Hagen (rad-net) - Die deutschen Paracycling-Sportler haben mit Unverständnis auf die Änderungen im Reglement der Paralympischen Spiele von London reagiert. «Es herrscht derzeit heller Aufruhr bei unseren Athleten und natürlich auch bei den Verantwortlichen», so Heinz Kleeb, Koordinator Behindertenradsport im Bund Deutscher Radfahrer gegenüber «rad-net». «Mit allem Respekt sieht das Ganze subjektiv und unsachlich aus. Und das in einem Umfang, für den einem die Worte fehlen.»
Mit den Zielen, mehr Teilnehmer, mehr Medaillen und ein höherer Frauenanteil zu erreichen, wurde die Zahl der Radwettbewerbe für London von 44 mit 132 Medaillen in Peking auf 50 mit 150 Medaillen erhöht. Zu einer aus Sicht der international Verantwortlichen besseren Übersicht werden für London die Wettkämpfe mit Faktor-Wertung weitgehend abgeschafft. In Peking gab es noch neun entsprechende Wettbewerbe, in London bleibt davon nur noch das Zeitfahren der Klassen T1 und T2.
Für Kleeb eine Veränderung, die völlig am Sport vorbei geht: «Wenn diese Änderung mit Zusammenlegung unpassender Klassen durchgesetzt wird, dann müssen Leute unterschiedlichster Behinderungsgrade wie zum Beispiel Erich Winkler als Einbeiner und Einarmer gegen Leute antreten, nach deren Behinderung man schon fragen kann, wenn man sieht, dass sie die 1000 Meter in einer Zeit von 1:08 Minuten fahren. Wie soll das mit einem Arm und einem Bein gehen? Gar nicht. Das ist unvergleichlich und unfair», so Kleeb.
Auch unabhängig von den Änderungen im paralympischen Radsport gärt es im Deutschen Behindertensportverband (DBS). «Thomas Beer, unser langjähriger Repräsentant in der UCI-Kommission für den Bereich Paracycling, hat völlig unvorbereitet die Nachricht bekommen, dass er künftig nicht mehr Mitglied der Kommission ist. Er wurde wie Barry Broadbent aus Großbritannien als ebenso kritischer Geist ohne Vorwarnung ausgebootet», sagt Kleeb. «So haben wir als eine der führenden Nationen im Augenblick keine Stimme mehr im Parlament.» Man arbeite jedoch daran, dies wieder zu ändern. «Wir sind auf dem Weg dahin, haben jedoch Bedenken, dass hier Leistungsträger mit Schwerstbehinderungen um Erfolgsaussichten gebracht werden und dass sie künftig international chancenlos sein werden.»
Auch für den Ausnahme-Paralympic-Sportler und mehrfachen Weltmeister und Paralympics-Sieger Michael Teuber ist das neue Reglement unverständlich: «Die Faktoren sind eingeführt worden, Chancengleichheit zu schaffen. Es wäre verrückt, wenn man sie gleichzeitig für die paralympischen Spiele wieder außer Kraft setzen würde.»
Paralympics: Erweitertes Programm für London