Paris (dpa) - Alberto Contador war bei seinem zweiten Toursieg so sattelfest wie Lance Armstrong in seinen besten Zeiten und Mark Cavendish als sechsfacher Etappensieger unantastbar.
Die 96. Tour de France, die nach 3549,5 Kilometern und - bis jetzt - dopingfrei zu Ende ging, hatte in dem Spanier und dem Briten die großen Protagonisten. Der 37-Jährige Armstrong konnte vier Jahre nach seinem letzten Triumphzug auf den Champs Elysées, wo Cavendish seine Siegesserie in überragender Manier fortsetzte, nicht mehr an alte Klasse anknüpfen und musste sich mit Platz drei 5:24 Minuten hinter Contador zufriedengeben. «Alberto war der Stärkste», zollte der texanische Radprofi seinem Astana-Teamkollegen Respekt, der weiter die Doping-Verdächtigungen von 2006 mit sich herumschleppt. «Als alter Sack hierherzukommen und das Podium zu erreichen, ist nicht so schlecht», umschrieb Armstrong seine eigene Leistung mit einer Prise Ironie.
Gegen den überragenden Contador, der sich anschickt, seinem Landsmann und fünffachen Tour-Champion Miguel Indurain nachzueifern, hatte er ebenso wie Andy Schleck nichts auszurichten. «2007 habe ich mit den Beinen gewonnen, diesmal auch mit dem Kopf», sagte der 26- Jährige, dem nach seiner «Krönung» («As») noch weitere Tour-Siege und der Angriff auf Armstrongs sieben Triumphe zuzutrauen sind. Der Luxemburger Andy Schleck, bester Jungprofi, war mit 4:11 Minuten Rückstand der Kronprinz des nicht unumstrittenen Matadoren aus Pinto bei Madrid, der die Serie der spanischen Toursiege seit 2006 fortsetzte.
Bester deutscher Profi in der Endabrechnung war Andreas Klöden, der nach den Recherchen der Freiburger Untersuchungskommission unter Doping-Verdacht steht, aber alle Vorwürfe zurückweist. Der 34 Jahre alter Wahlschweizer, loyaler Team-Kollege von Contador und Armstrong, belegte mit 6:42 Minuten Rückstand den sechsten Rang. Alle sportlichen Aspekte der 96. Tour, deren Ziel in Paris 156 von 180 Startern erreichten und die der Italiener Franco Pellizotti als bester Kletterer beendete, wurden durch den Unfalltod einer Zuschauerin auf der 14. Etappe aber in den Schatten gestellt.
Vom 15-köpfigen deutschen Tour-Aufgebot sorgten Heinrich Haussler mit seinem Etappensieg im Elsass, Tony Martin als die große Tour- Entdeckung und Jens Voigt mit seinem Horror-Sturz für Schlagzeilen. Der 24-Jährige Martin hätte seiner ersten Tour-Teilnahme beim Aufstieg zum Mont Ventoux beinahe das Sahnehäubchen in Form eines Etappensieges verpasst. Der Cottbuser, der 14 Tage das Weiße Trikot des besten Nachwuchsfahrers getragen hatte, passierte die Ziellinie auf 1912 Metern Meereshöhe drei Sekunden hinter dem Tagessieger Juan Manuel Garate aus Spanien. Die Tour sei für ihn «wie ein Traum» gewesen, sagte der Columbia-Profi: «Ich habe mehr erreicht, als ich mir ausgerechnet habe.»
Der 24 Jahre alte Cavendish, der bei seiner dritten Teilnahme Paris zum ersten Mal erreichte, schrieb sein Kapitel im Rekordbuch der Tour weiter. Noch nie schaffte ein Profi in seinem Alter zehn Etappensiege in zwei Jahren. Der belgische Sprinter Freddy Maertens stellte 1976 den Rekord von acht Etappenerfolgen in einer Tour auf. Auf der Prestige trächtigen Final-Etappe ließ Cavendish, der dem Norweger Thor Hushovd das Grüne Trikot nicht entreißen konnte, der Konkurrenz beim Schaulaufen über 164 Kilometer im Ziel des 21. und letzten Abschnitts abermals keine Chance. «Auf den Champs Elysées zu gewinnen, davon träumt jeder Sprinter der Welt», jubelte Cavendish, der «im nächsten Jahr noch stärker» zurückkommen und «das Grüne Trikot gewinnen» will. Gerald Ciolek vom einzig verbliebenen deutschen ProTour-Team Milram, das sich meist vergeblich mühte, sicherte sich mit seinem vierten Rang den dritten Podiumsplatz in der Punktwertung.
Auch bisher ohne aktuellen Dopingfall war das D-Wort der große Aufreger. Nachdem die französische Anti-Doping-Agentur AFLD via «L'Équipe» punktgenau zum Tour-Finale Nachkontrollen von 2008 angekündigt hatte, begann das große Zittern. Nach Informationen der Sportzeitung sind 15 der 20 Erstplatzierten der vergangenen Tour betroffen - die Frankreich-Rundfahrt steht einmal mehr vor der Sinnfrage.
Fragen nach der Doping-Vergangenheit Armstrongs wurden vom Veranstalter längst nicht mehr gestellt. Seine nachträglichen Positiv-Analysen der Tour 1999 waren vor vier Jahren aus formellen Gründen ohne Sanktionen geblieben. Der 37-Jährige wurde als gern gesehener Rückkehrer begrüßt und der Fortsetzung seines Comebacks 2010 mit neuem Team sehen die Organisatoren unter ökonomischen Gesichtspunkten bereits mit Ungeduld entgegen. Sportlich hatte er gegen den elf Jahre jüngeren Contador, der anders als bei seinem ersten Sieg 2007 inzwischen auch im Zeitfahren eine Macht ist, keine Chance. Das große Ziel seines achten Toursieges lag nie in Reichweite. Nach seiner Tour-Ehrenrunde kündigte Armstrong an: «Meine Vorbereitung für 2010 beginnt im August.»