Paris (dpa) - Souverän und unerbittlich auf dem Rad, ruhig und bescheiden abseits der Straße. Christopher Froome, der Dominator der 100. Tour de France, hat dem großen Jubiläum in Frankreich seinen Stempel aufgedrückt.
«Der Sonnenkönig», titelte die französische Zeitung «L'Equipe», noch bevor Froomes Sieg endgültig feststand. Die Überlegenheit des zurückhaltenden Briten weckte jedoch auch eine Menge Skepsis. Sogar Vergleiche mit dem wegen Dopings lebenslang gesperrten Lance Armstrong ließ er ruhig über sich ergehen. Froome war wie der Amerikaner nach schwerer Krankheit grandios zurückgekehrt.
Der 28-Jährige beteuert, seine Leistungen seien das Ergebnis harter Arbeit. «Ich bin menschlich», versicherte Froome. Auf dem Rad jedoch wirkte der schmale, trotz seiner 1,86 Meter Körpergröße bei 67 Kilogramm fast zerbrechlich aussehende Radprofi im Vergleich zu seinen Konkurrenten wie von einem anderen Stern. Schon bei der ersten Bergankunft in den Pyrenäen übernahm er das Gelbe Trikot und degradierte die Rivalen mit geradezu spielerischer Leichtigkeit zu Statisten. Auf dem legendären Anstieg zum Mont Ventoux wiederholte sich dieses Schauspiel.
Auch in den beiden Einzelzeitfahren war Froome deutlich überlegen. Selbst als er im Finale der Königsetappe nach L'Alpe d'Huez unterzuckert einen Moment der Schwäche erlebte, baute er seinen Vorsprung auf die Konkurrenten noch einmal aus. Rund fünf Minuten trennten ihn nach der Tortur über 3404 Kilometer vom Gesamtzweiten, der großen Tour-Entdeckung Nairo Quintana. Drei Etappensiege nahm er fast beiläufig mit. «Die größte Herausforderung war, mental frisch zu bleiben und sich jeden Morgen zu motivieren, noch mehr Sekunden herauszuholen», sagte er.
Trotz der großen Überlegenheit sonnte sich Froome nicht in seinem Triumph. «Ich freue mich, aber ich freue mich still», erklärte er. Froome tritt stets bescheiden, fast zurückhaltend auf. Nur einmal während der 23 Tourtage verlor er für einen Moment die Contenance. Am Tag nach seinem Etappensieg auf dem Mont Ventoux wurde er auf einer Pressekonferenz fast ausschließlich zum Thema Doping befragt. «Hier sitze ich nach dem größten Sieg meiner Karriere und werde beschuldigt, ein Lügner und Betrüger zu sein. Das bin ich nicht», ärgerte er sich und stand auf.
Dabei versteht der ansonsten freundlich und höflich auftretende Brite durchaus, dass angesichts des Dauerthemas Doping jeder Toursieger unter besonderer Beobachtung steht. «Es ist komplett verständlich, dass derjenige, der das Gelbe Trikot trägt, auf den Prüfstand kommt», erklärte Froome. «Wer immer in diese Position gelangt, wird mit dem Mikroskop untersucht.»
Auf dem Weg zum Tour-Olymp hatte Froome einen ungewöhnlichen Werdegang. Als Sohn britischer Eltern in Nairobi geboren, sammelte er seine ersten Erfahrungen als Profi in Südafrika. Sein erstes nationales Meistertrikot nähte er selber zusammen. Der kenianische Verband trug damals keine Meisterschaftsrennen aus. Als Froome sich telefonisch danach erkundigte, erhielt er die Antwort, wenn er ein Trikot bringe, könne er den Titel haben. «Es war eine außergewöhnliche Reise vom Mountainbiker in Kenia zum Träger des Gelben Trikots», sagte der Toursieger 2013.
Bei seinem Tourdebüt 2008 erreichte der damals noch mit einem kenianischen Pass ausgestattete Froome Paris auf Rang 84. Seit 2010 fährt er für das Team Sky. Dort blieb er zunächst hinter den Erwartungen zurück. Als Grund wurde bald eine Bilharziose ausgemacht, über die er im Vorjahr erstmals sprach. Eine lebensbedrohliche Wurmkrankheit, die das Blutsystem schwächt. Froome wurde erfolgreich behandelt, so dass er seine Leistungsfähigkeit zurückgewann. Doch noch immer muss er sich alle sechs Monate untersuchen lassen. «Die Krankheit ist noch immer in meinem Körper», erklärte er.
Die grandiose Rückkehr nach Krankheit hat Vergleiche mit Armstrong provoziert, der 1999 als Krebsüberlebender seinen betrügerischen Siegeszug bei der Tour begann. Alle sieben Siege wurden ihm aberkannt. «Man kann mich nicht mit Lance vergleichen», sagte Froome. «Er hat betrogen, ich nicht.»
2011 konnte Froome als Gesamtzweiter bei der Vuelta erstmals überraschend einen Podiumsplatz bei einer Drei-Wochen-Rundfahrt erobern. Im vergangenen Jahr beendete er die Tour als Zweiter hinter Bradley Wiggins, der diesmal verletzt fehlte. Schon damals war er in den Bergen stärker als der nominelle Sky-Kapitän, beugte sich aber der Stallorder. Diesmal hatte er freie Fahrt. Vermutlich wird er auch in den kommenden Jahren die Richtung angeben.