Paris (dpa) - Im Schatten des L'Arc de Triomphe fiel Cadel Evans seinen Teamkollegen um den Hals - der Routinier war im Ziel seiner Träume. Evans hat den entzauberten Alberto Contador beerbt und als erster Australier die Tour de France gewonnen.
Der Weltmeister von 2009 bewies bei seinem beschwerlichen Weg auf den Tour-Gipfel langen Atem. 2007 und 2008 stand er auf Platz zwei schon kurz vor dem Triumph - jetzt klappte es endlich bei dem 34-Jährigen, der sein Heimatland in riesige Begeisterung versetzte. Australien will den 24. Juli zum Feiertag machen.
«Ich danke allen, die an mich geglaubt haben», sagte Evans mit Tränen in den Augen, nachdem die Hymne Australiens gesungen worden war. «Ich könnte nicht glücklicher sein. Seit 20 Jahren denke ich immer an die Tour de France. Hier auf dem obersten Treppchen zu stehen, ist unglaublich.»
Nach 3430 Kilometern triumphierte Evans auf den Pariser Champs Elysées mit souveränen 1:34 Minuten Vorsprung auf den traurigen Andy Schleck (Luxemburg), der sein Gelbes Trikot nach dem Zeitfahren vom Vortag abgeben hatte müssen. Dass er mit seinem Bruder Frank (+ 2:30 Minuten) das erste Brüderpaar auf dem Siegerpodest der Tour bildete, konnte ihn kaum trösten. Im dritten Jahr in Folge kam der 26-Jährige nicht über Rang zwei hinaus.
Gelb für Evans, Grün für Mark Cavendish: Der Brite, der wie im Vorjahr zum Tour-Abschluss den prestigeträchtigen Tagessieg nach nur 95 Kilometern in Paris feierte, sicherte sich zum ersten Mal die Punktwertung. Nach einer Schweigeminute für die Opfer der Anschläge in Norwegen vor Beginn der letzten Etappe hatte Cavendish im Ziel den fünften diesjährigen Etappensieg und seinen insgesamt 20. Tageserfolg perfekt gemacht. Im Finish vor Hunderttausenden Zuschauern auf der Prachtstraße besiegte er den Norweger Edvald Boasson Hagen und André Greipel aus Rostock. Ein letztes Mal hatte sich für ihn auch sein Teamkollege Tony Martin ins Zeug gelegt.
Der Wahlschweizer hatte seine Tour mit einem grandiosen Zeitfahrsieg in 55:33 Minuten über 42,5 Kilometer in Grenoble gerettet. Sein erster Etappenerfolg war für den 26-Jährigen eine Entschädigung für den scheppernden Weckruf aus seinen Tour-Träumen von einer Top-Ten-Platzierung. Schon auf der ersten Pyrenäen-Etappe war Martin nicht mehr mitgekommen. In der ernüchternden Endabrechnung landete er als bester der zwölf deutschen Tour-Starter auf Rang 44 (+1:30:20 Stunden). «Ein achter Platz im Gesamtklassement wär mir lieber gewesen», sagte der zweifache WM-Dritte im Zeitfahren.
Für den ersten Etappensieg eines deutschen Radprofis bei der diesjährigen Tour, die bisher lediglich durch den Dopingfall des Russen Alexander Kolobnew zum Auftakt etwas aus dem Takt geraten war, hatte André Greipel gesorgt. Besondere Genugtuung für den Sprinter aus Rostock bei seinem Sieg in Carmaux brachte ihm ein Blick auf die Plätze hinter ihm. Der bullige Profi - Spitzname: Gorilla - hatte bei seiner Tour-Premiere ausgerechnet Cavendish den Weg zum Sieg verbaut. Bis 2010 noch Teamkollegen, hatte der Brite stets dafür gesorgt, dass für den jetzigen Omega-Fahrer nie ein Platz im Tour-Kader war.
Die Tour war in den ersten 14 Tagen von einer Sturzserie geprägt, der viele Podiums-Kandidaten zum Opfer fielen. Wie von einem Regisseur geplant, wurde sie erst im letzten Zeitfahren entschieden. Evans zog Andy Schleck das Fell über die Ohren. Der Leopard-Trek-Profi hatte beim Kampf gegen die Uhr keine Chance. Der Australier stampfte ihn mit 2:31 Minuten Rückstand in Grund und Boden.
In den Pyrenäen und Alpen hatte sich der jüngere der Schleck-Brüder mühsam einen Vorsprung von 57 Sekunden erarbeitet. Aber der stets umsichtig und unaufgeregt fahrende Evans war auch auf dem bevorzugten Terrain der Schlecks nicht abzuschütteln. Ausgerechnet im Hochgebirge musste der dreifache Tour-Sieger Contador klein beigeben. Von frühen Stürzen gesundheitlich und im Klassement zurückgeworfen, konnte er nicht wie erwartet zurückschlagen. In Paris musste der umstrittene Spanier, dem eine Dopingsperre droht, mit Rang fünf mit 3:57 Minuten Rückstand auf Evans zufrieden sein.
Ungezählte aufmunternde Mitteilungen hätten laut Contador «den verpassten vierten Toursieg fast aufgewogen». Als Gründe für sein Scheitern nannte er den kräftezehrenden Giro, Knieprobleme und frühe Zeitrückstände. «Unter diesen Umständen bin ich mit meiner Tour zufrieden - ich habe alles gegeben».