Mainz (dpa) - Radprofis fühlen sich schon lange zu Unrecht alleine am Doping-Pranger isoliert. Dabei häufen sich die Hinweise, dass beispielsweise in der Affäre um den spanischen Mediziner Eufemiano Fuentes auch andere Spitzensportler verwickelt sind.
«Tennis und Fußball hat er auch erwähnt», antwortete der Doping-Kronzeuge Tyler Hamilton im ZDF-Sportstudio auf die Frage nach weiteren Fuentes-Kunden und gab damit bekannten Vermutungen wieder Nahrung. Der Gynäkologe aus Madrid steht mit weiteren Angeklagten von Januar an vor Gericht.
2006 vor dem Start der Tour de France war eine «Fuentes-Liste» mit 200 Namen bekanntgeworden. Über 50 Radprofis waren namentlich genannt und zum Teil auch gesperrt worden, unter ihnen Jan Ullrich, Ivan Basso, Alejandro Valverde und Jörg Jaksche. «Wer sind die anderen? Warum unternimmt die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA nichts, obwohl ihnen doch die Fuentes-Liste seit 2006 auch vorlag?», fragte zuletzt der deutsche Sprinter-Routinier Danilo Hondo, der in der nächsten Saison für den ehemaligen Armstrong-Rennstall RadioShack-Nissan fährt, in einem dpa-Gespräch. Diese Fragen stellen sich nicht nur Radsportler.
Er habe nicht «nur» Radprofis behandelt, beziehungsweise beraten, hatte Fuentes im Juli 2006 dem spanischen Radiosender SER erklärt. Er habe auch Vereine der ersten und zweiten spanischen Fußball-Liga betreut oder «Behandlungen» vorgeschlagen, die deren Leistung gesteigert hätten. Offizielle Ermittlungen in diese Richtung gab es nicht.
Lance Armstrongs früherer Kollege Hamilton hatte im Vorjahr mit seinen Aussagen und seiner Buch-Veröffentlichung zur Entzauberung des inzwischen als Doper überführten ehemaligen Seriensiegers beigetragen. Nach langem Leugnen hatte 2011 auch der US-Radprofi und Armstrong-Helfer Doping gestanden und seine Zeitfahr-Goldmedaille der Olympischen Spiele von Athen zurückgegeben. Der 41 Jahre Hamilton, der auch mit Fuentes kooperierte, war nach positiven Analysen 2005 für zwei und 2009 für acht Jahre gesperrt worden. 1997 hätte Hamilton seine Doping-Karriere begonnen, sagte der Buchautor («Die Radsport-Mafia») im ZDF.
Zu seiner aktiven Zeit hätten «mindestens 80 Prozent» der Radprofis gedopt, und es wäre nicht möglich gewesen «clean» unter die ersten Zehn bei der Tour de France zu fahren, erklärte Hamilton. «Ich jedenfalls hätte es nicht gekonnt, von Jan weiß ich das nicht», meinte der Kronzeuge über den ewigen Armstrong-Rivalen Jan Ullrich, der die Tour 1997 gewonnen hatte und danach dreimal knapp an Armstrong auf Platz zwei gescheitert war. Der 2007 zurückgetretene Wahlschweizer ist nach einem Urteil des Internationalen Sportgerichtshof CAS wegen nachgewiesener Zusammenarbeit mit Fuentes bis nächstes Jahr gesperrt.
Sein lebenslang gesperrter Dauer-Kontrahent Armstrong, dem vom Weltverband UCI alle sieben Toursiege aberkannt wurden, würde laut Hamilton «lieber sterben als etwas zuzugehen». Trotzdem hofft er, dass er «mit der Wahrheit noch raus kommt». Armstrong leide im Moment laut Hamilton «wie ein Hund». Auch nach seinem Denkmalsturz leugnet der Texaner weiter Doping, genau wie Ullrich.
Der einzige deutsche Gesamtsieger in 109 Jahren Tourgeschichte räumte im Zuge seiner Verurteilung lediglich «Kontakte»» zu Fuentes ein und gab undifferenziert zu, «Fehler» begangen zu haben.