Parma (dpa) - Rund eine Million Zuschauer zum Auftakt und mit dem Italiener Marco Pinotti der «richtige» erste Träger des Rosa Trikots: Der 94. Giro d'Italia feierte sich im 150. Jahr der Vereinigung des Landes selbst überschwänglich und ohne schlechtes Gewissen.
Von der «Krise in Pink», wie die «Süddeutsche Zeitung» titelte, wollten die Gastgeber nichts wissen. Die Doping-Diskussion um den belasteten und trotzdem umjubelten Topfavoriten Alberto Contador (Spanien) und andere wurde vorerst ausgeblendet. Am Sonntag wechselte das Trikot auf die Schultern von Mark Cavendish, der im Ziel der längsten Etappe nach 244 Kilometern in einem Sprint mit Haken und Ösen Altmeister Alessandro Petacchi (Italien) unterlag.
«Es war, als hätte ich es zum ersten Mal erlebt. Ein unglaubliches Gefühl. Schon am Start hatte ich Herzklopfen», sagte der 35-jährige Pinotti, als er sich am Samstag in Turin nach dem Sieg seines Teams HTC Highroad im 19,3 Kilometer langen Mannschaftszeitfahren das «Maglia Rosa» überstreifen durfte - zum zweiten Mal in seiner Laufbahn nach 2007.
Am Sonntag gab er es im Ziel der 2. Etappe ohne Träne im Knopfloch an seinen Teamkollegen Cavendish weiter, der im Massenspurt in Parma Petacchi unterlegen war, aber mit Hilfe der Zeitgutschriften Pinotti vom Giro-Thron verdrängte. Der über 215 Kilometer als Solist führende Sebastian Lang aus Erfurt durfte sich das Grüne Bergtrikot überstreifen.
Aus Sicht der diesjährigen Giro-Favoriten hat der Italiener Vincenzo Nibali (Liquigas/Rang drei) im Zeitfahren acht Sekunden auf Contador (Saxo-Bank-Sungard/Rang acht) gutgemacht. Sein Landsmann Michele Scarpanoni war mit Lampre zwei Sekunden langsamer als Nibali. Aber angesichts der noch zu bewältigenden 40 000 Höhenmetern und der bevorstehenden «Höllenwoche» in den Dolomiten zum Giro-Abschluss haben diese Zeitabstände keine Bedeutung.
Die Flachetappe durch die Po-Ebene am Sonntag von Alba nach Parma bot den Sprintern eine der seltenen Gelegenheiten, bei dieser Italien-Rundfahrt zu punkten. Sie ließen sich die Chance nicht nehmen - auch nicht vom Ausreißer Lang, der schon nach drei Kilometern sein Glück im Alleingang versuchte und bei Rückenwind bis zu 20 Minuten Vorsprung herausgefahren hatte. Im Finale übernahmen die Sprinterteams 24 Kilometer vor dem Ziel das Kommando. Cavendish protestierte nach einem Rempler Petacchis - aber der 37-Jährige feierte seinen 22. Giro-Etappensieg.
Im Teamzeitfahren hatte Omega-Lotto mit Lang überraschend lange die Bestzeit gehalten. In der Endabrechnung musste die belgische Equipe aber mit Platz vier 22 Sekunden hinter den Gewinner HTC (20:59 Minuten) zufrieden sein. Das Sieger-Team fuhr ein Stundenmittel von 55,186 Kilometer.
«Wir hatten hier seit Mittwoch intensiv auf unseren Zeitfahrmaschinen trainiert», erklärte Lang, der am Sonntag noch einmal nachlegte. Sein Trost: Obwohl er eingeholt wurde, sicherte er sich das erste Bergtrikot dieses Giro. Die einzige Bergwertung 34 Kilometer vor dem Ziel konnte er noch im Alleingang passieren.