Frankfurt (rad-net) - Nils Politt (Katusha-Alpecin) und Maximilian Schachmann (Bora-hansgrohe) beherrschten in diesen Tagen die Schlagzeilen: Schachmann feierte drei Etappensiege bei der Baskenland-Rundfahrt, war Fünfter beim Amstel Gold Race. Politt musste beim Klassiker Paris-Roubaix nur dem Belgier Philippe Gilbert (Deceuninck-Quick Step) den Vortritt lassen, wurde Zweiter. Beide sind 25 Jahr jung, und werden in den kommenden Jahren den deutschen Radsport international sicherlich weiterhin erfolgreich vertreten.
Während die Jungstars ihre Erfolge ernten, bastelt U23-Bundestrainer Ralf Grabsch schon an der nächsten Generation. Die Nachwuchsfahrer sind hervorragend in die neue Saison gestartet: Jonas Rutsch gewann am letzten März-Sonntag die U23-Ausgabe des Klassikers Gent-Wevelgem und bestätigte sein Talent zwei Wochen später mit dem fünften Platz bei der Flandern-Rundfahrt der U23.
Weitere Top-Platzierungen der Nationalmannschaft in diesen Rennen, die zum U23-Nationencup zählen, bescherten dem Bund Deutscher Radfahrer (BDR) Platz zwei im UCI-Ranking. Derzeit liegt Eritrea an der Spitze. Das mag überraschen, weil das afrikanische Land nicht unbedingt eine führende Rolle im Radsport einnimmt. Weil die Afrikaner aber zu Beginn der Saison ein Etappenrennen in Kamerun bestritten, bei dem die europäischen Länder nicht starten konnten, kommt es zu diesen Rankings. «So etwas geht eigentlich gar nicht», ärgert sich Bundestrainer Grabsch. «Wenn man eine Rennserie aufstellt, müssen alle Nationen startberechtigt sein und die gleichen Bedingungen haben.» Am Ende der Saison werden die afrikanischen Teams aber wohl wieder auf die hinteren Ränge verschwinden.
Grabsch konzentriert sich mit seinem Team auf das nächste Wertungsrennen Anfang Mai in Frankreich. Der Etoile d'Or ist neu im Kalender, ersetzt die ZLM-Tour in den Niederlanden, die nicht mehr im Nationencup-Kalender vertreten ist. Das ist ein mittelschweres Eintagesrennen, bei dem seine Schützlinge wieder gute Chancen auf Top-Platzierungen haben. In den klassikerähnlichen Rennen sind die deutschen Fahrer Weltklasse.
«Was uns fehlt, sind bergfeste Rundfahrer», bedauert Grabsch. «Wir tun uns schwer, einen Fahrer im Klassement ganz nach vorn zu bringen.» Mit diesem «Problem» aber kämpft der BDR seit Jahren. Starke Eintagesfahrer wie Politt, exzellente Sprinter wie Pascal Ackermann und gute Zeitfahrer wie Max Schachmann bringen die Trainer des BDR immer wieder hervor. Es mangelt aber an Bergfahrern, auch weil es in Deutschland immer weniger schwere Rennen gibt. Von Etappenrennen ganz zu schweigen. Für die Klasse U23 gibt es kein Etappenrennen mehr in Deutschland, für die Junioren immerhin die zum UCI-Junioren-Cup zählende Trofeo im Saarland und die Cottbuser Junioren-Etappenfahrt. In international schweren U23-Rundfahrten hat in den letzten Jahren einzig Emanuel Buchmann (Bora-hansgrohe) als Gesamtsiebter der Tour de l'Avenir ein bemerkenswertes Resultat erzielt.
Der U23-Nationencup, bestehend aus insgesamt sieben Eintages- und Etappenrennen, wird stets mit einer Nationalmannschaft besetzt. Ansonsten sind die Fahrer für ihre Heimatteams und Vereine im Einsatz. «Die haben fast alle ein gutes Wettkampfprogramm, so dass die Voraussetzungen, wenn sie dann zum BDR-Einsatz kommen, ähnlich sind», sagt Grabsch. Nur das Development Team Sunweb habe einen leichten Vorteil, weil die Fahrer – durch die Anbindung an die Profimannschaft - ein besseres Rennprogramm haben als der Rest.
Dass sich der BDR für die Abschlussveranstaltung im Nationencup, der Tour de l'Avenir in Frankreich, qualifiziert, steht für Grabsch außer Frage nach dem gelungenen Saisonstart. «Unser großes Ziel ist es, wieder sechs Leute an den Start der Weltmeisterschaft zu bringen», sagt der Bundestrainer. Dazu muss man es in die Top Acht des Nationencups schaffen, was dem BDR im letzten Jahr ebenfalls gelang.
