Berlin (dpa) - In der Dopingaffäre Lance Armstrong gibt es neue Vorwürfe gegen die Radsport-Eminenz Hein Verbruggen. Der ehemalige Vorsitzende des Weltverbandes UCI soll Geschäftsbeziehungen zum wichtigsten Armstrong-Förderer und -Geldgeber Thomas Weisel unterhalten haben.
Der Finanzier des US-Postal-Teams, für das der überführte Armstrong sechs seiner sieben Tour-de-France-Siege einfuhr, soll nach einem Bericht des «Wall Street Journal» Geld-Depots Verbruggens in seiner Investmentbank verwaltet haben. Der Nachrichtenagentur AP bestätigte Verbruggen den Bericht, sprach aber von einer «kleinen Geldsumme».
Das Ehrenmitglied des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) sieht sich schon lange mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert. Verbruggen, der im Hintergrund noch immer im Radsport die Fäden zieht, saß bis 2005 an der Spitze der UCI und wurde vom ebenfalls höchst umstrittenen Pat McQuaid abgelöst. Seit Veröffentlichung der Ermittlungsergebnisse der US-Anti-Doping-Agentur USADA wurde von vielen Seiten der Rücktritt McQuaids gefordert. Der Ire und vor ihm Verbruggen sollen Armstrong bei den Dopingaktivitäten gedeckt haben. Beide Funktionäre weisen die Vorwürfe entschieden zurück.
Auch Geschäftsbeziehungen zu Armstrong oder mit ihm arbeitenden Personen hatte Verbruggen stets abgestritten. «Das stinkt zum Himmel», meinte USADA-Chef Travis Tygart, der die lebenslange Sperre Armstrongs und die Aberkennung der sieben Tourtitel durchgedrückt hatte. Tygart verurteilte gegen dem «WSJ» scharf, «dass der Chef des Radsports, der auf die Einhaltung der Anti-Doping-Regeln achten muss, mit dem Eigner des Teams, das Seriensiege bei der Tour einfährt, Geschäfte macht». Für Verbruggen sind die Anschuldigungen «zynisch».
In einem laufenden Verfahren, in dem es um Missbrauch von Steuergeldern für Dopingzwecke geht, drohen Armstrong Rückzahlungsforderungen des ehemaligen Teamsponsors US Postal. Die Postgesellschaft soll für das Weisel-Team, in dem Armstrong 1999 seine ersten Toursieg gefeiert hatte, für sechs Jahre rund 30 Millionen Dollar investiert haben.
Es gibt auch Querverbindungen zwischen Weisel und dem Stoff, der womöglich auch Armstrong schnell machte: Mit seiner Firma Montgomery Securities war der US-Finanzier laut «Frankfurter Allgemeine Zeitung» einer der Initiatoren des Börsengangs der Bio-Tech-Firma Amgen. Deren Verkaufshit ist seit Jahren das als Blutdoping-Mittel zweckentfremdete Medikament EPO.
Nach Ansicht des US-Sportrechts-Experten Michael McCann hat Armstrong bei einem Geständnis keine Gefängnisstrafe wegen Meineids zu fürchten. Um eine vereinbarte Prämie in Höhe von 7,5 Millionen Dollar zu erhalten, hatte Armstrong 2005 in einem Prozess gegen den Versicherungskonzern SCA unter Eid ausgesagt, niemals gedopt zu haben. Das Unternehmen forderte inzwischen Schadensersatz.
«Ich habe zwar gelesen, dass er 2005 in dem Verfahren gegen SCA Promotions unter Eid ausgesagt hatte. Aber das stellt heute keine Gefahr mehr für ihn dar. Weil mehr als fünf Jahre seitdem vergangen sind, ist dies verjährt. Ansonsten sagte er nicht unter Eid aus. Lügen in der Öffentlichkeit oder zu anderen Radprofis haben keine strafrechtlichen Konsequenzen», sagte McCann der Nachrichtenagentur dpa.