Le Lioran (dpa) - Luc Geysen ist beim Radsport-Weltverband UCI zuständig für das neue heiße Thema «Motordoping». Der Belgier mag den Ausdruck überhaupt nicht. «Sie meinen technische Manipulation», korrigiert er.
Bisher seien bei der 103. Tour de France 800 Räder nach versteckten, verbotenen Antrieben kontrolliert worden. Am Mittwoch in Le Lioran im Zentralmassiv hatten sich die Inspektoren 188 Rennmaschinen vorgenommen.
Die UCI und Tour-Veranstalter ASO gehen mit zwei Methoden gegen mögliche Betrüger vor. Vor und nach dem Rennen werden die Dienstfahrzeuge der Radprofis mit Scannern geprüft, die auf Magnet-Frequenzen reagieren. Dazu werden neuerdings von der französischen Atomenergie-Behörde entwickelte Wärmebildkameras - die Kameramänner sitzen auf Motorrädern - während des Rennens eingesetzt.
Geysen ist der Mann, der zum ersten und einzigen Mal fündig wurde. Am 30. Januar enttarnte der stämmige Belgier Femke Van den Driessche bei der Cross-WM. «Ehrlich - es hat mich überrascht», sagte der ansonsten ziemlich schweigsame Mann der Deutschen Presse-Agentur. Die 19 Jahre alte Belgierin wurde sechs Jahre gesperrt, sie beendete ihre kaum begonnene Karriere.
Die Wärmebildkameras reagieren oft, auch auf die erhitzten Beine der Fahrer. Aber Geysen und seine Kollegen haben den geschulten Blick, wann es sich um einen heimlichen Antrieb handeln könnte, der im Tretlager oder der Hinterradnabe stecken kann. «Ich sage natürlich nicht, wann, wie und wo wir kontrollieren. Ich spreche überhaupt nicht über Details», gibt der Detektiv zu Protokoll.
Jean-Pierre Verdy, bis zum Vorjahr Direktor des Kontrollbereichs der französischen Anti-Doping-Agentur AFLD, hatte in der Fachzeitschrift «Tour» unlängst behauptet, bei der Tour 2015 seien rund ein Dutzend Fahrer mit versteckten Motoren unterwegs gewesen. Er nannte weder Namen, noch legte er Beweise legte vor. Überhaupt ist eigentlich unklar, ob der enorme Aufwand gerechtfertigt ist. Einzige Begründung dafür bisher: Van den Driessche.
«Die Tests sind sinnvoll», erklärte der dreimalige Zeitfahr-Weltmeister Tony Martin bei den deutschen Meisterschaften in Erfurt. John Degenkolb sieht keinen moralischen Unterschied zwischen mechanischer und chemischer Manipulation: «Beides ist saudoof.» Geysen erklärt dazu nur: «Ich sag nicht, was ich verwerflicher finde. Das ist meine persönliche Meinung» Und: «Wir freuen uns nie, wenn wir etwas entdecken».
Für Tour-Etappensieger Marcel Kittel ist «klar, dass es vorkommt», aber es sei «schwer vorstellbar, weil es viele Mitwisser gäbe: Ein manipuliertes Fahrrad kann man nicht einfach verschwinden lassen.» Zumindest Teile des Teams, die Mechaniker, die Produzenten der Motoren wären eingeweiht. Aber war das Ausmaß des ausgeklügelten Armstrong-Doping-Systems vor der Enttarnung im Detail vorstellbar?