Berlin (rad-net) - Seit dem Jahre 2000 gab es in Deutschland keine Weltmeister im Zweiermannschaftsfahren mehr. Theo Reinhardt (Heizomat rad-net.de) und Roger Kluge (Mitchelton-Scott) krönten sich nach der langen Durststrecke am vergangenen Sonntag bei den Titelkämpfen im niederländischen Apeldoorn zu den Nachfolgern von Erik Weispfennig und Stefan Steinweg. In beeindruckender Manier und mit recht großem Vorsprung verwies das deutsche Duo die favorisierten Spanier (Albert Torres Barcelo/Sebastian Mora Vedri) und Australier (Cameron Meyer/Callum Scotson) auf Plätze zwei und drei.
Im Interview erzählt Reinhardt, wie er das WM-Rennen erlebt hat, was der Titel ihm bedeutet und was seine weiteren Ziele sind.
Jetzt mit ein paar Tagen Abstand gesehen, wie wie fühlt sich das an, Weltmeister zu sein. Hast Du es schon realisiert?
Theo Reinhardt: Das ist schwer zu sagen. Ich bin eher der realistische Typ und hätte nie gedacht, dass ich überhaupt jemals so ein Trikot bei einer WM anziehen würde. Es ist schon eine Nummer, wenn man beispielweise angerufen und Weltmeister genannt wird. Das ist total abgefahren. Also realisiert habe ich es denke schon, aber dennoch ist es noch weit weg.
Mit welchem Ziel seid ihr ins Zweiermannschaftsfahren gegangen?
Reinhardt: Das große Ziel für Roger und mich war es, sich als mögliche Olympia-Kandidaten im Zweiermannschaftsfahren für Tokio zu finden. Der Bundestrainer hat uns ein Glück das nötige Vertrauen gegeben. Aber wir bestehen als Paarung ja noch nicht so lange und so war die WM eher zu Übungszwecken gedacht, genauso wie zuvor schon das Berliner Sechstagerennen. Es war aber klar, dass Roger und ich in guter Form sind. Wir wollten dementsprechend eine gute Leistung zeigen, zumal bei einer WM ja auch viele Leute zugucken. Viele haben uns eine Medaille zugetraut, aber persönlich habe ich eher an die Top 4 gedacht, aber niemals, dass wir Weltmeister werden. Es war also auch für mich eine kleine Überraschung. Aber an dem Tag lief einfach alles perfekt.
Wie war der Rennverlauf aus Deiner Sicht?
Reinhardt: Wir sind das Rennen taktisch angegangen. Wir wollten nicht die Verantwortung übernehmen. Aber wir wolten auch offensiv fahren und zwischendurch punkten, damit wir nicht in Rückstand geraten. Natürlich haben wir dabei auch auf die großen Favoriten aus Belgien und Australien geachtet. In der ersten Wertung konnten wir locker - ohne große Kraftanstrengung - Punkte holen. Das war ein guter Auftakt. Dann wollten wir uns erst einmal im Feld finden und vorne dabei sein. Irgendwann haben wir dann auf einen Rundengewinn gesetzt und als Australien einmal rumgefahren war, waren wir in Zugzwang. Unser Rundengewinn war kein leichter, weil das Feld das Tempo hochhielt. Aber es hat geklappt und wir konnten weiter unsere Taktik verfolgen. Zudem waren wir in den Wertungen weiter vorne dabei und konnten die verschiedenen Attacken kontern.
Wie hast du die letzten Runden erlebt, als ja eigentlich schon feststand, dass ihr gewinnen würdet?
Reinhardt: Man guckt in diesen letzten Runden natürlich auf den Punktestand und dabei, auf welche Mannschaften man achten muss. In der vorletzten Wertung, zehn Runden vor Schluss, war dann das Motto «all giving», um den Sack zuzumachen. Dann waren wir im Feld und ich wusste gar nicht so genau, was ich tun soll, weil ich von da an so nervös war. Vor allem wollte ich nicht mehr stürzen. Und als wir im Ziel waren, habe ich einfach nur noch geschrien, habe es genossen und war einfach glücklich.
Wann wusstest Du, dass es mit dem WM-Titel klappen könnte?
Reinhardt: Nach der vorletzten Wertung war alles entschieden. Es konnte nichts mehr passieren. Selbst ein Defekt oder Sturz hätte uns nicht mehr von Platz eins verdrängen können. Und eine Runde auf den letzten zehn Runden zu verlieren, war auch sehr unwahrscheinlich. Da habe ich schon gewusst, dass es klappt.
Was bedeutet Dir der WM-Titel
Reinhardt: Sehr, sehr viel. Das ist ein absoluter Höhepunkt in meiner Karriere. Ich habe mich immer viel auf den Vierer konzentriert, bin aber auch eine das Madison gefahren. Roger ist ein starker Parner, wir ergänzen uns gut. Die Vorbereitung war schwer, es lief nicht alles gut und das drückte auch auf die Stimmung im Team. Aber bei der WM haben wir das rumgerissen. Der Titel im Zweiermannschaftsfahren bedeutet auch für die Mannschaft viel, wir können auf der Welle weiter schwimmen und positiv in Richtung Olympia blicken. Persönlich ändert der WM-Titel nicht so viel für mich. Ich bin wieder zurück im Alltag und bei meiner Familie. Aber natürlich ist es schon schön.
Ist der Sieg auch eine Art Genugtuung für Dich?
Reinhardt: Ja, eine Genugtuung für die ganzen Jahre harte Arbeit. Ich gehöre sicherlich zu den fleißigen Fahrern, die jeden Tag ihre Arbeit und das Training machen. Ich habe mir also schon verdient, endlich mal einen großen Erfolg zu feiern, auch wenn ich nicht immer daran geglaubt habe.
Wie geht es nun für Dich weiter? Was sind Deine weiteren Saisonziele und Deine nächsten Stationen?
Reinhardt: Jetzt nach der WM mache ich erst einmal ein paar Tage Pause. Es war ein langes Jahr und ein langer Winter. Seit September 2016 habe ich viel Grundlage und Kraft trainiert, aber keine richtige Pause gehabt. Anfang April geht es dann ins Höhentrainingslager nach Mexiko. Danach folgt das übliche Programm mit Straßenrennen, Rundfahrt, der Deutschen Bahn-Meisterschaft und Lehrgängen. Im August geht es dann bereits bei der Bahn-Europameisterschaft mit der Olympia-Qualifikation für Tokio 2020 los. Ich hoffe, dass es für uns dort wieder reibungslos läuft, damit wir in Richtung Olympia Ruhe haben.