Albi (dpa) - Die Haare sind grau geworden, aber sonst ist Lance Armstrong immer noch der Alte. Ganz leger im T-Shirt sitzt er da, wenn er mit gewohnter Schlagfertigkeit über das Geschehen der Tour de France parliert oder auch mal eine Anekdote über Jan Ullrich fallen lässt.
Die Frankreich-Rundfahrt lässt den einst so übermächtigen und später tief gefallenen Regenten der Tour de France nicht los. Rund 45 Minuten ist Armstrong jeden Tag auf Sendung. Natürlich nicht vor Ort in Frankreich, wo sie ihn längst verteufelt und zur unerwünschten Person erklärt haben. Nein, der lebenslang gesperrte Texaner sitzt in Aspen/Colorado im Studio, wo er zusammen mit Gästen wie seinem einst treuen Edelhelfer George Hincapie täglich den Tour-Podcast «The Move» dreht.
Und zahlreich ist die Anhängerschar des Texaners immer noch. Bis zu 75.000 Radsport-Fans sind täglich allein bei Youtube dabei, was Armstrong «richtig geschockt» hat. Denn damit ist die Sendung gleich mal auf Platz eins der sportbezogenen Podcasts hochgeschossen. Wo Armstrong ist, da ist oben. So war es schon früher.
Exakt 20 Jahre ist es nun her, als Armstrong die Herrschaft - seine Kritiker würden eher von einer Schreckensherrschaft sprechen - bei der Tour an sich gerissen hat. Was damals als wundersame Story eines geheilten Krebspatienten begann, entpuppte sich schließlich als das dunkelste Kapitel im Radsport. Armstrongs sieben Toursiege von 1999 bis 2005 wurden in den Geschichtsbüchern der Rundfahrt längst ausgelöscht, weil der 47-Jährige betrogen hat wie kaum ein Zweiter. EPO, Blutdoping, Wachstumshormone - Armstrong hat Maßstäbe gesetzt, nicht nur sportlich.
Große Reue zeigt der einstige Branchenstar nicht. «Wir haben getan, was wir tun mussten, um zu gewinnen. Es war nicht legal, es war wahrscheinlich nicht die beste Entscheidung, aber wir hätten sonst nicht gewonnen. Ich würde nichts anders machen, das habe ich schon dreimal gesagt, ich würde nicht eine Sache anders machen», sagte Armstrong im Interview des TV-Sender NBC Sports. Der Kanal hatte den früheren Ullrich-Rivalen sogar während der Tour als Experten zugeschaltet. Eine Resozialisierungsmaßnahme aus der Heimat?
Soweit wird es wohl nicht kommen. Die Kritik am Sender war jedenfalls groß, so dass ein Sprecher gleich mitteilte, dass Armstrong kein Geld für seinen Auftritt erhalten habe. Verhindern können die Veranstalter oder der Weltverband UCI derartige Auftritte nicht. Ein Verstoß gegen Armstrongs lebenslange Sperre liege nicht vor, ließ die UCI wissen.
So wird Armstrong weiter wie schon in den vergangenen beiden Jahren seine Meinung kundtun - aus dem Studio in Aspen. «Das ist eine einfache Sache. Wir sprechen über Dinge, von denen wir wohl mehr Ahnung haben als andere. Der schwierigste Part des Tages ist das morgendliche Aufstehen», sagte Armstrong der «Aspen Times».
Messerscharf analysiert «The Boss», wie er früher gerufen wurde, die Tour-Etappen. Ganz nebenbei erfahren die Zuschauer noch, dass Armstrong gerade erst ein Bild von Ullrich erhalten hat. «Ihm geht es gut, er ist gesund», sagt der frühere US-Postal-Kapitän, der Ullrich in seiner schwierigen Zeit im vergangenen Jahr besucht und unterstützt hatte.
Ullrich sei ein «Gentleman», ergänzt Armstrong und erinnert sich an seinen letzten Toursieg. Da sei Ullrich zu seiner Siegerfeier in Paris gekommen. «Und er hat gesprochen. Unser Englisch ist ja schon schlecht, aber ...», scherzt Armstrong mit Hincapie und dreht die Zeit mal kurz zurück. So wie 1999, als seine Ära bei der Tour begann und er noch von den Franzosen bestaunt wurde.
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