Castres (dpa) - Bei herrlichem Sonnenschein erfüllte Emanuel Buchmann ein paar Autogrammwünsche, dann stieg er gut gelaunt auf sein E-Bike.
Für Werbezwecke drehten die Bora-hansgrohe-Profis am ersten Ruhetag der Tour de France eine kleine Runde, bevor sie ihre Rennräder nahmen und gemütlich ein paar Trainingskilometer absolvierten. Ohnehin könnte die Stimmung beim deutschen Team derzeit nicht besser sein.
Während die große deutsche Tour-Hoffnung Buchmann lächelnd alle Nachfragen zu seinen hohen Ambitionen im Gesamtklassement beantwortete, beklatschten seine Teamkollegen freudig den gelungenen Coup. Gemeinsam mit den Dominatoren von Team Ineos hatte der deutsche Rennstall am Montag bei schwierigen Windverhältnissen eine Lücke gerissen und mehreren Buchmann-Rivalen fast zwei Minuten abgeluchst. «Das war ein voller Erfolg», jubelte der deutsche Meister Maximilian Schachmann. Helfer Marcus Burghardt sagte: «Es war ein sauguter Tag.»
Dass der Bora-Plan bei der zehnten Etappe der Tour de France wieder aufging, passt hervorragend ins Bild. Kaum ein Team hat im Rennjahr 2019 mehr zu bejubeln als die Equipe aus Raubling in Oberbayern, die in ihrem zehnten Jahr die bislang größten Erfolge einfährt. Neben dem auf Gesamtplatz fünf liegenden Buchmann beschäftigt die Truppe von Teamchef Ralph Denk auch Dreifach-Weltmeister Peter Sagan, der mit riesigem Vorsprung dem rekordträchtigen siebten Grünen Trikot bei der Tour de France entgegen fährt.
Der Aufstieg «Made in Oberbayern» ist nicht nur den Geldgebern Bora (Hersteller von Küchengeräten) und Hansgrohe (Produzent von Armaturen und Ausstattung für Küche und Bad), sondern auch einem klaren Plan, großer sportlicher Kompetenz und viel Akribie zu verdanken.
BESCHWERLICHER WEG NACH OBEN: Als NetApp wurde das Team vor knapp zehn Jahren gegründet, der erste Giro 2012 mit einem geliehenen Camper als Teambus ist in der Radsport-Szene berühmt berüchtigt. 2015 schien das Aus nahe, dann stieg Bora ein. Seitdem hat sich die Equipe stets weiterentwickelt. «Das Team kann man nicht mehr mit 2014 vergleichen. Wir haben jetzt richtig große Ambitionen. Es ist alles professioneller geworden, auch mit den Trainern und dem Staff», sagte Buchmann, der seit 2015 für das Team fährt. Dieses Jahr zählt Bora-hansgrohe 21 Einzelsiege und ist damit eines der erfolgreichsten Teams im Profi-Radsport.
DER SUPERSTAR: Grund dafür ist auch und vor allem Superstar Sagan. Der extravagante Slowake wechselte zur Saison 2017 zu den Bayern, was einem Meilenstein in der Entwicklung glich. In seinem Buch «Meine Welt» schwört der 29-Jährige dem Team seine Treue: «Tatsächlich möchte ich den Rest meiner Karriere für Bora-hansgrohe fahren. Die Mannschaft ist ideal für mich, und es gibt keinen Grund, über einen Wechsel auch nur nachzudenken.» Für Bora ist das ebenfalls ideal, schließlich gilt Sagan als begehrtester Fahrer im gesamten Peloton.
HORT DER BESTEN DEUTSCHEN: Bergspezialist Buchmann, Sprinter Pascal Ackermann und Klassikerspezialist Schachmann: Das Team aus Raubling beschäftigt inzwischen drei der größten deutschen Rad-Hoffnungen. Mit frappierender Dominanz beherrschte Bora-hansgrohe auch das Rennen um die deutsche Meisterschaft, das Schachmann am Ende gewann. Das Trio soll auch bei der Deutschland-Tour (29. August bis 1. September) für Furore sorgen. «Stand jetzt planen wir mit einem komplett deutschen Team und unseren deutschen Spitzenfahrern», kündigte Denk an. Die «Band of Brothers», wie sich das Team neuerdings selbst nennt, dürfte auch auf heimischem Terrain wieder großen Siegen nachjagen.
DER MACHER: Der 45 Jahre alte ehemalige Amateur-Fahrer Denk lebt für diese Sportart. Mit neuen Ideen und riesigem Ehrgeiz treibt der Bayer den Rennstall voran. «Wir haben jetzt schon die erfolgreichste Saison unserer Geschichte. Wir sind sehr glücklich», verkündete Denk schon vor dem Tour-Start mit Stolz. Gefeilt wird an Details bei Training, Material und Bekleidung. «All diese kleinen Dinge sind wichtig», sagte Denk. Etwas abgeguckt haben sie sich nicht nur bei Rad-Rivalen, sondern auch im Fußball, im Triathlon und im Wintersport. Zur bisherigen Tour-Bilanz sagte er: «Wir sind sehr zufrieden. Es ist alles im Soll.»