Sportgerichtshof CAS. «Dieses komplexe Verfahren kann nicht über Nacht geregelt werden. Ich glaube, es ist nicht möglich, vor dem Giro d'Italia ein Urteil zu fällen, aber bis zum Start der Tour de France am 2. Juli könnte es zu schaffen sein», sagte der Ire.
Die Dachorganisation selbst war nicht durch besonders hohes Tempo aufgefallen und hatte dafür gesorgt, dass der CAS erst am vergangenen Donnerstag im Fall Contador zum Zuge kam. Bis zum Urteil der letzten sportjuristischen Instanz bleibt der Spanier startberechtigt.
Hätte die UCI die 30-Tage-Frist für ihren Einspruch gegen den Freispruch des spanischen Verbandes nicht bis zum letzten Tag ausgereizt, hätte der CAS schon früher an die Arbeit gehen können. «Schneller ging es nicht. Wir haben die umfangreichen Unterlagen der Spanier erst am 24. Februar erhalten, und unsere Juristen waren noch in den Fall Pellizotti involviert. Wir hatten Mühe, die Frist einzuhalten», meinte McQuaid in einer Stellungnahme im Internetportal «Cycling News».
Die Rolle der UCI steht in der Causa des umstrittenen dreifachen Toursiegers ohnehin seit längerem in der Kritik. Erst auf hartnäckige Nachfrage der ARD war der Fall im September publik geworden. Der positive Clenbuterol-Befund war Contador aber schon im August vom Verband mitgeteilt worden. Ihm war auch gleich die mögliche Verteidigungslinie - verunreinigte Lebensmittel - an die Hand gegeben worden. Bei seinem Freispruch war der königliche Landesverband RFEC der Argumentation Contadors vom verunreinigten Steak gefolgt.
Über die Glaubwürdigkeit der Version muss jetzt das dreiköpfige Richtergremium des CAS urteilen. «Contador bestimmt einen Richter, einen weiteren wir, und den Vorsitz führt der CAS», sagte UCI-Sprecher Enrico Carpani. Bei den letzten vor dem CAS verhandelten Dopingfällen hat sich in den vergangenen fünf Jahren von Danilo Hondo bis Franco Pellizotti der Gang der Radprofis nach Lausanne aus deren Sicht nie gelohnt. Niemals gab es einen Freispruch.
Auch der von der Contador-Seite gerne zitierte Präzedenzfall des deutschen Tischtennis-Nationalspielers Dimitrij Ovtcharov kann kaum herangezogen werden. Nach seinem positiven Clenbuterol-Befund nach einem China-Gastspiel brachte eine Haarprobe und die Tatsache, dass mehrere Teamkollegen ebenfalls Spuren des Kälbermastmittels aufwiesen, glaubwürdige Entlastung. Mit all dem konnte Contador nicht dienen, zumal eine Fleisch-Kontamination in China laut Statistik viel wahrscheinlicher als in Staaten der EU ist.
Der Fall Contador zeigt deutliche Parallelen zu dessen Landsmann Alejandro Valverde, der nach einem CAS-Urteil noch bis 31. Dezember 2011 gesperrt ist. Nach einem vorläufigen Fahrverbot durch das Italienische Olympische Komitee CONI hatte der ehemalige Weltranglisten-Spitzenreiter noch viele Monate Rennen fahren können, ehe er aus Lausanne die Rote Karte sah.
Gut möglich, dass es Contador unter dem Damoklesschwert einer Verurteilung, die eine sofortige Sperre nach sich zöge, noch zum Tourstart schafft. Und der große Reiz eines erneuten Duells mit Andy Schleck könnte die Tour-Organisatoren womöglich davon abhalten, den Spanier auszuladen.