Im aktuellen U23-Kader des BDR stehen derzeit 17 Fahrer. Jeweils drei gehören den Jahrgängen 1997 und 1998 an, fünf dem Jahrgang 1999. Neu hinzu gekommen sind in dieser Saison sechs Junioren des letzten Jahres, alle Jahrgang 2000. Unter ihnen sind Jakob Geßner (Heizomat rad-net.de) und Marius Mayhofer (Development Team Sunweb), die bereits als Juniorenfahrer gute Erfolge erzielen konnten. Auch Miguel Heidemann (Herrmann) bescheinigt Ralf Grabsch ein großes Potential, weil er sich als Berg- und Zeitfahrer gut entwickelt hat.
Für die Stamm-Mannschaft – speziell für die Eintagesrennen – setzt Grabsch auf Jonas Rutsch (Lotto-Kern Haus), Juri Hollmann, Patrick Haller (beide Heizomat rad-net.de), Niklas Märkl (Development Team Sunweb) und Georg Zimmermann (Tirol-KTM). Sie haben sich in den ersten beiden UCI-Wertungsrennen bewährt und seien sehr mannschaftsdienlich gefahren. Darin sieht Grabsch die Voraussetzung für den Erfolg. «Nur wenn wir als Team auftreten, können wir gewinnen.» Später, so weiß der Bundestrainer, müssen sie das draufhaben. «Nur wer sich gut in ein Team integrieren kann, hat bei den Profis eine Chance.»
Und das ist das große Ziel eines jeden im BDR-Kader der U23. «Viele von ihnen haben das Potential für die höchste Radsport-Liga», ist Grabsch überzeugt. Ziemlich sicher ist Grabsch, dass Jonas Rutsch ihm im nächsten Jahr nicht mehr zur Verfügung steht. Aber das ist ja nicht ungewöhnlich für einen Nachwuchstrainer, sondern sollte auch das Ziel sein: Gutausgebildete Fahrer zu den Profis abgeben.
Wolfgang Ruser, Junioren-Nationaltrainer, hat genau das gleiche Problem. In seinem Kader bleiben die Junioren sogar nur zwei Jahre, bevor sie in die U23 wechseln. Manchmal hat er ganz starke Jahrgänge. So konnte sich Ruser 2014 in Ponferrada (Spanien) gleich über zwei Weltmeister, im Straßenrennen (Jonas Bokeloh) und im Zeitfahren (Lennard Kämna), freuen. Bei der letzten WM in Innsbruck 2018 rettete Marius Mayrhofer mit Platz zwei im Straßenrennen hinter dem überragenden Belgier Remco Evenepoel den Medaillenspiegel für den BDR. Aber es gibt auch Jahre, da gehen die Junioren leer aus. «Die einzelnen Jahrgänge sind halt sehr unterschiedlich. Es gibt Jahre mit vielen starken Fahrern, aber auch welche mit eher schwächeren Athleten» spricht Wolfgang Ruser aus seiner langjährigen Erfahrung.
Mit der aktuellen Saison ist Ruser bisher zufrieden. In den ersten Rennen zum Nationencup der U19 konnten respektable Resultate erzielt werden, auch wenn es krankheitsbedingt einige Ausfälle gab. «Das Trainingslager im März mussten zwei Fahrer aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig abbrechen», bedauert Ruser. Zwei weitere Kader-Fahrer stecken mitten im Abitur. Das sind Alltagsprobleme, mit denen der Bundestrainer jedes Jahr kämpfen muss.
Mit dem Deutschen Meister Leslie Lührs, Maurice Ballerstedt und Marco Brenner, der am letzten Wochenende die Juniorenrennen am Sachsenring und in Schönaich gewinnen konnte und sich den Sieg bei der Rad-Bundesliga im Rahmen von Rund um Düren sicherte, stehen wieder hoffnungsvolle Nachwuchsfahrer bereit. Im Mai können sie und weitere BDR-Fahrer sich in drei UCI-Nationencuprennen erneut beweisen. Dort treffen sie dann auf die starke Konkurrenz aus den USA und Großbritannien, die derzeit den Ton bei den Junioren angeben. «Wir haben leider nicht die Breite an Kaderathleten wie diese Nationen, aber wir strengen uns an, um mitzuhalten», zeigt sich Ruser zu Beginn der Saison optimistisch.