al-'Ula (dpa) - Immerhin ist Maximilian Schachmann rein geografisch auf der Sonnenseite des Lebens. Im milden spanischen Winter bereitete sich der einst beste deutsche Radprofi auf eine wegweisende Saison vor, im noch etwas wärmeren Saudi-Arabien beginnt sie am Dienstag. Nach zwei Seuchenjahren gilt für den 30-Jährigen, kontinuierlich Rennen zu fahren und gesund zu bleiben.
«Er hat wirklich ganz, ganz harte Jahre hinter sich und wir stehen ziemlich bei Null. Wir hoffen, dass es schrittweise in die richtige Richtung geht, aber ich will ihn nicht unter Druck setzen», sagt Ralph Denk als Teamchef von Bora-hansgrohe der dpa. Deshalb geht Schachmann erst einmal ohne Ergebnisdruck und langfristige Planung in die Saison: «Wir schauen, wie sich das erste Drittel entwickelt. Es würde mich sehr freuen, wenn er wieder dahin kommt, wo er schon einmal war.»
Schachmann war lange das Aushängeschild für Denk - und den deutschen Radsport. Der Berliner gewann zweimal Paris-Nizza, war Etappensieger beim Giro d'Italia, zweimal deutscher Meister, bei den harten Ardennen-Klassikern Amstel Gold Race und Lüttich-Bastogne-Lüttich jeweils Dritter. Dann wurde ihm der Stecker gezogen. «Ich bin kein Arzt, aber es ist, als ist er seit den Olympischen Spielen in Tokio durchgehend krank gewesen», sagt Sportchef Rolf Aldag.
Immer wieder macht Schachmanns Immunsystem schlapp und bremst ihn aus. Da hatte auch das Team seine Aktien dran, wie Aldag zugibt: «Es gab Situationen, in denen wir es definitiv überstürzt haben und im Nachhinein sagen müssen: Okay, er hätte länger trainieren sollen, anstatt ihn zu Rennen zu schicken.» Schachmanns unsinniger Start bei der Classic de Panne im März 2023 dürfte dafür ein Beispiel sein.
Aldag bezeichnet es als Wunder, «dass er noch den Spirit hat». Was Schachmann den Kampfgeist gibt, ist vor allem sein Körper. Der funktioniert nämlich langsam wieder so, wie er es sich wünscht. Im vergangenen Jahr konsultiert er mehrere Ärzte, findet bei Bluttests heraus, was nicht stimmt. «Bei mir war es nicht so, dass ich mich einmal geschüttelt habe und dann ging es weiter», sagt Schachmann der dpa. «Vielleicht war es auch ein falscher Umgang mit Corona, das weiß man nicht. Das war ja komplett neu. Niemand wusste, wie man damit richtig umgeht.»
Im Herbst erwischte es ihn wieder, wie Aldag berichtet. «Die vierte Infektion, kurz bevor es ins Trainingslager geht», sagt der Ex-Profi. Doch diesmal steckt Schachmann den Rückschlag schnell weg, körperlich geht es ihm gut. «Ich bin jetzt gesund. Das ist schon mal die Grundvoraussetzung für ein gutes Jahr. Ich habe einen anderen Trainer, die Zusammenarbeit ist richtig gut», sagt Schachmann.
Während er sich früher wohl auf Paris-Nizza vorbereitet hätte, fährt er nun zum selben Zeitpunkt bei der sportlich unbedeutenden Alula-Tour in Saudi-Arabien. So sei eben das Geschäft. «Wenn man schnell fährt, fährt man die großen Rennen. Wenn nicht, dann eben nicht», sagt Schachmann. Er klingt dabei nicht frustriert. Vielmehr überwiegt das gute Gefühl, wieder ein richtiger Radprofi zu sein.
Am Saisonende läuft sein Vertrag bei Bora-hansgrohe aus. «Das ist sicher keine leichte Situation für ihn», sagt Denk. Doch sein Schützling will sich nur mit den Dingen beschäftigen, die er auch selbst beeinflussen kann. «Natürlich will ich gut und erfolgreich fahren. Aber das wollte ich zu jeder Zeit in meiner Laufbahn», sagt Schachmann. Rein biologisch ist er gerade im besten Radfahrer-Alter. Sozusagen auf der Sonnenseite des Sports.