Haltern (rad-net) - Der zweifache deutsche Cross-Country-Meister Markus Schulte-Lünzum will seine Karriere als Leistungssportler nach der WM 2020 in Albstadt beenden. Das hat der 28-Jährige nun offiziell gemacht. Anlass für das frühe Ende ist das vorzeitige Aus seines Rennstalls Bike Way Israel.
«Ich hatte vor, meine Entscheidung nach der Saison 2020 zu treffen. Dann kam jedoch das Aus meines Rennstalls und Bemühungen ein Nachwuchsteam mit mir als 'Spieler-Trainer' zu gründen, konnte ich leider nicht erfolgreich umsetzen», erklärt Markus Schulte-Lünzum. «So habe ich mir Gedanken gemacht und in mich hineingehört. Auch wenn ich jetzt für 2020 kein Nachwuchsteam an den Start bringen konnte, habe ich mir gesagt, an deinen persönlichen Zielen ändert das nichts.»
Soll heißen: die WM im eigenen Land bleibt ein Ziel. Und zwar als Einzelkämpfer mit ein paar langjährigen Partnern an seiner Seite. «Project Finish-Line» nennt er das. Danach will er einen Schlussstrich ziehen.
Mit Albstadt verbindet den Mann vom Nordrand des Ruhrgebiets mehr als mit anderen Weltcup-Orten. Dort wurde er 2011, vor der Weltcup-Ära, erstmals Deutscher U23-Meister, dort gewann er 2013 sein erstes U23-Weltcuprennen und 2017 verbuchte er als 14. im Elite-Rennen sein bis heute bestes Resultat im Weltcup. «Welcher Ort wäre [für seine Abschiedsvorstellung, Anm. d. Red.] besser geeignet als vor deutschem Publikum und dann noch an einem Ort, an dem ich einige wichtige Erfolge gefeiert habe», stellt Schulte-Lünzum eine rhetorische Frage.
Für Bundestrainer Peter Schaupp ist das Karriere-Ende sehr bedauerlich, aber er kennt das Geschäft. «Schade, dass es mit seinem Team so gelaufen ist. Leider ist es der Lauf der Zeit, wenn Sportler kein Team mehr haben, dann endet das so und oft relativ schnell», meint Schaupp, der in Schulte-Lünzum auch seinen Fahrersprecher verliert. Oder verlieren würde. Dass er «noch ein bisschen Hoffnung» hat, wenn es beim Studenten im Frühjahr super läuft, verhehlt Schaupp nicht. Dass er bei der WM in Albstadt dabei sein wird, daran hat er keine Zweifel. «Wir haben nicht so viele Sportler, die ein ähnliches Niveau haben und 'Schulle' hat in Albstadt seine besten Ergebnisse eingefahren», meint Schaupp.
Logisch, dass sich bei dieser Konstellation eine Frage aufdrängt: Ob es denn eine Abkehr vom angekündigten Karriere-Ende geben könnte, wenn das Frühjahr 2020 den Aufwärtstrend weiter bestätigt? «Man kennt mich als konsequenten Menschen», meint Schulte-Lünzum und schränkt mit einem Lachen ein: «Wenn ich mich für die olympischen Spiele qualifiziere, was theoretisch noch möglich ist, dann fahre ich Tokio natürlich auch noch.» Das ist mit zwei verbleibenden Chancen - EM und Weltcup Nove Mesto - und vier Kontrahenten, die das schon geschafft haben, relativ unwahrscheinlich. Damit will Schulte-Lünzum wohl klar machen, wie ernst es ihm ist.
Bis dahin will er allerdings Vollgas geben. «Ich hoffe auf ein super Frühjahr. Ich will aufhören mit dem Gefühl auf meinem besten Level zu sein, das ist das Ziel. Es wäre toll, wenn ich noch mal eine Knaller-Saison raushauen könnte. Das wäre eine große Befriedigung», betont der Halterner, der mit der deutschen Staffel 2012 und 2013 jeweils WM-Bronze holte.
Eigentlich wollte sich Schulte-Lünzum die Frage zu seiner Zukunft ja erst Ende 2020 stellen, er hatte Ende 2018 bei Bike Way Israel einen Vierjahres-Vertrag mit Ausstiegsklausel nach zwei Jahren unterzeichnet. Doch bei den Israelis versiegte bereits im Sommer eine Geldquelle und es kam das Aus. Bei einem anderen Team anklopfen wollte er nicht und nachdem das eigene (Nachwuchs-)Team nicht zustande kam, obschon es lange gut ausgesehen hatte, sah er sich gezwungen sich anders zu orientieren.
Im Winter will er sein Studium zum Wirtschaftsingenieur beenden und sich dann nach Karriere-Ende beruflich umschauen. Dabei will er sich bei der Wahl der Stelle auch daran orientieren, die Trainerstelle beim nordrhein-westfälischen Landesverband fortführen zu können. Mit dem Mentoren-Programm der Deutschen Sporthilfe hofft er eine entsprechende Kombination verwirklichen zu können.
Die Trainerstelle in NRW wurde im Herbst von 30 auf 50 Prozent aufgestockt und Schulte-Lünzum sieht sich in Zukunft auch weiter als Trainer. Auch die Idee vom Nachwuchs-Team, ohne ihn als Fahrer, will er weiter verfolgen. «Ich will Teil der Szene bleiben. Mich interessiert der Sport in allen seinen Facetten, Training, Material, der Vibe. Ich will das weiter erleben», sagt Schulte-Lünzum. Und dann ist da noch der Wunsch einen Event mal als Mechaniker zu erleben. «Das wäre toll, ich hoffe, ich bekomme irgendwo die Chance.»
Im Alter von fünf Jahren hat er sein erstes Rennen bestritten. Insofern ist es auch nachvollziehbar, dass der Ausstieg aus dem «Hamsterrad des Leistungssports» auch verlockend ist.
Blickt man auf die vergangenen zwei Jahre zurück, dann sind andere, jüngere, deutsche Fahrer an Markus Schulte-Lünzum vorbei gezogen. Dennoch bedeutet sein Rückzug für die deutsche Cross-Country-Szene einen herben Verlust. Als Persönlichkeit, aber auch als Sportler, der längst noch nicht am Ende seiner Möglichkeiten angelangt ist.
Im Verlauf der Saison 2019 war ein Aufwärtstrend zu erkennen, der ihn wieder näher an die Regionen führte, in denen man das Talent nach seinem Gesamtsieg im U23-Weltcup 2013 eigentlich erwartet hatte. 2014 wurde er in Bad Säckingen erstmals Deutscher Meister in der Elite. Im gleichen Jahr fuhr er bei der WM auf Rang 18 – trotz Defekt. Dann ging es aber eher in Wellen weiter. Vielleicht endet die Karriere 2020 dann ja tatsächlich wieder mit einem Höhenflug.