Sestola/Pasadena (dpa) - Cadel Evans in Rosa, Bradley Wiggins in Gelb - rund sieben Wochen vor dem Start der Tour de France rollen die beiden Altstars ihrer Bestform entgegen, und trotzdem ist ihr Start beim Radsport-Höhepunkt im Juli ungewiss.
Der 37-Jährige Evans übernahm beim Giro d'Italia erstmals nach vier Jahren wieder die Führung im Gesamtklassement und darf nach dem Toursieg 2011 vom zweiten großen Rundfahrterfolg seiner Karriere träumen. Der drei Jahre jüngere Wiggins, der Evans 2012 auf dem Tour-Thron folgte, präsentiert sich unterdessen in den USA in prächtiger Verfassung und sicherte sich den Gesamtsieg bei der Kalifornien-Rundfahrt.
Die Teilnahme bei der am 5. Juli in Leeds beginnenden Tour de France ist für beide aber noch weit weg. Wiggins würde gern beim Heimspiel auf der Insel starten, ist aber auf die Gunst seines Teamkollegen und Toursiegers Christopher Froome angewiesen. «Ich würde gerne am Start stehen. Aber es wird Chris' Team sein. Es hängt davon ab, wen er um sich haben will», sagte Wiggins vor der Schlussetappe in Kalifornien, wo er im Gesamtklassement 30 Sekunden vor dem Australier Rohan Dennis lag. Das siebte Teilstück gewann am Samstag der Slowake Peter Sagan.
Das Verhältnis zwischen den beiden Alpha-Tieren im Sky-Team gilt seit der Tour 2012 als angespannt. Damals musste Froome für Kapitän Wiggins zurückstecken, obwohl er in den Bergen den stärkeren Eindruck machte. So war es Wiggins, der sich zum ersten britischen Toursieger feiern lassen durfte. Ein Jahr später war dann - in Abwesenheit des verletzten Titelverteidigers - Froome an der Reihe.
Doch auch bei einer Berufung in den Sky-Tourkader müsste sich Wiggins mit der Helferrolle begnügen, wie jüngst Sky-Sportchef Kurt-Asle Arvesen klarstellte: «Er wird für Froome arbeiten, wenn er starten will, wenn er berufen wird und wenn er in Form ist.» Wiggins hatte sich ohnehin schon andere Ziele gesetzt. Beim berüchtigten Frühjahrsklassiker Paris-Roubaix war er auf einen guten neunten Platz gefahren. Dazu liebäugelt er mit dem Stunden-Weltrekord und einem möglichen fünften Olympiasieg 2016 in Rio de Janeiro.
Evans bleibt dagegen ein Rundfahrer. Im Gegensatz zu den vergangenen Jahren ist diesmal aber seine Planung auf den Giro ausgerichtet. Der Australier liegt nach der ersten Woche bestens im Plan. Am Samstag schlüpfte der BMC-Kapitän auf der ersten schweren Bergetappe hinauf nach Montecopiolo ins Rosa Trikot und knöpfte beim zweiten Etappensieg des Italieners Diego Ulissi einigen Rivalen noch Zeit ab. Das Rosa Trikot behielt er auch am Sonntag auf der neunten Etappe nach Sestola, die der niederländische Ausreißer Pieter Weening gewann. Evans geht mit einem Vorsprung von 57 Sekunden auf den Kolumbianer Rigoberto Uran in die zweite Woche.
«Ich weiß nicht, ob ich die Tour wieder fahren werde. Das Team möchte, dass ich den Giro und nicht die Tour fahre, also bin ich hier. Jetzt stecke ich all meine Energie in den Giro», sagte Evans, der in diesem Jahr ganz früh mit der Tour Down Under in die Saison eingestiegen war und jüngst schon beim Gewinn der Trentino-Rundfahrt seine Klasse unter Beweis gestellt hatte. Bei der Frankreich-Rundfahrt könnte BMC indes auf den 25-jährigen Amerikaner Tejay van Garderen setzen.
Evans hatte bereits im vergangenen Jahr den Giro in Angriff genommen, am Ende aber hinter Vincenzo Nibali (Italien) und Rigoberto Uran (Kolumbien) Platz drei belegt. Dieses Jahr soll es klappen, wenngleich der Weg bis Triest noch weit ist. «Ich habe einen kleinen Vorteil, aber in der letzten Woche kommen noch viele schwere Berge.»